© creative4m / 123rf.com

Drogen

STARKES PSYCHEDELIKUM

Als typische Droge der Hippie-Ära steht LSD wie keine andere für einen friedlichen, kreativen, bewusstseinserweiternden Rausch. Mit der Technobewegung gewann sie in den 1990er-Jahren wieder an Beliebtheit.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Lysergsäurediethylamid nimmt Einfluss auf das Zentralnervensystem, indem es an Rezeptoren unterschiedlicher Neurotransmitter andockt und deren Wirkung dadurch teilweise blockiert. So hemmt es den Botenstoff Serotonin unter anderem in seiner Funktion als Wahrnehmungsfilter. Alle Eindrücke werden dadurch viel stärker empfunden, es kommt zu einer wahren Reizüberflutung bis hin zur Synästhesie: Es werden zum Beispiel Farben „gehört“ oder Laute „geschmeckt“.

Das Gefühl für Zeit und Raum geht verloren, Körpergrenzen lösen sich in der Wahrnehmung auf. Die Konsumenten fühlen sich überlebensgroß und unverwundbar. Die körperlichen Auswirkungen sind zum Teil widersprüchlich, weil LSD gleichzeitig auf den Sympathikus und den Parasympathikus wirkt. Die genauen Wirkmechanismen sind dabei noch nicht bis ins Detail erforscht. Bei LSD stellt sich nach etwa zwei Wochen eine Toleranz ein, sodass die Dosis erhöht werden muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Allerdings macht die Substanz nicht abhängig. Der Rausch hält zwischen sechs und zwölf Stunden an, manchmal sogar noch länger.

Verwandt mit dem Mutterkorn LSD ist ein chemisch hergestelltes Derivat eines speziellen Alkaloids, der Lysergsäure. In der Natur wird sie von einer Pilzart, dem Mutterkorn gebildet, das auf Getreide wächst. Aufgrund seines hohen Alkaloidgehalts ist Mutterkorn stark toxisch und kann ganze Ernten verderben. So traten bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder Massenvergiftungen bei Menschen auf, die mit Mutterkorn verseuchtes Brot gegessen hatten.

Wegen der blutdrucksteigernden Wirkung der Lysergsäure stellte der Chemiker Albert Hofmann im Zweiten Weltkrieg verschiedene Derivate der Substanz her, um ein kreislaufanregendes Mittel zu finden, darunter auch LSD. Während er damit arbeitete, stellte er fest, dass er halluzinierte, wobei er annahm, dass er das LSD über die Haut aufgenommen hatte.

Daraufhin nahm er die seiner Ansicht nach geringste noch wirksame Menge von 250 Mikrogramm ein – mehr als zehn Mal so viel wie man später für einen psychedelischen Trip einwarf. Die Folge war ein extrem starker Rausch, in welchem er dennoch unbeschadet mit dem Fahrrad nach Hause fuhr. Dieses Datum, den 19. April, feiern LSD-Anhänger auch heute noch als „Bicycle Day“.

Karriere als Arzneimittel Nach Hofmanns Entdeckung versuchte man, LSD im psychischen Bereich als Medikament zu etablieren. 1949 kam es als „Delysid“ auf den Markt, es sollte Patienten unterstützen, sich in einer Psychoanalyse zu öffnen. Psychiater experimentierten dabei auch selbst mit LSD, um sich in ihre Patienten hineinversetzen zu können.

Lucy in the sky with diamonds
Es wundert daher nicht, dass gerade in den 1960er-Jahren die psychedelische Kunst aufkam. In der Malerei nutzte man schrille, fast unwirkliche Farben, in Filmen traumähnliche, surreale Bilder. Auch die Literatur und viele Songtexte spiegelten dies wider. In dem Beatles-Lied „Lucy in the sky with diamonds“ geht es um Zellophanpapierblumen und ein Mädchen mit Kaleidoskopaugen, welches in einem Marmeladenhimmel mit Diamanten umherfliegt – Grund genug, das Lied als versteckte Drogenhymne zu bezeichnen. Das Rauschmittel selbst schien bereits im Titel versteckt: „Lucy in the sky with diamonds“ – LSD. John Lennon, der das Lied schrieb, hat die Drogenanspielung allerdings zeitlebens dementiert.

Bei der Bekämpfung von Alkoholsucht hatte LSD mit 50 Prozent eine unglaubliche Erfolgsquote. Es schien somit eine glänzende Karriere als Psychopharmakon vor sich zu haben. Doch in den 1960er-Jahren wurde es immer häufiger als reines Rauschmittel missbraucht, sodass es 1966 in den USA und 1967 in Deutschland verboten wurde. D

ie medizinischen Forschungen kamen zum Erliegen und auch als Rauschmittel verlor es rapide an Bedeutung. Erst die Technobewegung in den 1990er-Jahren entdeckte die Droge neu. Sie entsprach ihrer Philosophie von Frieden und Liebe und wurde als „Acid“ erneut zur charakteristischen Droge einer ganzen Generation.

Ticket to ride LSD wird als Lösung auf saugfähiges Papier aufgebracht, das man „Pappe“ oder „Ticket“ nennt. Diese Löschblättchen werden dann gelutscht oder geschluckt. Seltener wird die Droge auch in einem Flüssiggemisch konsumiert oder in Gelatinekügelchen imprägniert. Im Prinzip kann man LSD auch spritzen oder rauchen, allerdings wirkt es im Gegensatz zu anderen Drogen bereits in so geringen Mengen, dass der Konsum auf Pappen am einfachsten ist.

Das Molekül ist instabil und zerfällt bei Licht oder Hitze sehr schnell. Daher kann man die Menge des Wirkstoffs schlecht kontrollieren. Darüber hinaus sind die Zerfallsprodukte sehr aggressiv, was den Konsum von LSD aus unsachgemäßer Lagerung doppelt gefährlich macht.

Der Trip als Balanceakt LSD kann tödlich sein, wenn auch nicht durch eine Überdosierung, sondern durch Folgeschäden. Während des Rauschs ist die Gefahr von Unfällen sehr hoch. Bei Mischkonsum mit Alkohol oder anderen Drogen kann es zu Herzinfarkten oder Atemstillstand kommen. Die Wirkung von LSD auf das Zentralnervensystem gleicht den Symptomen einer Psychose, meist wissen die Konsumenten jedoch, dass die veränderte Wahrnehmung durch die Droge ausgelöst wurde.

Allerdings können diese Grenzen auch sehr schnell verschwimmen, es besteht daher immer die Gefahr, auf der Droge „hängenzubleiben“. LSD verstärkt die bestehende Grundstimmung immens, daher ist die Gefahr eines „Höllentrips“ sehr hoch. Das macht das „Setting“, also die Umstände, in denen die Droge konsumiert wird, extrem wichtig, denn der Rausch hält stundenlang an und die Stimmung kann währenddessen leicht umschlagen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/13 auf Seite 144.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

×