Nur wenig aufgeblasene Luftbalons an Schnüren, die aussehen als seien sie Spermien, auf blauem Untergrund.
Die wellenförmigen Bewegungen der Geißel der Spermien sorgen dafür, dass sie vorwärts schwimmen. © Julia Simina, Olga Zarytska / iStock / Getty Images Plus

Mutation | Kinderwunsch

SPERMIEN: WENN DER ANTRIEB FEHLT

Normalerweise bewegen sich Spermien mithilfe der Geißel, eines fadenförmigen Zellfortsatzes. In diesem wirken verschiedene Proteine so zusammen, dass das Spermium zur Eizelle gelangt. Ist dieses Zusammenspiel gestört, schwimmen die Spermien nicht geradeaus, sondern im Kreis.

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Die Mikrotubuli in der Geißel sind ein wichtiger Bestandteil des Zellskeletts. Die winzigen Röhrchen aus Tubulin-Proteinen erfüllen eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen: Sie sorgen zum Beispiel zusammen mit Motorproteinen, sogenannten Dyneinen, dafür, dass die Keimzelle vorwärts schwimmen kann. So entsteht die schlängelnde Bewegung der Geißel, die für den Antrieb sorgt. Dieser Antrieb ist nur unter einer bestimmten Voraussetzung funktionsfähig – und zwar, wenn die Mikrotubuli auf die richtige Weise für diese Aufgabe modifiziert wurden. Das fand nun ein Team um Sudarshan Gadadhar vom Institut Curie in Paris heraus.

Zuvor hatten andere Wissenschaftler bereits vermutet, dass Modifikationen der Mikrotubuli notwendig sind, damit sie in verschiedenen Geweben eine spezifische Funktion ausüben können. Es gab auch Hinweise darauf, dass die Glycylierung bedeutsam sei.

Glycylierung: Dabei bauen spezialisierte Proteine Ketten aus der Aminosäure Glycin an die Mikrotubuli an.

Die Hypothese: Erst diese Anhängsel ermöglichen die korrekte Funktion der Geißel.

Ghadadhar und seine Kollegen züchteten Mäuse, denen die Proteine zum Anhängen der Glycinketten fehlen. Dadurch wurden die Spermiengeißeln der Mäuse nicht glycyliert. Nähere Untersuchungen zeigten, dass die Geißeln nicht mehr zielgerichtet geradeaus schwammen, sondern im Kreis. Die Bewegungen waren nicht koordiniert genug für eine Vorwärtsbewegung – wie bei einem Ruderboot, bei dem die Ruderer aus dem Takt geraten. Außerdem waren die Mäuse weniger fruchtbar als genetisch nicht veränderte Artgenossen.

„Wenn die Glycylierung nicht stattfand, koordinierten sich die Motorproteine untereinander nicht und wir beobachteten, wie die Spermien plötzlich im Kreis schwammen“, fasst Gadadhar zusammen. „Unsere Ergebnisse liefern den direkten Beweis, dass Mikrotubuli eine aktive Rolle bei der Regulierung grundlegender biologischer Prozesse spielen, ermöglicht durch einen Code von Tubulin-Modifikationen.“ Gadadhars Kollege Carsten Janke vermutet:

Da Mäuse für ihre hohe Fruchtbarkeit bekannt sind, könnte es sein, dass so ein Effekt beim Menschen zu männlicher Sterilität führen könnte.

Doch nicht nur mit Blick auf die Fruchtbarkeit können die Ergebnisse relevant sein. „Da die Spermiengeißeln nur eine von vielen Zilien-Arten in unserem Körper sind, denken wir, dass eine ähnliche Tubulin-kodierte Regulation bei verschiedenen Zilien-bezogenen Funktionen wichtig ist“, so die Forscher. Das Grundprinzip der Mikrotubuli-Modifikation und die Arbeit der Forscher könnten ein tieferes Verständnis verschiedener Krankheiten wie Entwicklungsstörungen, Krebs, oder Atemerkrankungen ermöglichen.

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quellen:
Sudarshan Gadadhar (Institut Curie, Frankreich) et al., Science
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/spermien-mit-antriebsstoerung/

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