Krebserkrankungen
SCHOCKDIAGNOSE
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Sie haben Krebs – für die meisten bricht bei dieser Diagnose eine Welt zusammen. Dabei gibt es „den Krebs“ gar nicht, vielmehr kennt man mittlerweile über 100 Krebsarten, von denen viele inzwischen gut behandelbar sind. Einige treten in so hohem Alter auf, dass die Betroffenen eher an anderen altersbedingten Krankheiten als am Krebs sterben. Doch das Bild, das die meisten von einer Krebserkrankung haben, ist immer noch das lange Leiden, die aggressiven Therapieformen, die ständige Angst vor dem Tod. Dazu trägt sicherlich bei, dass Krebs, trotz aller Forschung, immer noch etwas Mysteriöses hat.
Krebszellen stimulieren sich selbst zur Teilung, können sich quasi unsichtbar machen, indem sie die Eigenschaften des umliegenden Gewebes annehmen, bauen eine eigene Blutversorgung auf, und können sogar unsterblich werden, wenn das genetisch programmierte Zellalterungsprogramm ausfällt. Die Ursachen für eine Krebserkrankung liegen in einer Störung der genetischen Information – behandeln kann man daher nur die Symptome. Und selbst, wenn ein Krebs geheilt scheint, kann er immer wieder aufflackern. So schwingt bei Betroffenen die Angst vor dem Tod immer mit, selbst nach einer erfolgreichen Therapie.
Fehler in der Programmierung Körperzellen erneuern sich in einem bestimmten Rhythmus. Eine große Rolle spielen dabei Protoonkogene, die für Wachstum, Entwicklung und Differenzierung der Zellen verantwortlich sind, sowie Tumorsuppressorgene, die ungehindertes Zellwachstum verhindern. Wird die Erbinformation von einer Zellgeneration zur nächsten nicht exakt kopiert, greift ein Reparaturmechanismus, der den Schaden behebt oder den programmierten Zelltod, die Apoptose, einleitet. Mutationen können diese Gene mitunter aber so beeinträchtigen, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können, was ein unkontrolliertes Zellwachstum nach sich zieht.
Krebs ist immer bösartig Nicht jeder Tumor ist auch eine Krebserkrankung. Gutartige Tumoren können zu einer beträchtlichen Größe anwachsen, aber sie bleiben klar umrissen und streuen nicht. Gefährlich können sie trotzdem sein, entweder, weil sie zu einer Krebserkrankung entarten können, wie zum Beispiel Darmpolypen, oder wenn sie durch ihre schiere Größe zu Komplikationen führen, aber inoperabel sind. Einen „gutartigen Krebstumor“, wie man es manchmal umgangssprachlich hört, gibt es jedoch nicht. Maligne Tumoren wachsen in das umliegende Gewebe hinein und zerstören es.
Sie wandern über Blutbahn und Lymphsystem in andere Körperregionen und können dort unter Umständen jahrelang unbemerkt wachsen, bis sie als Metastasen erkennbare Probleme bereiten. 90 Prozent aller Krebspatienten sterben an den Metastasen und nicht am Primärtumor. Im weiteren Sinne gehören auch maligne Erkrankungen des blutbildenden oder lymphatischen Systems zu den Krebserkrankungen, sie werden umgangssprachlich als „Blutkrebs“ bezeichnet, so zum Beispiel die Leukämien oder Lymphome.
Kampf mit harten Bandagen Die Krebsbehandlung richtet sich nach Art und Lage des Krebses, außerdem danach, ob er bereits metastasiert hat. Zuerst wird man meist versuchen, den Primärtumor zu entfernen, danach hindert man eventuell verbliebene Krebszellen an der Vermehrung, indem man sie bestrahlt, mit einer Chemotherapie oder monoklonalen Antikörpern zerstört, das Krebsgewebe „verdampft“ oder ihm die Blutzufuhr abschnürt. Die Therapien sind vielfältig und immer darauf bedacht, so viel gesundes Gewebe wie möglich zu erhalten und den Körper möglichst wenig zu belasten.
Trotzdem bedeuten sie einen massiven Eingriff, was immer wieder dazu führt, dass Krebspatienten nach alternativen Therapien suchen. Für keine dieser Heilmethoden gibt es jedoch wirklich belastbare Forschungsergebnisse. Nahrungsergänzungsmittel, die häufig als Antioxidantien angepriesen werden, können die Metastasenrate sogar erhöhen. Lediglich eine gesunde Ernährung, wenig Stress und Bewegung, sogar Sport, können den Genesungsprozess sinnvoll unterstützen.
Fünf-Jahres-Prognose Nach diesem Modell liegen die Überlebensraten für alle Krebserkrankungen für Frauen bei etwas über 60 Prozent, für Männer knapp unter 60 Prozent. Doch diese Zahlen sind trügerisch, denn viele Rückfälle erfolgen erst nach der Fünf-Jahres- Hürde. Patienten, die danach sterben, fließen nicht in die Statistik des epidemiologischen Krebsregisters ein. Man muss also davon ausgehen, dass die Überlebensrate bei Krebserkrankungen niedriger ist.
Als geheilt gilt man, wenn der Krebs innerhalb von fünf Jahren nach einer erfolgreichen Therapie nicht zurückgekehrt ist.
Krebs meist Alterskrankheit Kinder haben eine sehr niedrige Fünf-Jahres-Überlebensrate von knapp 16 Prozent. Erkranken sie an Krebs, ist der Auslöser meist eine bereits bei der Geburt vorliegende Genmutation. Erbliche Krebsformen, zum Beispiel bei Brust- und Darmkrebs, treten familiär gehäuft, in allen Generationen und meist in jüngeren Jahren auf. Der Großteil der Krebserkrankungen tritt jedoch in höherem Alter, im Mittel bei 69 Jahren, auf. Das liegt daran, dass das Reparatursystem der Gene im Alter unzuverlässiger wird; außerdem spielen Umwelteinflüsse und Lebensführung eine große Rolle.
So sind unter anderem Chemikalien oder Röntgenstrahlung, UV-Strahlung, Tabakrauch, chronische Infektionen und ungesunde Ernährung sowie mangelnde Bewegung und Stress als krebsauslösende Faktoren bekannt. Auch Übergewicht wurde als Risikofaktor ausgemacht. Onkoviren wie Hepatitis B und C, Epstein-Barr, das Humane Papillom-Virus (HPV) oder ein bestimmtes Herpesvirus (HHV- 8) gelten als kanzerogen. Der Nobelpreisträger Harald zur Hausen geht davon aus, dass diese Infektionen 20 Prozent der Krebserkrankungen verursachen, andere Forscher sprechen von fünf bis 15 Prozent.
Von den über 100 bekannten Krebsarten haben einige, rechtzeitig erkannt, eine gute Prognose, so zum Beispiel weißer Hautkrebs oder Hodenkrebs. Andere, wie etwa Bauchspeicheldrüsenkrebs, haben eine sehr schlechte Prognose. Das Überleben hängt immer davon ab, wie früh der Krebs entdeckt wurde und wie gut der Patient auf die Therapie anspricht.
Vorbeugen Einer Krebserkrankung kann man lediglich vorbeugen, indem man die Risikofaktoren meidet – also nicht raucht, nicht übermäßig Alkohol konsumiert, sich gesund ernährt und ausreichend bewegt und die Haut vor schädlicher Strahlung schützt. Gegen einige der Onkoviren, wie zum Beispiel gegen HPV und Hepatitis, gibt es Impfungen. Außerdem werden für die häufigsten Krebsarten Vorsorgeuntersuchungen angeboten, so die Darmkrebsvorsorge, das Abtasten der Prostata und bei Frauen ein Abstrich der Gebärmutterschleimhaut sowie die Mammografie.
Die Untersuchungen sind jedoch auch umstritten: Zum einen können falsch-positive Ergebnisse die Betroffenen verunsichern und möglicherweise sogar unnötige Behandlungen nach sich ziehen. Manche Untersuchungen tragen auch selbst ein Risiko in sich: So kommt es bei etwa vier von tausend Darmspiegelungen zu einer Darmperforation.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 90.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist