Giftpflanzen
RIZINUS
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Ricinus communis L. gehört zu den ältesten Arzneipflanzen. Sie war schon vor 4000 Jahren im alten Ägypten bekannt und ihre Samen wurden den Toten als Grabbeigabe mitgegeben. Die erste schriftliche Erwähnung findet sich bereits im berühmten ägyptischen Papyrus Ebers , wo die Samen als Abführ- und Haarwuchsmittel sowie als Salbe gegen übel riechende Geschwüre genannt werden.
Auch der griechische Arzt Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.) beschrieb schon zahlreiche medizinische Anwendungsgebiete. Er empfahl das Öl der Pflanze unter anderem gegen Grind, Krätze, Wundnarben, Uterusleiden oder als Abführmittel. In Mitteleuropa ist die Verwendung des Rizinusöls als Laxans erst seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Zuvor war es vor allem als Brennmaterial im Einsatz.
Wunderbaum Ricinus communis L. gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) und stammt ursprünglich aus Afrika. Die Pflanze bevorzugt einen vollsonnigen, warmen und windstillen Platz sowie humus-, nährstoffreiche und gut durchlässige Böden. Heute findet sich das Wolfsmilchgewächs verwildert und weltweit angebaut in den Tropen und Subtropen sowie in der gemäßigten Zone. Bei uns ist sie vor allem als Zierstrauch in Gärten und Parkanlagen beliebt.
Während die Pflanze in tropischen Gebieten eine Höhe von bis zu 15 Metern erreicht, wird sie in gemäßigtem Klima höchstens zwei Meter hoch, bleibt strauchartig und einjährig. Das schnelle Wachstum hat ihr das Synonym Wunderbaum eingebracht. Der Gattungsname Ricinus soll sich vom lateinischen ricinus = Zecke ableiten, da die Samen diesem Tier ähnlich sehen.
Hochtoxische Samen Die Pflanze hat einen dicken rotbraun gefärbten, oft blau bereiften stark verzweigten Stängel. Auffallend sind ihre großen handförmig geteilten Blätter, die einen Durchmesser von bis zu einem Meter erreichen können. Sie sind langgestielt, fünf- bis elflappig, gezähnt und stehen wechselständig. Die unscheinbaren grüngelben Blüten sind in Büscheln in endständiger Rispe angeordnet. Im oberen Teil des Blütenstandes befinden sich weibliche, im unteren männliche Blüten. Aus ihnen entwickeln sich dreifächrige, weichstachelige Kapselfrüchte, in denen drei Samen zu finden sind. Diese sind oval, bis zu 17 Millimeter lang und von einer harten, bräunlich marmorierten Schale umgeben.
Die Samen der Rizinuspflanze sind sehr giftig. Ihre Schalen enthalten etwa 0,15 Prozent Ricin, das zu den giftigsten Pflanzeninhaltsstoffen zählt. Es ist ein pflanzliches Protein aus der Stoffgruppe der Lektine, das gegen Hitze und Verdauungsenzyme stabil ist. Ricin besteht aus zwei durch eine Disulfidbrücke verbundenen Untereinheiten.
Die A-Kette ist der wirksame Bestandteil, der als Ribosomen-inaktivierendes Protein wirkt und die Proteinbiosynthese hemmt. Die B-Kette bindet an Rezeptoren der Zelloberfläche und sorgt für die Aufnahme des Giftes in das Zytosol. Außerdem finden sich in den Samen zudem 0,2 Prozent des toxischen Pyridin-Alkaloids Ricinin. Beide Giftstoffe sind Anlass für schwere Intoxikationen.
Oft letal Die Giftwirkung hängt davon ab, wie gut die Samen zerkaut werden. Werden diese intakt verschluckt, ist ihre Toxizität relativ gering und die Vergiftung wird meist überlebt. Werden sie aber aufgebissen, endet ihr Genuss tödlich. Nach einer symptomfreien Latenzzeit von einigen Stunden bis zu zwei Tagen kommt es zu schweren gastroenterologischen Beschwerden mit blutigem Erbrechen und Durchfällen. Koliken, Kreislaufbeschwerden, Tachykardie und erweiterte Pupillen (Mydriasis) folgen. Schließlich entwickeln sich tonisch-klonische Krämpfe und der Tod tritt durch Atemlähmung und Herzversagen ein.
»In Mitteleuropa ist die Verwendung des Rizinusöls als Laxans erst seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich.«
Als tödliche Dosis gelten bei Kindern ein bis sechs und bei Erwachsenen etwa 20 Samen. Da diese sehr wohlschmeckend sind, ist ein Genuss nicht auszuschließen. Zudem sind Kinder durch das Basteln und Tragen von Schmuckketten aus Rizinussamen stark gefährdet. Bei Kontakt der Haut mit den aufgefädelten Samen, die zu diesem Zwecke zuvor durchbohrt wurden, kann das aus den Löchern austretende Ricin resorbiert werden. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Träger der Ketten auf den „Perlen“ herumlutschen und somit der Giftstoff über die Mundschleimhaut aufgenommen wird.
Rizinusöl Das aus den Samen gewonnene als Abführmittel genutzte Rizinusöl ist ungiftig. Das toxische Ricin bleibt bei der Kaltpressung in den Pressrückständen. Letzte Spuren werden durch Wasserdampfdestillation aus dem Öl entfernt. Die anfallenden Presskuchen sind also giftig und können nicht als Viehfutter verwendet werden, sondern kommen als Düngemittel zum Einsatz.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 108.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin