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Tiere in der Apotheke

PUCKI FRISST NICHT

Appetitlosigkeit (Inappetenz) und Abmagerung sind häufige und unspezifische Symptome beim Meerschweinchen. Unabhängig von der Ursache muss vielfach eine Zwangsfütterung („Critical Care“) eingeleitet werden.

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Meerschweinchen sind Fluchttiere, die Krankheitszeichen so lange wie möglich verbergen. In der Tierarztpraxis werden sie daher oft erst dann vorgestellt, wenn sie nicht mehr fressen oder sich zurückziehen. Die Tiere befinden sich dann in der Regel schon in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium.

Zahnerkrankungen Ursachen hierfür sind unter anderem genetisch bedingte Fehlstellungen, Fütterungsfehler aufgrund von Rohfaser- oder Calciummangel, Traumata und Alter. Fehlstellungen führen zu einem ungleichmäßigen Abrieb der Zähne, sodass diese überwachsen oder Spitzen ausbilden. Es kommt in Folge zu Verletzungen der Mundschleimhäute oder zu einer Einschränkung der Zungenbeweglichkeit. Die schlechte Zahnqualität verursacht eine verminderte Festigkeit der Zähne, sodass Keime bin in den lebenden Bereich des Zahnes eindringen und sich dadurch entzündliche Prozesse entwickeln können. Typische Symptome einer Zahnerkrankung sind veränderte Fressgewohnheiten und damit einhergehende Verdauungsstörungen wie Diarrhoe, vermehrte Salivation (Speichelbildung) und verminderte bis ausbleibende Futteraufnahme. Die Diagnose wird durch eine gründliche Inspektion der Maulhöhle gestellt.

Therapeutisch erfolgt eine Kürzung beziehungsweise Korrektur der Zähne. Damit ist das Problem aber nicht immer gleich behoben, da die Zähne zeitlebens wachsen – je nach Art und Zahn circa ein bis zwei Millimeter pro Woche, sodass sich die Situation der Zähne innerhalb kurzer Zeit wieder erheblich verändern kann. So können rekonvaleszente Tiere zunächst weiterhin nur unzureichend kauen, und da dadurch erneut kein Abreiben der Zähne erfolgt, ist eine Nachkorrektur erforderlich. Bei Schleimhautveränderungen werden Analgetika, bei einer sekundären Infektion Antibiotika verabreicht. Bis das Meerschweinchen wieder normal frisst und die Rötungen und Verletzungen im Rachen- und Maulbereich abgeheilt sind, muss unbedingt zugefüttert und das Tier animiert werden, selbst zu fressen. Beispielsweise indem gekühlte Melonen, Gurken, Petersilie und Klee angeboten werden. Anschließend wird Brei gefüttert. Wichtig ist weniger, was das Tier frisst, sondern dass überhaupt Nahrung aufgenommen wird, um die Zähne wieder einzuschleifen.

Pharyngitis Die Rachenentzündung tritt vor allem bei Tieren mit geschwächtem Immunsystem auf. Meist liegen andere Primärerkrankungen zugrunde. Die betroffenen Meerschweinchen haben Appetit, würgen jedoch nach der Futteraufnahme und spucken das Futter wieder aus. Auch Husten wird beobachtet. Durch Berührung im Bereich des Kehlkopfes kann ein Würgen oder Husten ausgelöst werden. Im Rachenraum sind Rötungen, Schleimansammlungen, Bläschen und eitrige Plaques sichtbar. Die Behandlung besteht in der Gabe von Antibiotika und Analgetika. Vor einer Zwangsfütterung sollte ein lokales Schleimhautantiseptikum gegeben werden. Futter wird meist erst nach vollständiger Abheilung der Entzündung wieder selbstständig aufgenommen.

Osteodystrophie Diese Erkrankung tritt hauptsächlich in Satin-Zuchtlinien auf, deshalb hat sie den Beinamen „Satin-​Krankheit“ bekommen. Satin-​Meerschweinchen haben ein besonders glänzendes Fell, da die Haare dieser Tiere hohl sind und das Licht anders brechen. Im Verlauf der Erkrankung wird stabiles Knochengewebe durch Bindegewebe ersetzt, das heißt, Calcium wird entzogen, jedoch kein neues eingelagert. Zunächst kommt es zu geringfügigem, später zu einem zunehmenden Gewichtsverlust. Der Kot ist schmierig, da nur noch weiches, rohfaserarmes Futter gefressen wird. Die Meerschweinchen werden bewegungsunlustig, der Gang wirkt hoppelnd. Bei der klinischen Untersuchung fallen eine Auftreibung der Kieferknochen und eine eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke auf. Röntgenaufnahmen zeigen eine generalisierte Auflockerung der Knochenstruktur. Osteodystrophie ist nicht behandelbar oder heilbar. Bei Schmerzen ist eine Therapie mit Analgetika möglich. Sind die Schmerzen groß, oder ist bei Befall des Kiefers kein Fressen mehr möglich, sollte das Tier eingeschläfert werden.

Tumoren Meerschweinchen leiden häufig unter Osteosarkomen der Kieferknochen, die im Ober- und Unterkiefer lokalisiert sein können. Durch Auftreibung des Kieferknochens verschieben sich die Backenzähne. Die betroffenen Tiere fressen zunächst nur noch weiches Futter, mit Fortschreiten der Erkrankung können sie kaum noch Futter kauen. Hinzu kommt eine Hypersalivation. Im Anfangsstadium der Erkrankung werden nur leichte Asymmetrien der Kieferknochen festgestellt, im weiteren Verlauf treten deutliche Verschiebungen der Zähne auf. Die Veränderungen der Knochenstrukturen lassen sich röntgenologisch nachweisen. Durch die Gabe von Analgetika und durch Zufütterung kann das Allgemeinbefinden der Meerschweinchen noch eine zeitlang ungestört sein.

Schilddrüsenerkrankungen Bei Meerschweinchen kommt sowohl eine Über- als auch eine Unterfunktion der Schilddrüse vor. Hyperthyreosen überwiegen jedoch. In diesem Zusammenhang werden neben Hyperplasien auch Adenome und Adenokarzinome der Schilddrüse festgestellt. Davon sind vor allem Meerschweinchen ab fünf Jahren betroffen. Bei Hyperthyreosen kommt es zunächst bei erhaltener oder deutlich gesteigerter Futteraufnahme zu Gewichtsverlusten. Später besteht Inappetenz, bei manchen Tieren fällt Polydipsie (krankhaft gesteigerter Durst) auf, und auch schmierige Durchfälle werden beobachtet. Auch Alopezien im Bauchbereich und an den Hinterbeinen sind häufig. Eine Hypothyreose äußert sich durch Trägheit und Gewichtszunahme, im Verlauf nimmt die Futteraufnahme jedoch ab, und die Tiere verlieren an Gewicht. In fortgeschrittenen Fällen werden Myxödeme (ödemartige Schwellung der Unterhaut) festgestellt sowie Fellverluste wie bei einer Hyperthyreose. Um eine Schilddrüsenerkrankung bei dieser Symptomatik eindeutig zu diagnostizieren, sollte der T4-Wert bestimmt werden. Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie kann der Zustand des Tieres deutlich verbessert und über lange Zeit stabil gehalten werden.

Umfangsvermehrungen der Bauchorgane Bei Meerschweinchen können beispielsweise Ovarialzysten und Hämangiosarkome der Milz sowie Gebärmuttertumoren eine Verdrängung des Darms und damit eine Reduktion der Futteraufnahme auslösen, sodass die Tiere bei zunehmenden Bauchumfang abmagern. Bei Ovarialzysten oder -tumoren wird das Meerschweinchen kastriert. Tumoren der Milz oder des Darmes haben aufgrund weitreichender Verklebungen mit anderen Organen eine schlechte Prognose.

Tipps für Meerschweinchen-Besitzer Wenn Hunde oder Katzen nicht fressen, fällt das sofort auf. Bei Meerschweinchen ist dies hingegen oft nicht sofort ersichtlich, vor allem dann, wenn mehrere Tiere gemeinsam gehalten werden. Auch das gesträubte Fell täuscht oft mehr Körperfülle vor, weshalb zunächst gar nicht erkannt wird, dass das Meerschweinchen abmagert. Darüber hinaus erscheinen die Tiere immer wieder am Futternapf und bleiben aus Hunger oft länger davor sitzen als ihre gesunden Artgenossen, sodass der Besitzer glaubt, dass das Tier immer gefressen hat, sogar öfter als die anderen. Doch das Meerschweinchen versucht zwar zu fressen, kann aber aufgrund der Schmerzen oder einer Zahnfehlstellung nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen. Erst das Abtasten der Wirbelsäule und der Rippen lassen das wahre Ausmaß der Abmagerung erkennen. Deshalb ist es ratsam, Meerschweinchen wöchentlich zu wiegen, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Zeigt sich bei drei aufeinanderfolgenden Gewichtskontrollen eine Gewichtsreduktion oder nimmt das Tier mehr als 50 Gramm ab, sind dies Alarmzeichen und eine Vorstellung beim Tierarzt ist unbedingt erforderlich. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/19 ab Seite 122.

Dr. Astrid Heinl, Tierärztin

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