© Andrea Danti / stock.adobe.com
© Andrea Danti / stock.adobe.com

Repetitorium

PARKINSON UND DEMENZ – TEIL 1

Neurodegenerative Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Für die Ursachen gibt es verschiedene Hypothesen. Sicher ist, dass neben einer genetischen Veranlagung der demographische Wandel eine Rolle spielt. Denn ein bedeutender Risikofaktor ist das Alter.

Seite 1/1 9 Minuten

Seite 1/1 9 Minuten

Parkinson und Demenz zusammen zu nennen mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Hat man doch zwei völlig unterschiedliche Patienten-Typen im Kopf. Auch die Medikation und die Pathogenese, also die Entstehung und Entwicklung einer Krankheit, unterscheiden sich. Doch zum einen stellen Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer (häufigste demenzielle Erkrankung) die zwei häufigsten neurodegenerativen Krankheiten dar. Zum anderen entwickeln ungefähr 30 bis 40 Prozent der Parkinson-Patienten zusätzlich eine Demenz.

Nur, wie kann ein Demenz-Syndrom auftreten, wenn Morbus Parkinson andere Ursachen hat und andere neurobiologische Strukturen betroffen sind? Zu Anfang sei erklärt, dass es sich bei einer Demenz um ein psychiatrisches Syndrom handelt, das bei degenerativen und nicht-degenerativen Erkrankungen auftritt – nicht um eine eigenständige Krankheit. Die bekannteste Erkrankung, bei der das Leitsymptom Demenz auftritt, ist Morbus Alzheimer.

Häufig werden Demenz und Alzheimer umgangssprachlich synonym verwendet, dies ist aber nicht korrekt. Das Syndrom beschreibt den Verlust kognitiver, sozialer und emotionaler Fähigkeiten und kann in verschiedene Formen unterschieden werden. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Morbus Parkinson um eine eigenständige, neurodegenerative Erkrankung, die vor allem den Bewegungsapparat betrifft.

Neurodegenerative Erkrankungen Warum ist es eigentlich so schlimm, wenn Nervenzellen absterben? Prinzipiell ist der Körper den ganzen Tag mit Zellteilung beschäftigt, um neue Zellen zu schaffen, die älteres oder verletztes Gewebe ablösen. Nervenzellen besitzen allerdings eine Besonderheit: Nach der Geburt können sie sich nicht mehr durch Zellteilung vermehren. Eine anhaltende, chronische Schädigung führt daher zwangsläufig zu einem kontinuierlichen Verlust von Nervenzellen und damit wichtigen Körperfunktionen.

Dies kann unterschiedliche Ursachen haben. Neben einer genetischen Veranlagung können chronische Entzündungen oder Stoffwechselstörungen an den Neuronen, aber auch onkologische Erkrankungen zum Verlust der Nervenzellen führen. Auch das zuvor angesprochene Alter spielt eine Rolle: Die wenigsten erkranken vor dem 60. Lebensjahr. Je nachdem, welche Strukturen im Zentralen Nervensystem (ZNS) betroffen sind, gestaltet sich auch die Symptomatik und teilweise auch die Prognose. Zu den bekannteren neurodegenerativen Erkrankungen zählen neben Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer auch Chorea Huntington, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).

Auch wenn all diese Krankheiten unterschiedliche Ausprägungen und Prognosen aufzeigen oder verschiedenster medikamentöser Maßnahmen bedürfen, lassen sich dennoch Gemeinsamkeiten feststellen. Bei allen gehen im Krankheitsverlauf zunehmend einzelne Nervenzellverbände zugrunde, diese können an unterschiedlichen Stellen im Gehirn sitzen oder unterschiedliche neurobiologische Strukturen (Rezeptoren, Neurotransmitter und ähnliches) betreffen und dadurch zur Ausprägung charakteristischer neuropathologischer Symptome führen. Meist beginnt die Erkrankung in einem abgrenzbaren Hirnareal und breitet sich im Krankheitsverlauf weiter aus.

Als Ursache gilt bei allen unter anderem eine gewisse genetische Veranlagung. Ein gemeinsames Merkmal bilden zudem im ZNS nachweisbare verschiedene Typen an Proteinaggregaten oder fehlgefalteten Proteinen (Einteilung nach Mackenzie et al.). So finden sich aggregierte, also zusammengelagerte Tauproteine bei Morbus Alzheimer oder Synuclein-Aggregate bei Morbus Parkinson. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der Heilungschance: Trotz intensiver Forschung existiert bislang für keine neurodegenerative Erkrankung eine ursächliche Therapie. Es können lediglich die Symptome gemildert oder das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden.

Ein Blick ins Gehirn Unser Gehirn leistet unfassbar viel, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dabei wiegt es gerade einmal im Schnitt 1400 Gramm, abhängig von Geschlecht und Körpergröße. Die Größe oder das Gewicht des Gehirns hängen allerdings nicht mit der Intelligenz eines Menschen zusammen. Trotzdem ist es bemerkenswert, wie dieses verhältnismäßig kleine Organ (zum Vergleich: eine Leber wiegt ähnlich viel) komplexe Bewegungsabläufe, Gedankengänge und Emotionen verarbeitet und steuert. Dazu müssen Milliarden von Nervenzellen ständig mit Hilfe elektrischer Impulse miteinander in Kontakt stehen. Aber erst einmal zum Aufbau. Zusammen mit dem Rückenmark bildet das Gehirn das ZNS. Es besteht aus zwei Hälften, die über den sogenannten Balken miteinander verbunden sind. Es lässt sich in verschiedene Hirnregionen einteilen, die unterschiedliche Funktionen im Körper wahrnehmen:

  • das Großhirn (Telencephalon) mit der Hirnrinde (Cortex),
  • das Kleinhirn (Cerebellum),
  • das Hinterhirn (Metencephalon),
  • das Zwischenhirn (Diencephalon), dort befinden sich unter anderem auch Thalamus und Hypothalamus,
  • und dem Hirnstamm (Truncus cerebri) mit dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem Nachhirn oder Markhirn (Myelencephalon), auch Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) genannt.


Dabei entfallen ungefähr 80 Prozent der Hirnmasse auf das Großhirn. Dessen Rinde (Cortex) ist stark aufgefaltet, wodurch sich die Oberfläche vergrößert und ungefähr 19 bis 23 Milliarden Nervenzellen Platz finden. Die Nervenzellfortsätze führen aus der Rinde dann in das Innere des Großhirns. Sie sind von einer weiß scheinenden Myelinscheide umgeben, was dem Großhirn den zusätzlichen Namen Weiße Substanz (Substantia alba) verleiht. Die Substantia nigra bezeichnet wiederum einen Bereich des Mittelhirns, der aufgrund eines hohen Anteils an Melanin und Eisen dunkel gefärbt erscheint. Auch das Großhirn wird in zwei Hälften unterschieden, in denen die funktionellen Regionen gleichermaßen vorkommen. Manche Strukturen wie beispielsweise das Sprachzentrum gibt es allerdings nur einmal. Es kann bei manchen Menschen in der rechten, bei manchen in der linken Hälfte vorkommen.

Das EPMS mit rein groben und unwillkürlichen Stütz- und Haltungsbewegungen dem PS mit seiner willentlichen Feinmotorik gegenüberzustellen, gilt als obsolet. Die Systeme regulieren synergistisch und untrennbar voneinander die menschliche Motorik.


Basalganglien und das extrapyramidalmotorische System Dringt man noch tiefer in die Hirnstrukturen vor, stößt man rasch auf weitere kompliziert klingende Strukturen, die allerdings für das Verständnis neurodegenerativer Erkrankungen von Bedeutung sind. Die Basal- oder Stammganglien stellen eine Kerngruppe dar, die unterhalb der Hirnrinde im Großhirn liegt. Sie spielen eine große Rolle bei der Regulation der Motorik, übernehmen aber auch kognitive und limbische Funktionen wie zum Beispiel die Verarbeitung von Emotionen oder das Triebverhalten. Zu den Kerngruppen zählen der Schweifkern (Nucleus caudatus), der Linsenkern (Nucleus lentiformis), der Putamen (Nucleus putamen) und der Pallidum (Globus pallidum).

Der Schweifkern und der Putamen bilden zusammen den Streifenkörper, das Striatum. Der Name kommt von den streifenförmigen, schmalen Faserverbindungen, die die beiden Kerne miteinander verbindet. Zum Streifenkörper zählt man zudem die dopaminergen Ursprungskerne im Mittelhirn in der Substantia nigra. Daher findet man diese auch oft im Zusammenhang mit den Basalganglien genannt.

Diese komplizierten und komplexen Zusammenhänge spiegeln sich auch im Funktionsverständnis der Basalganglien wider: Diese sind zurzeit nämlich nur ansatzweise verstanden. Man kann sich ihre Funktion aber wie eine Art Filter vorstellen: Sie entscheiden zum Beispiel über die koordinierte Bewegung, das bedeutet, sie können sowohl aktivierend (willentliche Bewegung) oder hemmend (Verhinderung unkontrollierter Bewegung) wirken. Man bezeichnet diese Auswirkungen auch als ein Mehr (Plus) oder Weniger (Minus) an Bewegung beziehungsweise Handlungsmustern. Denn wie zuvor erwähnt, zählt nicht nur die motorische Regulation zu den Aufgaben der Basalganglien.

Sie wirken in einer komplexen Regelschleife, die grob gesagt von der Hirnrinde über die Basalganglien und den Thalamus zurück zum Frontallappen im Großhirn verläuft. Dabei sind die Neurotransmitter Glutamat, GABA, Acetylcholin und Dopamin beteiligt. Die von den dopaminerg kontrollierten Nervenzellen der Substantia nigra ausgehenden Auswirkungen gelten derzeit als am besten erforscht. Die Aufklärung ihrer Bedeutung hat viel zum Verständnis des Krankheitsbildes von Morbus Parkinson, bei dem eine gestörte Basalganglienfunktion vorliegt, beigetragen.

Aufgrund ihrer Funktion im Bewegungsablauf werden die Basalganglien zum extrapyramidalmotorischen System (EPMS oder EPS für extrapyramidales System) gezählt. Zu diesem gehören alle Steuerungsvorgänge der Motorik, die nicht über die Pyramidenbahnen des pyramidalen Systems (PS) laufen. Der Bewegungsablauf von Säugetieren wird durch beide Systeme geregelt, eine klare funktionelle Abtrennung gibt es nicht. Es lässt sich jedoch grob sagen, dass das EPMS für die Massenbewegung und die Motorik der Rumpfmuskulatur verantwortlich und somit die Grundlage für das PS mit allen feinmotorischen Abläufen darstellt.

So könnten die feinen Bewegungen der Hände nicht ohne die grundlegende Bewegung des Oberarms erfolgen. Das EPMS sorgt außerdem für eine gewisse Bewegungsharmonie und Korrektur der Körperhaltung. Es verfügt über mehrere Umschaltstellen (Synapsen), wobei Dopamin der wichtigste Neurotransmitter im EPMS ist. Zu den bedeutendsten Erkrankungen, die durch eine Störung beziehungsweise eine Schädigung des EPMS bedingt sind, zählen Chorea Huntington mit einem Überschuss an Bewegung und Morbus Parkinson mit vorrangig stark gehemmten Bewegungsabläufen.

Morbus Parkinson Im folgenden Repetitorium-Teil wird noch ausführlich auf das Krankheitsbild, die Therapie und das Leben mit Parkinson eingegangen. An dieser Stelle soll aber bereits ein Abriss der Pathophysiologie, also der Krankheitsvorgänge und Funktionsstörungen im Gehirn gegeben werden. Neben den selteneren Formen des familiären (vererbbaren) Parkinson-Syndroms und dem symptomatischen, also sekundären Parkinson-Syndroms, das zum Beispiel durch Vergiftungen, Tumoren, aber auch durch Medikamente ausgelöst werden kann, stellt der idiopathische Parkinson (ohne anderen ersichtlichen Grund) die häufigste Form dar.

Er ist meist gemeint, wenn von Morbus Parkinson die Rede ist. Allen Formen liegt allerdings ein Dopaminmangel zugrunde. Bei Morbus Parkinson ist dies durch das Absterben dopaminerger Neuronen, vor allem in der Substantia nigra, zu erklären. Durch den Rückgang dopaminerger Nervenzellen, kommt es zu einer Störung des Neurotransmitter-Gleichgewichts. Acetylcholin, GABA und Glutamat beherrschen mehr und mehr den Bewegungsablauf. Der Dopaminmangel spiegelt sich in einer Verlangsamung der Motorik mit Bewegungsarmut (Hypo- oder Akinese) wieder, verstärkt durch das GABAerge System (MINUS-Symptome).

Der Überschuss an Acetylcholin und Glutamat führt wiederum zu Symptomen wie Zittern in Ruhe (Ruhetremor), Tonuserhöhung (Rigor), Standunsicherheit, Sprachstörungen oder Steifheit der Extremitäten (PLUS-Symptome). Die Symptome beginnen meist halbseitig und armbetont, wobei ein beginnender Verlust der Nervenzellen noch durch das restliche Gehirn funktionell ausgeglichen werden kann. Folglich treten erste Symptome erst sehr spät auf, nämlich ab einem Verlust dopaminerger Neuronen von ungefähr 50 Prozent.

Die motorischen Kontrollinstanzen im Thalamus, in den Basalganglien und der Hirnrinde funktionieren als ganze Schalteinheit innerhalb des EPMS nicht mehr richtig und es treten die genannten parkinsontypischen Symptome auf. Wobei sich verschiedene Typen ausbilden können: Der Äquivalenztyp zeigt eine nahezu gleichmäßig ausgeprägte Symptomatik aus Akinese, Rigor und Tremor. Der akinetisch-rigide Typ hat weniger Beschwerden durch einen Tremor und der Tremordominanztyp zeigt nur minimal Akinese und Rigor.

Der Bogen zur Demenz Neben Einschränkungen in der Motorik können auch vegetative und psychische Störungen auftreten. Zu den psychischen Veränderungen zählen depressive Verstimmungen, verlangsamte Denkabläufe und in Spätstadien der Erkrankung demenzielle Syndrome. Die Forschungen der letzten Jahre konnten leider noch nicht die genaue Ursache der parkinsonschen Krankheit ausmachen. Man geht von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, wie zum Beispiel einer beschleunigten Hirnalterung, einer mangelhaften Entgiftungsfunktion des Gehirns und einer genetischen Veranlagung.

Es konnten verschiedene Gene ausgemacht werden, die mit der Entstehung der Krankheit in direkte Verbindung gebracht werden: PARK 1 bis 13. Veränderungen dieser Gene können zu einem gestör ten Proteinstoffwechsel führen. So bewirkt die Veränderung im PARK1-Gen die Bildung des Eiweißstoffes Alpha-Synuclein. Wie eingangs erwähnt, gehören Synuclein-Aggregate zu typischen Auffälligkeiten bei der Diagnostik der neurodegenerativen Erkrankung. Aus bislang nicht genau bekannten Gründen führen diese Proteine zu einem Untergang melaninhaltiger Zellen wie in der Substantia nigra.

Interessant ist an dieser Stelle, dass Synuclein zusammen mit Ubiquitin, das ebenfalls durch ein verändertes PARK-Gen gebildet wird, den Ausgangsstoffe für Lewy-Körperchen darstellt. Diese findet man zum einen vermehrt in der Substantia nigra bei Morbus Parkinson. Zum anderen bei der Lewy-Körperchen-Demenz. Daher treten bei den 30 bis 40 Prozent der Parkinson-Patienten vorwiegend Lewy-Körperchen-Demenzen auf, obwohl die Demenz vom Alzheimer-Typ oder die vaskuläre Demenz zu den allgemein häufigeren Ausprägungen zählt.

Die Behandlung ist allerdings gleich, wobei zunächst die Parkinson-Medikation dahingehend angepasst wird, dass die Demenz-Symptomatik nicht verstärkt wird. Unabhängig von der Proteinbildung ist die Demenzhäufigkeit bei Parkinson-Patienten vom Lebensalter und der Krankheitsdauer abhängig. Etwa die Hälfte der über 75-Jährigen ist zusätzlich von einer Demenz betroffen, wer allerdings vor dem 40. Lebensjahr an Morbus Parkinson erkrankt, entwickelt höchstwahrscheinlich keine Demenz.

Neben einer langen Krankheitsdauer und hohem Alter gelten auch ein körpersymmetrischer Krankheitsbeginn oder das Auftreten von Halluzinationen als Risikofaktoren. Akinetisch-rigide Typen sind zudem häufiger betroffen. Im Gegensatz zu Alzheimer-Demenz äußert sich ein demenzielles Syndrom bei Parkinson mit einer Aufmerksamkeitsstörung und verlangsamten Denkvermögen, mit einer Persönlichkeitsveränderung, Depressionen und Halluzinationen. Die Lernfähigkeit bleibt oft erhalten und auch Gedächtnisstörungen treten erst sehr spät auf. Nach den Grundlagen und einem groben Überblick der Zusammenhänge drehen sich die folgenden Teile dieses Repetitoriums um die Krankheitsbilder des Morbus Parkinson und des demenziellen Syndroms.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/18 ab Seite 86.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

×