Die neue Technologie der Fraunhofer Wissenschaftler eröffnet neue Möglichkeiten in der Impfstoffproduktion. © Kuntalee Rangnoi / iStock / Getty Images Plus

Tot-Impfstoffe | Produktion

NEUE TECHNOLOGIE SCHLÄGT FORMALDEHYD

Bislang werden Erreger in Totimpfstoffen mit geringen Dosen Formaldehyd abgetötet. Eine neuartige Technologie, entdeckt von Fraunhofer Forscherinnen und Forschern, ermöglicht es in Zukunft, Impfstoffe vollkommen chemiefrei herzustellen.

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Totimpfstoffe enthalten im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen abgetötete, besser gesagt nicht mehr reproduktionsfähige Viren oder Bakterien. Das können entweder die kompletten Erreger (Vollimpfstoffe), inaktive Teile (Spaltimpfstoffe) oder spezifische Komponenten sein, die herausgelöst oder rekombinant hergestellt wurden (Subunit-Impfstoffe). Nachteilig an Totimpfstoffen ist, dass sie eine schwächere Immunantwort als Lebendimpfstoffe auslösen und daher meist mehrmals verabreicht werden müssen. Sie besitzen aber ein besseres Sicherheitsprofil und lösen weniger unerwünschte Wirkungen aus, das gilt insbesondere für Subunit-Impfstoffe. Bekannte Beispiele sind zum Beispiel die gegen Meningokokken, Hepatitis-A-, Poliomyelitis-Impfung (Kinderlähmung) oder die Impfung gegen Tollwut.

Mit Hilfe kombinierter Anwendungen chemischer Substanzen wie beispielsweise Formaldehyd, beta-Propiolacton oder Psoralen wird sichergestellt, dass sich in der fertiggestellten Impfstoffdosis kein vermehrungsfähiger Erreger mehr befindet. Die jeweils eingesetzten Konzentrationen sind zwar nicht gefährlich für den Menschen, doch wird der Einsatz der Chemikalien in den Impfstoffen nicht nur von Impf-Skeptikern diskutiert und kritisiert. Die eingesetzte niedrige Konzentration bringt nämlich auch Nachteile für die Herstellung mit sich, denn so müssen die Zellgifte meist mehrere Tage bis Wochen auf die angezüchteten Krankheitserreger einwirken. Wenn es mal schneller gehen muss, wie zum Beispiel bei der Produktion von Grippe-Impfstoffen, kommen dann mitunter höhere Dosen zum Einsatz – die anschließend aufwendig entfernt werden müssen. Schwierig!

Das dachten sich auch die Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Institute für Zelltherapie und Immunologie IZI, für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP sowie für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Sie klügelten eine Methode aus, bei der in der finalen Impfstoffdosis keinerlei Chemikalienreste mehr nachweisbar sind. Dadurch eröffne sich nach Ansicht der Wissenschaftler auch die Möglichkeit, in der Zukunft auch Impfstoffe aus solchen Erregern herzustellen, die bislang nicht chemisch inaktiviert werden konnten. „Statt die Krankheitserreger mittels Chemikalien zu inaktivieren, nutzen wir niederenergetische Elektronenstrahlen“, erläutert Martin Thoma, Gruppenleiter am Fraunhofer IPA. Die Elektronen greifen die DNA der Partikel an und führen dort zu Einzel- oder Doppelstrangbrüchen – mit dem Resultat, dass keine Vermehrung mehr stattfinden kann. Die Struktur der Erreger bleibt allerdings intakt. Dies ist nötig, um im Körper eine geeignete Immunreaktion auszulösen.

Jetzt ist diese Theorie nichts Neues, aber an der Umsetzung hat es bislang gehapert. Denn die Elektronen dringen nicht besonders tief in die Erreger-Suspension ein, maximal 200 Mikrometer darf der Flüssigkeitspegel hoch sein. Das IPA entwickelte nun eine neue Technik, bei der eine Rolle kontinuierlich mit Suspension benetzt, bestrahlt und in ein steriles Gefäß überführt wird. „Dabei handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess, der sich ausgezeichnet für die Produktion von Impfstoffen hochskalieren lässt“, fasst Thoma zusammen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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