Blatt an nasser Scheibe © Xanya69 / iStock / Getty Images
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Darmmikrobiota

MIT DARMBAKTERIEN DER PSYCHE HELFEN

Unsere einzelligen Mitbewohner im Darm beeinflussen auch das Gehirn und die psychische Verfassung. Damit könnte die „Darmflora“ eine große Rolle bei der Entstehung und Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen spielen.

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Die Heerscharen der Darmbakterien sind unerlässlich für unsere Gesundheit – unter anderem unterstützen sie die Verdauung, verhindern Infektionen und signalisieren dem Immunsystem, was es bekämpfen soll. Was sich im Inneren unseres langen Darms so alles tummelt, hat allerdings auch bei der Entstehung von Krankheiten seine Finger mit im Spiel. Dabei handelt es sich keineswegs nur um Beschwerden im Verdauungstrakt. Nein, das rege Forschungstreiben zur Mikrobiota, wie die Gesamtheit unserer Darmbakterien korrekt genannt wird, lässt inzwischen keine Zweifel mehr daran, dass dieses alle Bereiche des Körpers zum Guten wie zum Schlechten in den Griff nimmt. So haben Darmbakterien auch einen Anteil an Gelenkerkrankungen, Allergien und Autoimmunkrankheiten. Auch dafür, dass jemand übergewichtig wird, können die winzigen Herrschaften im Darm mitverantwortlich sein. So zeigte sich, dass besonders ein Darmbakterium namens Clostridium ramosum die Fettaufnahme aus dem Darm fördert.

Die bedeutsame Darm-Hirn-Achse Wenn die Darmbakterien so viel im körperlichen Bereich bewirken können, reden sie dann nicht auch bei der psychischen Verfassung ein Wörtchen mit? Eine berechtigte Frage, deren Antwort eindeutig „ja“ lautet. Denn ebenso wie unser Gehirn auf unseren Verdauungstrakt einwirkt – etwa durch die Entscheidung, was wir zu uns nehmen, sowie durch Emotionen wie Ängste und Stress – kann auch die Darmflora unser psychisches Gleichgewicht ins Wanken bringen. Indem sie nämlich mit darüber bestimmt, was im Gehirn geschieht.

Das gelingt den Millionen von Einzellern über die sogenannte Darm-Hirn-Achse. So heißt die enge Verbindung zwischen unserem Gehirn im Kopf und dem im Darm. Im Darm? Genau. Auch hier gibt es ein Gehirn. Es heißt enterisches Nervensystem, zu gut deutsch Bauchhirn. Und das hat eine enorme Power: Es ist durchaus ebenso bedeutsam wie unser Kopfhirn. Anatomische Basis der Darm-Hirn-Achse ist der Vagus-​Nerv: Er bildet die Autobahn zwischen Kopf und Bauch. Und auf dieser herrscht permanent reger Verkehr. Über diesen ständigen Austausch kann die Darmflora unser Gehirn im Kopf beeinflussen – sowohl positiv wie negativ.

Veränderte Darmflora, gekränkte Psyche Die Zusammensetzung der Mikrobiota hat direkte Auswirkungen auf unsere psychische Verfassung. Ändert sich in dem komplexen Miteinander der Darmflora etwas, verändert sich auch der Inhalt der Botschaften, die über den Vagus-Nerv im Gehirn ankommen. Dies hat langfristige Konsequenzen. So kann die Beschaffenheit der Mikrobiota mit darüber bestimmen, wie anfällig jemand für psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Schizophrenie ist. Dafür, dass Veränderungen der Darmbewohner mit diesen Krankheiten einhergehen, gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege. Gesichert ist inzwischen, dass sich die Bakterienpopulationen im Darm bei gesunden Menschen von jenen bei Patienten mit beispielsweise einer Depression oder bipolaren Störung voneinander unterscheiden.

So ist etwa die Anzahl von Darmbakterien namens Bacteriodetes bei an Depression erkrankten Menschen auffällig reduziert. Bei Patienten mit einer bipolaren Störung wiederum ist die Besiedlung im Darm mit dem Faecalibacterium vermindert. Dass und wie sehr die Darmflora und ihre Stoffwechselprodukte von Gesunden und Depressiven divergiert, bestätigte Ende 2019 eine weitere, bemerkenswerte Studie belgischer Wissenschaftler. Sie stellten fest, dass sich bei depressiven Patienten weniger Bakterien der Gattungen Dialister und Coprococcus im Darm tummeln. Diese Einzeller produzieren Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure. Sie wird für die Bildung des Nervenbotenstoffes Dopamin benötigt. Er wird auch Glückshormon genannt, da er einer der Launemacher unter den Neurotransmittern ist: Dopamin hebt die Stimmung und fördert Antrieb sowie Motivation.

Neue Therapien in Sicht Welche Darmbakterien das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen und welche dagegen helfen können, sie zu verhindern, wird derzeit auf Hochtouren in diversen Studien weltweit untersucht. Anhand ihrer Ergebnisse können neue und ergänzende Behandlungsansätze entwickelt werden. Unter anderem, indem man jene Darmbakterien hemmt, die psychisch riskant sind. Bis uns entsprechende Therapien zur Verfügung stehen, wird es jedoch noch eine Weile dauern. Bis dahin können wir unsere psychische Gesundheit mit Probiotika und reichlich Ballaststoffen gezielt fördern – soviel steht bereits jetzt wissenschaftlich gesichert fest. Denn diese Ernährungsmaßnahmen erhöhen die Vielfalt der Darmflora und stärken damit deren Widerstandskraft gegen Veränderungen. Die Basis für das seelische Wohlbefinden …

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 11/2020 ab Seite 96.

Birgit Frohn, Diplombiologin

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