Lebensmittel und Tabletten © Ingo Bartussek / stock.adobe.com
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Enterale Ernährung

LEBEN(SMITTEL) AUF REZEPT

Nahrung ist lebensnotwendig. Kann ein Mensch nicht mehr ausreichend essen oder leidet er unter einer Fehlernährung, kann eine enterale Ernährung angezeigt sein. Aber, ein Lebensmittel auf Rezept – geht das überhaupt?

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Ein Ihnen gut bekannter Kunde, der vor kurzem die Diagnose Krebs erhielt, steht nun vor Ihnen am HV-Tisch mit einem Kassenrezept über eine größere Menge Trinknahrung. Er gibt Ihnen noch die Information, dass er dies jetzt in Zukunft häufiger brauchen wird. Ein kurzer Blick in die Taxe verrät einen nicht geringfügigen Preis und eine Vielzahl an Anbietern und Produkten. Was ist jetzt zu tun? Da es sich nicht um ein Arzneimittel handelt, existieren keine Rabattverträge, an denen man sich orientieren könnte. Zählt es dann zu den Hilfsmitteln? Müssen im Vorfeld Lieferverträge mit der Krankenkasse abgeschlossen werden? Bedarf es einer Genehmigung? Gibt es einen Maximalanspruch pro Quartal für den Kunden?

Rechtliche GrundlagenDie Verschreibung und Kostenerstattung der enteralen Ernährung, also der klinischen, künstlichen Ernährung, die über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird, ist in Deutschland genau reglementiert: „Nach § 31 Absatz 5 SGB V haben Versicherte Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung, wenn eine diätetische Intervention mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist.“, heißt es in der aktuellen Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dies betrifft sowohl über eine Sonde zugeführte Nahrung als auch Präparate, die getrunken werden können.

Die Regelung bedeutet also zum einen, dass ein Arzt grundsätzlich befugt ist, eine enterale Ernährung unter bestimmten Voraussetzungen wie ein Arzneimittel zu verordnen. Zum anderen werden dann auch die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Wichtig zu wissen, denn eigentlich sind (diätetische) Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel nicht erstattungsfähig, die geltenden Ausnahmefälle sind in der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses geklärt. So können Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten („Astronautenkost“, Trinknahrung) und Sondennahrung in medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise verordnet werden.

Medizinisch notwendige Fälle

Zu ihnen zählen beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Tumorerkrankungen, Dialysepflicht, Lebererkrankungen, Kachexie (pathologischer Gewichtsverlust), Anorexie (Magersucht), Mangelernährung, aber auch Kuhmilcheiweißallergie oder Gedeihstörungen bei Säuglingen. Alle 34 Indikationen finden Sie hier.

Was darf verordnet werden? Die in der Apotheke gängigen Produkte entsprechen in der Regel der Diätverordnung und sind somit bezüglich ihrer Zusammensetzung aus Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zulässig, denn auch dies wird in der Arzneimittel-Richtlinie genau festgelegt. Bei diesen Standardprodukten bilanzierter Diäten, zu denen Trinklösungen und Sondenkost zählen, ist eine Erstattung in der Regel unproblematisch. Anders sieht es bei sogenannten Spezialprodukten aus. Es handelt sich um krankheitsbezogene Produkte, die speziell für bestimmte Patientengruppen angeboten werden, wie zum Beispiel für Diabetiker oder chronische Herz-Kreislauf- oder Ateminsuffizienz-Patienten.

Diese werden nicht von der Krankenkasse erstattet. Spezialprodukte für Patienten mit Nierenerkrankungen, Verdauungs- und Verwertungsstörungen wie multipler Nahrungsmittelallergie oder bei Phenylketonurie werden hingegen erstattet. Zu den Produkten, die durch ihre Zusammensetzung von einer Kostenübernahme ausgeschlossen sind, zählen Andickungsmittel (bei z. B. Schluckstörungen), Semielementarnahrungen (auch HA-(hypoallergene)Spezialnahrung) oder Produkte mit einem niedrigen Energiegehalt (unter 1 kcal/ml). Unter Umständen könnte es auch Probleme geben, wenn mit der Verordnung von Produkten Mehrkosten entstehen, wie beispielsweise bei Anreicherungen mit mittelkettigen Triglyceriden (Ausnahme dokumentierte Fettstoffwechselstörung). Die verordnungsfähigen Produkte sind in der ABDA-Datenbank gekennzeichnet (Diätetikum gemäß § 31 SGB V), je nach Kassensystem leuchtet sogar ein entsprechender Hinweis auf.

Das Rezept ist ein gängiges Muster-16-Rezept. Außer den üblichen Formalien müssen Sie bei der Prüfung erst einmal nichts weiter beachten. Die Diagnose muss nicht auf dem Rezept vermerkt sein. Halten Sie ein Rezept über eine enterale Ernährung in den Händen, dürfen Sie es grundsätzlich auch abrechnen. Der behandelnde Arzt hat mit der Ausstellung der Verordnung bestimmt, dass eine entsprechende Indikation vorliegt und damit die medizinische Notwendigkeit für eine enterale Ernährung gegeben ist.

Sie können den Vorgang also prinzipiell wie eine normale Arzneimittelabgabe durchführen, wie im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung (Primärkassen wie AOK, BKK, IKK, LKK) und im Arzneiversorgungsvertrag mit dem Verband der Ersatzkassen (vdek, z. B. DAK, TK, Barmer) geregelt. So gelten auch die gleichen Zuzahlungsregeln: 10 Prozent des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 €, höchstens 10 €, sofern keine Befreiung von der gesetzlichen Zuzahlungspflicht vorliegt. Da es sich nicht um ein Hilfsmittel handelt, sollten Sie vorsichtshalber kontrollieren, dass nicht versehentlich die „7“ angekreuzt wurde.

Da für den Arzt allerdings eine Begründungspflicht für die Verordnung enteraler Ernährung besteht („Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen“ laut AM-RL), kann unter Umständen eine Diagnose auf dem Rezept angegeben sein. In diesem Fall sind Sie dann doch verpflichtet zu überprüfen, ob die Indikation eine Erstattung begründet.

Findet sich die Diagnose nicht in der AM-RL Kapitel E (Enterale Ernährung), ist eine Rücksprache mit dem Arzt angezeigt, ansonsten wird der Kunde zum Selbstzahler oder Sie bleiben bei Belieferung auf den Kosten sitzen. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung müssen Sie ebenfalls nicht durchführen, die benötigte Menge für den Kunden wird individuell durch den Arzt festgelegt. In der Regel liegen Vertragspreise vor, die in den einzelnen Bundesländern eventuell unterschiedlich sein können. Es kann aber sein, dass je nach Krankenkasse eine Genehmigungspflicht vor der Abgabe besteht oder im Vorfeld ein Liefervertrag abgeschlossen werden muss. Eine allgemeingültige Angabe ist an dieser Stelle schwierig, falls Sie unsicher sind, rufen Sie vorab bei der Krankenkasse an oder erkundigen sich noch einmal über die genaue Liefervertragslage Ihrer Apotheke.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/18 ab Seite 120.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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