© Amarita / iStock / Getty Images

Ernährung

KOHLENHYDRATE, DIE DEN DARM BELASTEN

Ist die Fodmap-arme Diät ein Ernährungstrend oder eine effektive Behandlung? Beim Reizdarmsyndrom macht es tatsächlich Sinn, bestimmte Kohlenhydrate zu meiden. Dabei sollte man sich fachlich unterstützen lassen.

Seite 1/1 6 Minuten

Seite 1/1 6 Minuten

Sie sind in aller Munde: Schnell fermentierbare, kurzkettige Kohlenhydrate und Zuckeralkohole, die Fodmaps (fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols). Dazu gehört das Monosaccharid Fruktose, Disaccharide wie Laktose und Saccharose sowie Oligosaccharide. Das sind Kohlenhydratketten aus wenigen Einheiten, zum Beispiel Fruktane oder Raffinose. Und die Zuckeralkohole Sorbit, Mannit und Isomalt, die als Zuckeraustauschstoffe für Diabetiker Verwendung finden. Ein solcher Stoff, der zudem den Blutzuckerspiegel nicht wesentlich erhöht, ist Fruchtzucker. Auch wenn Fruktose süßer schmeckt als alle anderen Kohlenhydrate, süßen wir am liebsten mit Saccharose, dem klassischen Rohr- oder Rübenzucker aus Fruktose und Glucose.

In Zuckerrüben und Honig findet sich Raffinose, ein Dreifachzucker aus Fruktose, Glucose und Galaktose. Genau das ist das Gefährliche an Fodmaps: Sie verstecken sich in vielen Nahrungsmitteln, die wir täglich verzehren. So in Süßigkeiten, Weizenbrot, Kuhmilchprodukten, Steinobst, Zwiebeln oder Kohl. Besonderes Kennzeichen der vergärbaren Kohlenhydrate: Sie werden schlecht im Dünndarm resorbiert und wandern daher weiter in Richtung Dickdarm. Dort sind die kurzen Ketten willkommenes Substrat für die Darmbakterien, die daraus Wasserstoff und Kohlendioxid bilden. Beide Gase wirken blähend und dehnend, es kommt zu Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung.

Lässt man Brotteig genügend Zeit zum Gehen (vier Stunden), dann sind nur noch wenige blähende Fodmaps enthalten. Großbäckereien geben ihren Teiglinge meist nur eine Stunde Gehzeit.

Im Ausschlussverfahren Damit man die Symptome richtig einordnen kann, müssen die chronisch-​entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ausgeschlossen werden. Das gilt auch für die Zöliakie, die Glutenunverträglichkeit. Wenn Durchfall und Verstopfung, Blähungen und Bauchschmerzen nach drei Monaten immer noch bestehen, deutet alles auf das Reizdarmsyndrom hin. Ursächlich dafür sind genetische Veranlagungen, schmerzempfindliche Eingeweide oder Veränderungen im Darmnervensystem. Eine Rolle spielt auch, ob die Darmbarriere durchlässig geworden ist oder die Darmflora sich verändert hat. Selten ist der Reizdarm nicht: Die Krankheitshäufigkeit liegt in Deutschland bei sieben Prozent. Frauen sind doppelt so häufig wie Männer betroffen, vor allem im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Zur Linderung der Beschwerden haben sich Probiotika bewährt, dabei besonders Bacillus infantis, und lösliche Ballaststoffe wie Flohsamenschalen oder Guarkernmehl. Doch Vorsicht: Erhöht man die Ballaststoffzufuhr, muss auch die Trinkmenge gesteigert werden.

Die Fodmap-arme Diät Dass die typischen Symptome auftreten, wenn man bestimmte Nahrungsmittel aufnimmt, ist schon länger bekannt. Im Jahr 2010 beschrieben zwei australische Forscher dann erstmals, dass funktionelle Darmsymptome durch eine Diät kontrolliert werden können, die wenig nichtverdauliche Kohlenhydrate enthält. So wird nicht nur das Hauptsymptom beeinflusst, wie in bisherigen Therapien üblich, sondern auch die anderen Beschwerden, die die Lebensqualität spürbar beeinträchtigen. Der Effekt ist dauerhaft und kann durch Wiedereinführung der entsprechenden Zucker in den täglichen Speiseplan rückgängig gemacht werden. Von den Patienten wird die Diät gut befolgt. Wie effektiv die Anwendung der Fodmap-Diät ist, wurde dann in einem Review beschrieben. In den untersuchten 22 Studien nahmen die Scores der Symptomschwere unter der Diät signifikant ab, und zwar bei Bauchschmerzen, Blähungen und den Gesamtsymptomen.

Signifikant hatten sich auch die persönlichen Lebensqualitäts-Parameter verbessert. Die spezielle Fodmap-Diät wirkt beim Reizdarm viel besser als allgemeine Ernährungsratschläge, das wurde in einer vergleichenden Untersuchung deutlich. Im Gegensatz zu den Ernährungstipps verbesserte die Fodmap-arme Diät signifikant die Punktzahl der gastrointestinalen Gesamtsymptome, der Stuhlhäufigkeit und der Stuhlkonsistenz. Bezogen auf den Ausgangswert reduzierten beide Methoden zwar signi- fikant die Symptomschwere. Bei der Gruppe, die die Fodmap-Diät befolgte, waren die Scores jedoch stärker verringert. Langzeiteffekte wurden bisher noch nicht untersucht, sodass die Empfehlung für eine begrenzte Zeit ausgesprochen wird. Dann aber sei die Diät effektiv und sicher, so das Fazit einer neuen Übersichtsarbeit.

Die Fodmap-Diät – was ist erlaubt?
Getreideerzeugnisse Fein geschrotetes Mehl aus Dinkel, Mais- und Sojamehl; Müslis und Getreideprodukte aus Hafer, Buchweizen, Hirse, Quinoa; Kartoffeln, Polenta, Reis, Nudeln aus Reis oder Buchweizen
SüßungsmittelAhornsirup, brauner Rohrzucker, Glucose, Melasse, Rübenzucker; Stevia, Aspartam und andere künstliche Süßstoffe, die nicht mit -it oder -ol enden
Brotaufstrich und SnacksObst-Konfitüre, Brotaufstriche aus Nüssen, Samen oder Gemüse; Popcorn, Reis-, Maiswaffeln, Schokolade ab 70 Prozent Kakaoanteil
ObstAnanas, Bananen, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Mandarinen, Melonen, Kiwi, Rhabarber, Weintrauben; nach Verträglichkeit: Grapefruit, Limetten, Orangen, Zitronen, Papaya, Passionsfrucht
GemüseAubergine, Chinakohl, Fenchel, grüne Stangenbohnen, Gurke, Ingwer, Kohlrabi, Kürbis, Mangold, Möhren, Okraschoten, Pastinaken, Rettich, Salat, Spinat, Sprossen (Alfalfa, Bambus, Kresse, Soja), Tomaten, Zucchini; nach Verträglichkeit: Brokkoli, Rosenkohl, Oliven
Nüsse Haselnüsse, Mandeln, Walnüsse, Kürbis- und Sonnenblumenkerne, Sesam
Fett und ÖlOlivenöl, Rapsöl, Leinöl und andere pflanzliche Öle; Butter, Ghee, Schmalz; Knoblauchöl als Ersatz für Zwiebeln und Knoblauch
GetränkeStilles Wasser, ungesüßte Kräutertees (bis auf Fenchel und Kamille), schwarzer Tee, Chai-Tee, zuckerfreier Kakao; in Maßen: Kaffee, frisch gemahlen und gefiltert
Fisch, Fleisch und Wurst Alle Fischarten (ohne Mayonnaise, nicht frittiert); mageres Fleisch, magere Wurst
Eier, Milchprodukte, KäseEier; Soja-, Kokosmilch, laktosefreie Milch und Milchprodukte (Buttermilch, Joghurt, Quark, Hüttenkäse); Schnittkäse, Feta, Hartkäse, alter Gouda


Was muss man beachten?
Zur erstmaligen Behandlung des Reizdarmsyndrom ist eine sechs- bis achtwöchige Diät geeignet. Danach sollten die Kohlenhydrate, die man weggelassen hat, nach und nach wieder zugeführt werden. Protokolliert wird alles in einem Ernährungstagebuch. Ganz wichtig: Die Diät im Vorfeld mit dem Hausarzt besprechen, zumindest mit einem Ernährungsberater. Denn eine Ernährungsumstellung in Eigenregie kann zu Nährstoffmangel führen, weil wichtige Nährstoffquellen fehlen. Wie geht man vor? So natürlich wie möglich essen, keine künstlichen Zusatzstoffe. Am Abend keine Rohkost aufnehmen, um den Darm nicht mit Salat, rohem Gemüse oder Obst zu überfordern. Gutes Kauen ist entscheidend, denn die Verdauung beginnt im Mund. Während der Diät ausreichend trinken, am besten zwei Liter. Was darf man essen?

Zum Beispiel fein geschrotetes Dinkelbrot und Getreideprodukte aus Hafer, dazu Kartoffeln oder Reis. Als Snacks eignen sich dunkle Schokolade oder eine Handvoll Nüsse. Pflanzliche Öle versorgen mit guten Fetten. Als Obst kommen Melonen, Ananas, Weintrauben und Beeren in Frage. Bei Gemüse greift man zu Gurke, Kürbis, Sprossen oder Tomaten. Eier, laktosefreie Milch, Hartkäse und mageres Fleisch vervollständigen den Speiseplan. Bei Snacks, Milch- und Convenience-Produkten folgende Süßungsmittel meiden: Agavendicksaft, Fruchtsaftkonzentrat, Fruktose, Glucose-Fruktose-Sirup, Honig, High-Fructose-Corn-Syrup, Isoglucose, Invertzuckersirup, Maissirup, Sorbit (E420), Xylit (E967), Mannit (E421), Maltit (E965) und Isomalt. So gelangen, zumindest für einige Wochen, die blähenden Kohlenhydrate nicht in den Mund – und auch nicht in den Darm.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/19 ab Seite 78.

Dr. rer. nat. Christine Reinecke, Diplom-Biologin

×