Nervenzelle© Dr_Microbe / iStock / Getty Images

Wadenkrämpfe & Magnesium

KAMPF DEM KRAMPF

Er kommt aus dem Nichts: Ohne Vorwarnung verspürt der Betroffene einen starken, ziehenden Schmerz. Wadenkrämpfe gehören nicht zu den schlimmsten Diagnosen, können aber die Lebensqualität einschränken.

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Krämpfe treten eher selten auf. Oft in Verbindung mit sportlicher Tätigkeit, erhöhtem Alkoholkonsum oder Infekten, die mit erhöhtem Flüssigkeitsverlust einhergehen, klingen sie fast genauso schnell wieder ab, wie sie entstanden sind. Das gilt zumindest für den Großteil der Bevölkerung. Bei Senioren sieht die Sache zum Teil leider anders aus. Der typische ältere Kunde klagt vor allem über nächtliche Wadenkrämpfe. Diese lassen ihn abrupt aufwachen und auch nicht direkt wieder einschlafen. So haben sie, abgesehen von den einhergehenden Schmerzen, teilweise auch Einfluss auf den nächsten Tag. Doch warum sind in erster Linie Senioren betroffen?

Muskelkontraktion Um die Entstehung eines Krampfs zu verstehen, beleuchten wir zunächst kurz die Muskelkontraktion eines gesunden Menschen. Ein Muskel zieht sich aufgrund von Neurotransmittern zusammen, die durch den synaptischen Spalt von einer präsynaptischen Nervenzelle zu einer postsynaptischen Muskelzelle wandern. Soll sich ein Muskel anspannen, wird über Nervenzellen ein Aktionspotential in Richtung dieses Muskels geleitet. Trifft das Aktionspotential in der Nervenzelle ein, öffnen sich spannungsgesteuerter Calciumkanäle. Calcium-Ionen strömen in die Zelle ein und sorgen dort für die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter in den synaptischen Spalt, die die benötigten Rezeptoren an der postsynaptischen Muskelzelle aktivieren. Es kommt zu einer Muskelkontraktion. Ein Krampf entsteht in der Regel nicht, wie von vielen Kunden vermutet, im Muskel selbst, sondern oft auf der Ebene der präsynaptischen Nervenzellen.

Warum trifft es eher Senioren? Es gibt eine Fülle von Theorien, die das Thema Muskelkrämpfe erklären sollen. Leider fehlen endgültige Aussagen, deshalb steht bislang nur eine S1-Leitlinie zu diesem Thema zur Verfügung. Die häufigste Ursache ist wahrscheinlich der veränderte Elektrolythaushalt im Alter. Viele Senioren trinken zu wenig Wasser und zu viel Kaffee. Insbesondere Magnesium und Kalium werden dadurch zu viel ausgeschieden. Dem Körper fehlt es so an den Elektrolyten, die als Gegenspieler zu Calcium und Natrium die Muskeln relaxieren. Hinzu kommt bei Senioren die gestörte Blutzirkulation. Insbesondere die Beine werden häufig nicht richtig durchblutet, was Krämpfe begünstigt. Mit dem Alter verkürzen sich zusätzlich die Muskeln. Was einst als Muskelgewebe genutzt wurde, wird vom Körper durch Fettgewebe ersetzt.

Die Anzahl der Sarkomere, die die kleinste Einheit jeder Muskulatur bilden, geht zurück. Der Muskel verkürzt sich somit wortwörtlich. Er passt sich an die Belange des Menschen an, damit der Körper die eingesparte Energie in anderen Bereichen effizienter nutzen kann. Das bringt leider auch spürbare Nachteile mit sich. Alltägliche Erledigungen und Routinearbeiten, die nie ein Problem darstellten, wirken plötzlich wie Hochleistungssport. Senioren können mit der Gruppe der jungen Sportler gleichgesetzt werden, die sich bei Übungen übernommen haben und somit zu Muskelkrämpfen neigen. Auch hier hängen die Gründe mit den Nervenzellen zusammen. Bei zu hoher Kraftanstrengung gerät die Neurotransmitter-gesteuerte Muskelentspannung aus dem Gleichgewicht. Es kommt zum Krampf.

Therapie Um Wadenkrämpfe prophylaktisch oder akut zu behandeln, gibt es mehrere Optionen. Zuvor jedoch müssen alle Krampfursachen ausgeschlossen werden, bei denen Sie einen Arztbesuch empfehlen müssten: Grunderkrankungen, die oft mit Wadenkrämpfen einhergehen, sind unter anderem Polyneuropathien, Stoffwechselerkrankungen oder seltene Myopathien. Zusätzliche Symptome sind beispielsweise Lähmungserscheinungen, Schwellungen oder minutenlang anhaltende Wadenkrämpfe. Ist der Verdacht auf schwerwiegende Grunderkrankungen ausgeräumt, bietet die Selbstmedikation verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl.

Das wichtigste sind prophylaktische Dehnübungen, die den Muskel leicht beanspruchen. Je nachdem, wie leistungsfähig der Kunde körperlich ist, sollte er sich beim Physiotherapeuten über individuelle Übungen informieren. Als Therapie in Tablettenform hat sich Magnesium etabliert. Grundsätzlich korreliert der Einsatz mit der oben erläuterten Funktion der Muskelkontraktion: Magnesium kann aufgrund der Ähnlichkeit zu Calcium die Calcium-Kanäle blockieren und somit den Calcium-Einstrom mindern. Wenn Calcium zu einer Kontraktion führt, dann führt der Gegenspieler Magnesium zur Relaxation. Die empfohlene Menge an Magnesium liegt bei Männern mit 350 Millligramm (mg) pro Tag knapp über der Menge für Frauen, die bei 300 mg angesetzt wird.

Wichtig ist es, das richtige Salz zu wählen. Organische Citrat- oder Orotat-Salze werden besser aufgenommen als anorganische Oxid-Salze. Studien konnten den Zusammenhang zwischen Magnesiumsubstitution und weniger Muskelkrämpfen bisher nicht vollständig belegen. Ist die Lebensqualität deutlich eingeschränkt oder häufen sich die Wadenkrämpfe, kann der Arzt den Wirkstoff Chininsulfat verschreiben. Dieser Wirkstoff erhöht die Zeit, in der der Muskel nach der Kontraktion nicht erneut angesteuert werden kann. Weiterhin hat Chininsulfat einen positiven Einfluss auf die Verteilung von Calcium in den Muskelfasern.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Senioren von DIE PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 60.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

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