Alte Menschen leiden überdurchschnittlich häufig an quälendem Juckreiz. Dem kann ein Verlust bestimmter Zellen in der Epidermis zugrunde liegen. © Astrid860 / iStock / Getty Images Plus

Senioren | Pruritus

JUCKREIZ OHNE ENDE

Ambulante Pflegedienste können davon ein Lied singen: Im Alter leiden viele Menschen unter einem quälenden, kaum erklärbaren Juckreiz. Forscher sind nun möglicherweise der Ursache hinter diesem rätselhaften Phänomen auf die Schliche gekommen.

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Es reicht schon eine kleine Berührung oder die Kleidung auf der Haut – schon plagt ältere Menschen ein lang andauernder, quälender und kaum stillbarer Juckreiz. Dieser ist an sich auch lediglich, biologisch betrachtet, ein Warnsignal des Körpers vor potenziell schädlichen Reizen. Der überdurchschnittlich häufig auftretende, anhaltende Juckreiz ist ein mit dem Alter zunehmendes Phänomen, sagt Hongzhen Hu von der Washington University School of Medicine in St. Louis. „Dies ist besonders problematisch für Menschen, die trockene Haut haben oder aufgrund von Erkrankungen wie Neurodermitis bereits an chronischem Jucken leiden.“ Salben oder andere Medikamente helfen gegen diese Form des Juckens in der Regel nicht.

An Mäusen untersuchten die Wissenschaftler nun, was auch den Menschen eine Last ist. Berührten sie die Tiere mit einem Nylonfaden, kratzten sich manche danach deutlich häufiger und stärker als andere – besonders alte Mäuse und solche mit trockener Haut. Doch was war der Grund? Der Verdacht des Teams: Könnte der Juckreiz etwas mit den Merkel-Zellen in der Epidermis zu tun haben? Diese Zellen reagieren auf Druck und es ist bekannt, dass sie eine besondere Rolle bei der Wahrnehmung eher leichter taktiler Reize spielen.

Die Mäuse, die sich öfters juckten, also die älteren und die mit trockener Haut, zeigten eine Auffälligkeit: Allesamt besaßen sie weniger dieser Berührungsrezeptoren und je weniger sie davon hatten, desto stärker war das Juckproblem. Zunächst rätselten die Forscher. Denn sterben durch Alterungsprozesse Sinneszellen ab, führt dies normalerweise zu einer Dämpfung der Wahrnehmung – man hört oder sieht beispielsweise schlechter. In diesem Fall löste der Verlust von Zellen dagegen ein verstärktes, ungewolltes Empfinden aus.

Was ganz genau dahintersteckt, ist noch unklar: „Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Merkel-Zellen die Juckantwort kontrollieren“, sagt Hu. Demnach lösen sanfte mechanische Reize in den Zellen die Öffnung eines Ionenkanals namens Piezo2 und schließlich die Ausschüttung von Neurotransmittern aus. Dabei werden Informationen von den Merkel-Zellen an ein Zwischenneuron weitergeleitet – und dieses hemmt daraufhin Juckreiz auslösende Erregungsreize, die von anderen, noch zu identifizierenden Rezeptoren in der Haut erzeugt werden.

Geht mit dem Verlust der Merkel Zellen also auch deren juckreizlindernde Funktion verloren? Die Forscher werten nun Daten menschlicher Patienten aus, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Falls ihre These stimmt, könnten sich Ansätze für neue Therapien ergeben. Die erste Möglichkeit wäre, den Verlust dieser Zellen von vornherein zu verhindern. Die zweite Möglichkeit: Man versucht, die Aktivität, der wenigen verbleibenden Zellen zu steigern. Dass dies zum Erfolg führen könnte, haben bereits weitere Experimente mit gentechnisch veränderten Mäusen gezeigt.

Alexandra Regner,
PTA/Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

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