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Hormone – Teil 2

IN ALARMBEREITSCHAFT

Die so genannten Stresshormone sorgen dafür, dass sich Herz, Kreislauf und Stoffwechsel optimal an größere Belastungen anpassen. Dabei kann es sich um körperlichen, geistigen oder psychischen Stress handeln.

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Das oberste Ziel ist es, rasch für ausreichend Energie zu sorgen, damit der Organismus in der Lage ist, auf Herausforderungen und Bedrohungen angemessen zu reagieren. Zu Urzeiten des Menschen kam es auf die blitzschnelle Bereitstellung von Kraft für Kampf oder Flucht an. Diesem Schema folgt die Stressreaktion immer noch. Hierfür kommt den Nebennieren, einem paarig angelegten Organ, das den Nieren aufsitzt, eine Schlüsselrolle zu. Die physiologischen Abläufe der „Fight-or-flight-Reaktion“ illustrieren beispielhaft, wie Nerven- und Hormonsystem zusammenarbeiten.

Auf der Hut Wenn auf Ebene des Großhirns eine Situation als belastend bewertet wird , regt binnen Sekunden das sympathische Nervensystem den innen liegenden Teil dieser Drüse, das Nebennierenmark (NNM), an, Adrenalin sowie zu einem geringeren Teil Noradrenalin ans Blut abzugeben.

Die Wirkungen dieser Hormone stehen im Zeichen der Vorbereitung des Körpers auf körperliche Anstrengung: So beschleunigt Adrenalin den Puls, erhöht den Blutdruck und mobilisiert in Leber und Muskeln Energiereserven, indem es einerseits den Abbau der Glykogenspeicher zu Glukose fördert und andererseits deren Neusynthese anregt. So wird dieser „Treibstoff“ der Muskelarbeit zur Verfügung gestellt. Außerdem wird die Blutzufuhr zur Skelettmuskulatur verstärkt und ihre Stoffwechselleistung angekurbelt.

Auf glatte Muskelzellen dagegen wirkt Adrenalin relaxierend. Als Folge weiten sich die Bronchien und lassen den Atem leichter fließen. Die Magen-Darm-Peristaltik wird vorübergehend angehalten – ein in Gefahrensituationen durchaus wünschenswerter Effekt. Auch die Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren wird herabgesetzt. Im Endergebnis werden die Muskeln in kürzester Zeit mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.

Dauert die Belastungssituation länger an, wird die Nebennierenrinde (NNR), der äußere Teil der Drüse, angeregt, Glukokortikoide wie das Kortisol zu sezernieren. Anders als die Aktivierung des NNM, die direkt via nervale Stimulation und daher blitzschnell geschieht, läuft diese Reaktion verzögert, über die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) als Zwischenstation ab. Von dort wird über ein spezielles Steuerhormon (adrenokortikotropes Hormon¸ ACTH), die Freisetzung von Kortisol kontrolliert. Die Ausschüttung unterliegt normalerweise einem zirkadianen Rhythmus, der dafür sorgt, dass die größte Menge an Kortisol morgens anflutet.

Alle Sinne geschärft Höhere Kortisolspiegel helfen dem Körper, mit länger dauernden, besonderen Anforderungen fertig zu werden, indem unter anderem für Wachheit und den nötigen Antrieb gesorgt wird. Dazu werden Kohlenhydratdepots ebenso wie Fettspeicher und auch Proteine abgebaut. Auch Blutdruck und Herzschlag werden erhöht, zugleich energieverbrauchende Abläufe, die während Belastungszeiten nicht unbedingt nötig sind, eher unterdrückt, unter anderem das Immunsystem und auch regenerative Vorgänge.

Hieraus resultiert die in der therapeutischen Anwendung von Kortikosteroiden genutzte entzündungshemmende Eigenschaft der Verbindungen, ebenso wie ihre bekannte die Immunabwehr hemmende Wirkung. Kortisol ist ein lebenswichtiges Hormon: Kommt es durch eine Störung zu einer Unterfunktion der Nebennierenrinde, resultiert durch den Mangel an dem Stresshormon ein potenziell bedrohlicher Zustand, da dann der Organismus auf außergewöhnliche Belastungen – seien es akute Infektionen, Schmerzen, ein Unfall oder eine Operation – nicht mehr angemessen reagieren kann. Dann drohen Kreislaufzusammenbruch bis hin zu Bewusstseinstrübung und Koma.

Ständig „unter Strom“ Indem die Stresshormone bei Bedarf die Leistungsfähigkeit erhöhen, halfen sie also nicht nur in Urzeiten Gefahren durchzustehen. Auch heute noch ist die Stressantwort – etwa bei Krankheit – lebenswichtig. Die resultierende besondere Leistungsbereitschaft ist – begrenzte Dauer vorausgesetzt – durchaus auch sonst im heutigen Leben wünschenswert: Kurzfristig und mäßig dosiert, machen die Hormone hellwach, erhöhen Aufmerksamkeit und Konzentration; Unwichtiges wird ausgeblendet.

Große Mengen dagegen oder erhöhte Spiegel über längere Zeit haben negative Auswirkungen auf das Gehirn, das wurde für den Hippocampus, einen Teil des limbischen Systems, nachgewiesen. Diese Struktur wird als eine Art Zwischenspeicher benötigt, bevor Gelerntes im Langzeitgedächtnis „abgelegt“ wird. Dort werden auch Gedächtnisinhalte abgerufen sowie neue Informationen verarbeitet und verknüpft. Daher nehmen unter dauernder höchster Anspannung Vergesslichkeit und Zerstreutheit zu, die Kreativität leidet.

Ausgeprägter, anhaltender Stress kann nach neueren Erkenntnissen Hippocampus-Zellen direkt schädigen; dies ließ sich mittels Magnetresonanztomografie dokumentieren. Störungen der Hippocampus- Funktion werden unter anderem mit Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz in Zusammenhang gebracht.

Ein anhaltend hoher Stresspegel wirkt sich schließlich auf den ganzen Körper nachteilig aus: Werden Herz und Kreislauf dauerhaft zu Höchstleistungen angetrieben, ohne ausreichende Ruhezeiten, kann dies Herzkrankheiten begünstigen. Zudem wird Dauerstress mit der Entstehung von Depressionen, Diabetes sowie Magen-Darm-Krankheiten in Verbindung gebracht.

Den ersten Teil der Artikelreihe finden Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/14 ab Seite 88.

Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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