Ein Ei, in das eine Flüssigkeit injiziert wird.
Der Impfstoff NDV-HXP-S lässt sich in Hühnereiern produzieren. © Biserka Stojanovic / iStock / Getty Images Plus

Impfstoffentwicklung | Studien

IMPFSTOFF AUS DEM EI

Die Corona-Impfstoffentwicklung läuft weiterhin auf Hochtouren. Eine Initiative, die es sich zum Ziel gemacht hat, Vakzine für ärmere Länder zu entwickeln, präsentiert eine bemerkenswerte Lösung: ein Impfstoff aus dem Ei.

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NDV-HXP-S - so wird die Vakzine bezeichnet - wird zurzeit in Brasilien, Mexiko, Thailand und Vietnam klinisch in Phase I getestet. Bei dieser Vakzine kommt ein neues molekulares Design zur Anwendung. Das Prinzip ist unter den bekannten COVID-19-Impfstoffen einzigartig.

Kein klassischer Vektorimpfstoff
Für den neuen Impfstoff wurde zum einen ein optimiertes Spike-Protein verwendet. Zum anderen ist das Herstellungsprinzip neuartig. Die Basis bildet das Vogelvirus „Newcastle Disease Virus (NDV)“. Dieses ist für den Menschen harmlos. Es wird als Vektor genutzt, ähnlich wie Adenoviren bei den beiden zugelassenen Impfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson. Das rekombinante Virus wird daraufhin in angebrüteten Hühnereiern vermehrt. Dadurch entstehen Viren, die das S-Protein tragen und nach Inaktivierung als Antigen verwendet werden können.

Die Entstehung
Ein wichtiger Grund, warum man diesen Impfstoff entwickelte, war eine gewisse Unzufriedenheit der Wissenschaftler, die einen der wichtigsten Beiträge zu den Corona-Impfstoffen geleistet hatten. Zu diesen gehört Dr. Jason McLellan, ein Strukturbiologe an der Universität von Texas in Austin. Er hatte früh erkannt, dass das Spike-Protein, so wie es von SARS-CoV-2 codiert wird, als Antigen nicht geeignet ist.

Im März 2020 begann er die Zusammenarbeit mit Dr. Ilya Finkelstein und Dr. Jennifer Maynard, beides Biologen der Universität von Texas, um dieses Problem zu lösen.

In drei Labors entstanden um die 100 neue Spike-Proteinvarianten. Die Forscher entschieden sich für eine Variante, die vier zusätzliche Moleküle der Aminosäure Prolin an bestimmten Stellen des Proteins enthielt. McLellan nannte diese neue Spike-Variante „HexaPro“. Die Struktur dieser HexaPro-Variante ist noch stabiler als eine 2P-Variante (eine Spike-Proteinvariante mit zwei Prolin-Molekülen) und kann Wärme und schädlichen Chemikalien besser widerstehen. Da die Ausgangsbasis für die neue Struktur die 2P-Variante war, enthält HexaPro insgesamt sechs zusätzliche Moleküle Prolin, daher auch der Name. McLellans Hoffnung: Dass seine robuste Kontruktion einen Impfstoff wirksamer machen könnte.

Patentnutzung für ärmere Länder frei
Die Universität von Texas ist Halter des Patents und formulierte eine Lizenzvereinbarung für HexaPro. Dies erlaubt Unternehmen und Laboratorien in 80 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, das Protein in ihrer Impfstoffentwicklung zu verwenden – ohne Lizenzgebühren.

Und genau danach haben die Wissenschaftler um Dr. Bruce Innis des PATH-Programms am Center for Vaccine Innovation and Access gesucht: nach einem Impfstoff, den auch weniger wohlhabende Länder selbst herstellen können.

In Kooperation mit Wissenschaftlern der Icahn School of Medicine an Mount Sinai in New York wählte man NDV als Vektor für die Impfstoffproduktion. Das Arbeiten mit dem Virus ist gut etabliert, da mit diesem Ansatz auch andere Impfstoffentwicklungen durchgeführt wurden.

Man inserierte in das Genom des Virus die Information für die HexaPro-Spike-Variante des SARS-CoV-2-Virus und injizierte dieses rekombinante Virus dann in angebrütete Hühnereier. Die Viren vermehrten sich problemlos und schnell in den Eiern. Eine Analyse zeigte, dass die Viren viele Kopien der HexaPro-Spike-Variante auf ihrer Oberfläche trugen. Man bezeichnete das in den Viren erzeugte S-Protein schließlich als NDV-HXP-S.

Präklinische Tests zeigen, dass NDV-HXP-S Mäusen und Hamstern einen starken Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion verleiht. Nachdem die klinischen Studien begonnen haben, hat das Mount Sinai Team den Impfstoff auch an den mexikanischen Impfstoffhersteller Avi-Mex als intranasales Spray lizenziert. Jetzt heißt es: abwarten. Es muss sich noch zeigen, wie sich dieses neue Impfstoffprinzip in der Praxis bewährt.

Sabrina Peeters,
freie Journalistin

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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