Hypotonie
IMMER MÜDE?
Seite 1/1 5 Minuten
Damit alle Organe im erforderlichen Maß mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden und Wasser- und Elektrolythaushalt stimmen, bedarf es eines funktionierenden Blutkreislaufs. Ein ausreichender Blutdruck im arteriellen Gefäßsystem ist nötig, damit frisches Blut überhaupt bis in diese kleinsten und engsten Gefäße gelangt.
Die Höhe des Drucks wird durch zwei Faktoren bestimmt: die Menge Blut, die das Herz pro Minute durch den Körper pumpt sowie den physikalischen Widerstand, den die Gefäße durch ihre Wandspannung dem strömenden Blut entgegensetzen: Enger gestellte Adern bieten einen höheren Widerstand und erhöhen so den Druck, mit dem das Blut fließt.
Blutdruckregulation Für Aufrechterhaltung und Anpassung des Blutdrucks an den wechselnden Bedarf sorgen verschiedene Steuerungsmechanismen. So messen Druckrezeptoren (Barorezeptoren) in den Schlagadern den Grad der Dehnung der Aortenwand als Maß des Drucks, den das fließende Blut auf die Gefäßwand ausübt. Veränderungen werden an das Kreislaufzentrum im Gehirn übermittelt, welches die verschiedenen ankommenden Informationen abgleicht und je nach Bedarf reagiert.
Einem Blutdruckabfall steuert es durch Nervensignale entgegen, die für eine höhere Herzfrequenz sorgen. Zusätzlich kommt es zu einer Ausschüttung von Botenstoffen wie Adrenalin, das für Gefäßverengung in kleineren Gefäßen und Venen sowie eine beschleunigte Herztätigkeit sorgt und so den Kreislauf stabilisiert. Der Blutdruck unterliegt einer tageszeitlichen Rhythmik. Durch Aufregung oder Stress kann er steigen. Auch Reize wie Schmerz, Kälte, Wärme, Lärm und auch Nahrungsaufnahme sowie körperliche Anstrengung haben einen Einfluss auf seine Höhe.
TIPPS FÜR SELBSTHILFEMASSNAHMEN
+ Wechselduschen
+ Trockenbürsten
+ ausreichend trinken
+ häufigere kleinere Mahlzeiten
+ eiweißreich ernähren
+ ruhig gut salzen
+ Kompressionsstrümpfe
Als systolischen Wert bezeichnet man den maximalen Druck beim Ausstoß des Bluts durch die linke Herzkammer, als diastolischen den niedrigsten Druck zum Zeitpunkt der Entspannung der Kammer. Ein Blutdruck von 110/60 bei Männern sowie 100/60 bei Frauen wird als niedrig gewertet. Ein akuter Blutdruckabfall kann durch Umstände wie massiven Blutverlust beziehungsweise starkes Erbrechen/ Durchfälle (Volumenmangel) oder durch starke allergische Reaktionen (Gefäßweitstellung) ausgelöst werden. In solchen Fällen drohen Schock und Kreislaufversagen. Weniger dramatisch verlaufen chronisch hypotone Kreislaufregulationsstörungen.
Durch Lagewechsel ausgelöst Eine Form beruht darauf, dass das vegetative Nervensystem nicht adäquat reagiert, wenn man sich nach dem Bücken aufrichtet oder aus dem Liegen aufsteht (orthostatische Dysregulation/Hypotonie). Normalerweise kommt bei einem solchen Wechsel der Körperhaltung automatisch eine Gegenregulation in Gang. Sie verhindert, dass das Blut, der Schwerkraft folgend, sich im unteren Körperbereich sammelt – mit der Folge, dass das Gehirn schlagartig unterversorgt wäre.
Damit dies nicht passiert, veranlasst das sympathische Nervensystem als Teil des vegetativen Nervensystems die Ausschüttung von Adrenalin, sodass die Beingefäße eng gestellt werden und das Blut nicht in den unteren Extremitäten versackt. Gleichzeitig wird die Herzfrequenz erhöht. Wenn diese Reaktion nicht rasch und stark genug ausfällt – beispielsweise im Alter, wenn die Arterien an Elastizität verloren haben –, kommt es zu einer plötzlichen Umverteilung des Blutes nach unten, mit den Folgen Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit und „Schwarzwerden vor den Augen”, bis hin zu kurzfristiger Bewusstlosigkeit.
»Im Englischen wird die Hypotonie spöttisch als “German Disease” bezeichnet.«
Solch ein plötzlicher Ohnmachtsanfall (Synkope) durch vorübergehende Minderdurchblutung des Gehirns vergeht in liegender Position rasch wieder. Um Stürze zu verhindern, sollten die Patienten sich angewöhnen, dass sie sich aus dem Liegen langsam aufrichten und für einige Zeit in sitzender Position verweilen. Außerdem sollten sie auf Warnzeichen wie Unwohlsein oder Schwitzen achten, die den Anfall meist ankündigen.
Folge von Krankheiten oder anlagebedingt Eine andere Variante sind die lageunabhängigen Hypotonien, die man weiter unterteilt in primäre oder sekundäre Hypotonie. Letztere ist die Folge einer Erkrankung, beispielsweise einer Dysfunktion des Nervensystems im Rahmen eines Diabetes oder einer multiplen Sklerose, von Schilddrüsenunterfunktion, Herzrhythmusstörungen, Herzmuskelschwäche oder einem Klappenfehler. Auch im Rahmen einer Schwangerschaft kann sich eine Hypotonie entwickeln. Weitere Ursachen einer sekundären Form sind Medikamente, zum Beispiel Blutdrucksenker, aber auch trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Antihistaminika, Tranquilizer und Sedativa.
Bei der primären Form liegt keine erkennbare Ursache vor. Die Regulationsmechanismen für sich funktionieren, aber der „Sollwert” des Regelkreises liegt bei diesen Menschen anlagebedingt zu niedrig; man spricht von essenzieller oder konstitutioneller Hypotonie. In aller Regel hat diese keine schlechte Prognose – im Gegenteil: die Betroffenen sind vor Schäden von Herz und Gefäßen, wie sie gerade der hohe Blutdruck mit sich bringt, und damit beispielsweise vor einem Herzinfarkt, eher geschützt. Daher gilt diese Form per se nicht als Krankheit und auch nicht als behandlungsbedürftig.
Seilspringen fördert die Muskelpumpe
Dennoch: Für manche Patienten bringt die schlechte Durchblutung in vieler Hinsicht große Einschränkungen mit sich; ihre Lebensqualität kann empfindlich leiden. Außerdem ist eine essenzielle Hypotonie auch nicht ganz ungefährlich, speziell wenn es sich um ältere Menschen handelt. Diese sind durch Schwindelattacken und Stürze gefährdet.
Symptomatik Die Palette der Beschwerden reicht von kalten Händen und/oder Füßen, Ohrensausen, Benommenheit und Schweißausbrüchen bis Schwindelgefühl und Übelkeit. Die meisten Patienten, bei denen die Hypotonie symptomatisch ist, leiden an Müdigkeit und Erschöpftheit, Antriebs- und Konzentrationsschwierigkeiten, vor allem am Morgen, sie haben ein erhöhtes Schlafbedürfnis, sind kälteempfindlich und wetterfühlig. Auch Herzklopfen und Einschlafstörungen kommen vor.
Antihypotonika Wenn Allgemeinmaßnahmen wie körperliches Training nicht ausreichen, kommen zur – kurzzeitigen – medikamentösen Behandlung verschiedene Mittel in Frage: Alpha-Sympathomimetika oder indirekte Sympathomimetika vermitteln ihren Effekt über eine periphere Gefäßverengung, während Medikamente mit alpha- und betasympathomimetischer Wirkung zusätzlich zu der Vasokonstriktion auch eine Steigerung von Schlagfrequenz und Schlagstärke des Herzens bewirken.
Unter der Medikation kann es unter anderem zu Unruhe, Herzrasen oder Miktionsstörungen kommen. Mit dem Mutterkornalkaloid Dihydroergotamin (DHE) wird dem Versacken von Blut in den Venen gegengesteuert. Es sorgt für höhere Spannung in deren Gefäßmuskulatur und verbessert den venösen Rückfluss. Hier müssen die geringe therapeutische Breite und diverse mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten beachtet werden.
Ein klassisches Phytotherapeutikum zur Verbesserung der Herzleistung sind Extrakte aus Weißdorn, anregend wirken Rosmarin oder Kampfer. Dass kampferhaltige Präparate sehr schnell den Blutdruck erhöhen und damit auch die Gehirnleistungen älterer Hypotoniker verbessern können, wurde in einer doppelblinden Studie gezeigt. Die ätherischen Öle von Rosmarinblättern oder Lavendelblüten können als Badezusätze bei Kreislaufbeschwerden unterstützend wirken.
Selbsthilfemaßnahmen Erklären Sie Ihren Kunden, dass sie durch Muskelaktivität die Blutzirkulation verbessern. Generell gilt: besser laufen und liegen als stehen und sitzen. Am besten sind Sportarten, die möglichst viele Muskelgruppen beanspruchen. Günstig sind außerdem isometrische Übungen sowie solche, bei denen die Wadenmuskulatur gekräftigt wird (Wippen vom Zehen- in den Fersenstand, Seilspringen). Die Waden helfen dabei, das Blut aus den Beinen in den übrigen Körperkreislauf zu befördern (Muskelpumpe). Hydrotherapeutische Maßnahmen (z. B. Kneipp-Anwendungen) werden zum Gefäßtraining empfohlen. Ziel: die Adern sollen durch Kältereize „lernen”, sich unterschiedlichen Anforderungen besser anzupassen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 ab Seite 82.
Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin