Augentropfen© xcarrot_007 / iStock / Getty Images

Darreichungsformen

HALTBARKEIT UM JEDEN PREIS?

Konservierungsmittel genießen nicht den besten Ruf. Unverträglichkeiten und Allergien werden mit ihnen in Verbindung gebracht. Ist dieses Image gerechtfertigt und welche technologische Systeme bieten eine Alternative zur ungeliebten Chemie?

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Schon immer war es für die Menschen überlebenswichtig, Wege zu finden, wie sie über den Winter kommen. Je nördlicher sie siedelten, desto länger der Zeitraum, der mit haltbar gemachten Lebensmitteln überbrückt werden musste. Dabei hieß es nicht nur den persönlichen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch denen der Kinder, Großeltern und nicht zuletzt der Hoftiere. Aus Tradition heraus wurde geräuchert, gebeizt, entsäuert und eingekocht in der Hoffnung, dass die Lagerkapazitäten bis in den Frühling reichen. Im Gegensatz zu heute konnten die Menschen damals ihre Vorgehensweise kaum erklären. Sie lernten die Abläufe von ihren Eltern und gaben diese an die nächste Generation weiter. Aus diesen Traditionen wurde über die Jahrhunderte hinweg fundamentiertes Wissen. Bakterien und Pilze wurden entdeckt, die zu schnellem Verderben der Nahrungsmittel führen, und chemische Stoffe wurden eingeführt, die diese Vorgänge unterbinden können. Aufgrund dieses Fortschritts ist es heutzutage möglich, mit wenig Aufwand nicht nur unsere Grundnahrungsmittel, sondern auch Arzneistoffe zumindest für eine gewisse Zeit vor Verderb zu schützen.

Für viele sensible Wirkstoffe und Applikationsformen wurden Möglichkeiten entwickelt, die gezielt mikrobiellem Befall vorbeugen ohne dem Patienten Schaden zuzuführen. Wir stellen verschiedene Vertreter der chemischen Konservierungsmittel vor und erläutern ihre konservierenden Eigenschaften. Außerdem lernen Sie die gängigsten Systeme kennen, die auch ohne chemische Methoden eine sichere Aufbewahrung gewährleisten.

Konservierungsmittel Chemische Stoffe, die zur Konservierung eingesetzt werden, müssen schon bei geringer Dosierung eine hohe Effektivität gegenüber Mikroben zeigen. Gleichzeitig sollen sie physiologisch indifferent sein. Diese Kombination lässt sich leider nicht immer erzielen. Wie so oft in der Pharmazie gilt auch hier der Grundsatz, den Nutzen und das Risiko genauestens abzuwägen. Eine Gruppe bilden die Phenole oder Phenolderivate. Kresole oder Benzoate bilden typische Zellgifte. Auch die Parabene, deren Abwesenheit häufig auf Verpackungen explizit erwähnt wird, gehören dieser Gruppe an. Die wirkungsbestimmende, phenolische Gruppe sorgt für eine Agglomeration der Zellproteine und führt somit zum Tod der Mikroben.

Leider sind auch menschliche Zellen betroffen und es kann zu Hautreizungen kommen. Ein starker Eigengeruch und -geschmack steigern nicht gerade die Beliebtheit. Die gleichen Eigenschaften gelten für die aliphatischen und aromatischen Alkohole. Isopropanol und Benzylalkohol kommen gerne für die Flächendesinfektion und Hautdesinfektion zum Einsatz. Der typische Geruch weckt Erinnerungen an Hygiene und Sterilität, aber auch an trockene, eingerissene Hände. Auch organische Quecksilberverbindungen haben ihre guten Zeiten hinter sich. Thiomersal als wichtigster Vertreter findet sich nur noch gelegentlich in Ophthalmika und Parenteralia. Die enthaltene Schwefelgruppe blockiert effektiv bakterielle Enzyme.

Leider ist die enthaltene Quecksilberkomponente problematisch für die Umwelt und löst Kontaktallergien aus, was zur Empfehlung geführt hat, diese Art von Konservierungsmittel möglichst zu vermeiden. Als weniger umweltschädlich gelten quartäre Ammoniumverbindungen. Bekannte Beispiele sind Benzalkoniumchlorid oder Polydroniumchlorid. Die Verbindungen lagern sich an die Zytoplasmamembran an und verlagern die Permeabilitätsverhältnisse ins Toxische. Bedingt durch die kationische Grundstruktur kommt es hier häufig zu Unverträglichkeiten mit anderen Wirkstoffen. Trotz einer potenziellen Schädigung der Hornhautepithelzellen bei Daueranwendung werden sie gerne bei Ophthalmika eingesetzt.

Weiterhin sind Inhalanda, Dermatika und Nasalia geeignete Einsatzgebiete. Aufgrund einer hohen Hämolysegefahr darf keine parenterale Anwendung erfolgen. Ähnlich wirkt auch das allseits bekannte Chlorhexidin. Der Einsatz in desinfizierenden Mundspüllösungen macht es zu einer beliebten Empfehlung vieler Zahnärzte. Die mangelhafte Wirkung bei gramnegativen Bakterien kann im Mundraum vernachlässigt werden, da überwiegend grampositive Bakterien hier ihre Heimat haben. Als eine der Konservierungsmittelgruppen der höchsten Compliance gelten die Carbonsäuren. Unter anderem Natriumbenzoat, Kaliumsorbat oder Sorbinsäure sind physiologisch unbedenklich und sind sowohl geschmacklich als auch durch ihren Geruch unauffällig.

Um die Wirkform als Säure zu garantieren, wird in Rezepturen mit Zitronensäure gearbeitet, um den pH-Wert zu senken. Sie greift in elementare Stoffwechselvorgänge niederer Pilze und bestimmter Bakterien ein. Ihr recht beschränktes Wirkspektrum wird für die kutane und perorale Anwendung als ausreichend erachtet. Die Carbonsäuren sind die einzige Gruppe, die mit wenig Bedenken eingesetzt werden kann. Um trotzdem eine gute Haltbarkeit zu garantieren, hat sich die pharmazeutische Industrie einiges einfallen lassen.

Mechanische Schutzsysteme Einmalophtiolen haben sich schon länger fest etabliert. Kunden, die nicht auf eine Dauertherapie angewiesen sind, bevorzugen meist diese Variante. Vor der Anwendung sollte darauf geachtet werden, dass die Hände ausreichend sauber sind. Der Rest der Einmalophtiole muss in der Regel verworfen werden. Nur wenige Hersteller ermöglichen eine bis zu zwölfstündige Aufbewahrung der bereits geöffneten Ophtiole. Aufgrund des steigenden Bedarfs gibt es nun auch für die täglichen Anwender Möglichkeiten Mehrdosenbehältnisse ohne Konservierungsmittel zu benutzen.

Augentropfen mit einer Haltbarkeit von bis zu sechs Monaten sind schon fast zum Standard geworden. Das COMOD-System hat sich auf dem Markt etabliert. Als englische Abkürzung für „Continuous Mono Dose“ garantiert dieses System mit mehreren Dichtungsvorrichtungen einen sterilen Inhalt von mindestens einem halben Jahr nach dem ersten Anbruch. Da sich das Ventil nach jeder Anwendung ohne Rücksaugeffekt direkt verschließt, können keine mikrobiellen Verunreinigungen eindringen. Als neuere Variante kommt die „Advanced Preservative Free“-Technologie zum Einsatz.

Durch eine spezielle Membran in Kombination mit einer Spitzendichtung kann eine mehrjährige Haltbarkeit erreicht werden, die dem Mindesthaltbarkeitsdatum entspricht. Die Entwicklungsrichtung auf dem Markt der Augentropfen scheint klar. Der Verbraucher wünscht keine chemischen Zusatzstoffe, die nicht unbedingt benötigt werden, und dies führt nach und nach zur Verdrängung der Konservierungsmittel. Ob in Zukunft auf den Einsatz chemischer Stoffe ganz verzichtet werden kann, ist unklar, aber der Anteil konservierter Arzneimittel wird sich weiter verringern.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 94.

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