Zielgenau lässt sich mit der Genschere CRISPR/Cas9 in das Erbgut eingreifen. Fluch oder Segen? © Natali_Mis / iStock / Getty Images Plus

Genetik | Medizinethik

GENVERÄNDERUNGEN BEI KÜNSTLICHER BEFRUCHTUNG VERBIETEN

Das zumindest fordert nun ein internationales Forscherteam. Ihr Grund: Bislang seien weder die wissenschaftlichen Voraussetzungen gegeben, noch habe es eine gesellschaftliche Debatte gegeben, wie mit solchen Genomeditierungen umgegangen werden sollte.

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Und wie sieht diese Forderung konkret aus? Die Forscher stellen sich vor, dass sich alle Nationen freiwillig dazu verpflichten sollen in den kommenden Jahren auf Keimbahn-Therapien zu verzichten – sprich Genveränderungen von Spermien, Eizellen und Embryos. Doch warum jetzt? Gentechnische Verfahren sind zwar im Vergleich zu anderen medizinischen Therapien noch sehr jung, aber auch keine Neuheit mehr. Im Grunde liegt es an CRISPR/Cas9: Mit der Genschere sind punktgenaue Eingriffe in das Erbgut so leicht und erschwinglich umsetzbar geworden wie niemals zuvor. Und das weckt natürlich Hoffnung, sowohl bei Patient als auch Therapeut. Zum Beispiel konnte so in Einzelfällen schon die Muskeldystrophie Duchenne geheilt werden. Doch auch wenn Betroffenen bereits geholfen werden konnte, vererbbar waren diese Korrekturen am Erbgut nicht.

Dazu müsste man an die Keimzellen ran – also die DNA von Spermien und Eizellen verändern. Ein ethisch heikles Thema und unter Wissenschaftlern ein unausgesprochenes Tabu – bislang. Denn vor kurzem machte der chinesische Forscher He Jiankui mit der Behauptung, an zwei Embryonen genetische Veränderungen vorgenommen zu haben Schlagzeilen. Die geborenen Zwillinge verfügten durch den Genscheren-Eingriff über einen „angeborenen Schutz“ gegen das HI-Virus. Wie soll in Zukunft mit dieser Frage nun umgegangen werden? Freiwilliger Verzicht – sagen die Forscher. Unter ihnen das Team um Eric Lander vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und sogar die Erfinderin der Genschere CRISPR/Cas9 selbst, die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier. Das geforderte (freiwillige) Verbot begründen sie folgendermaßen: Zum einen äußert sie Bedenken in Bezug auf Sicherheit und Effektivität der Methode sowie noch nicht absehbare Langzeitfolgen für die Betroffenen. Die Experten zählen vier wesentliche Gründe für das von ihnen geforderte Verbot auf. „Erst wenn die langfristigen biologischen Folgen – sowohl für das Individuum als auch für die menschliche Spezies – ausreichend verstanden sind, kann eine klinische Anwendung in Betracht gezogen werden“, heißt es in dem Kommentar im Fachmagazin „Nature“. Zum anderen sollten derartige Genveränderungen nur aus einem überzeugenden Grund heraus als Möglichkeit in Betracht gezogen werden, in vielen Fällen gibt es Alternativen. Und erst recht sollten derartige Eingriffe nicht zu Verbesserungen von Menschen dienen. Auch die gesellschaftliche Debatte sollte laut Kommentar vorangetrieben und nicht vernachlässigt werden. „Der klinische Einsatz von Keimbahn-Therapien sollte nur vorangetrieben werden, wenn ein gesellschaftlicher Konsens über deren Zulassung besteht“, schreiben die Autoren dazu. Ausnahmen soll es allerdings geben: die Editierung der Keimbahn zu Forschungszwecken – zumindest solange kein veränderter Embryo verpflanzt wird – und die somatischen Veränderungen Betroffener, die nicht vererbbar sind.

In der Zukunft, zum Beispiel nach einem festgelegten Zeitraum von fünf Jahren, könne man dann über die Zulassung einzelner Therapien nachdenken. Zum Beispiel zur Therapie von Paaren mit Erbkrankheiten, deren Vererbungsrate bei 100 Prozent liegt. „Für diese Paare wäre die Technologie der einzige Weg, gesunde Kinder zu bekommen, die mit beiden Elternteilen verwandt sind“, schreiben sie. Wie sich die Forderung umsetzen lässt, bleibt abzuwarten. In vielen Staaten gibt es keine rechtliche Grundlage, ein derartiges Verbot auszusprechen. Die Medizinethikern Alena Buyx äußerte sich diesbezüglich allerdings positiv: „Der Erfolg freiwilliger internationaler Verpflichtungen ist gemischt. Gegenwärtig gibt es allerdings eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit und breite Bereitschaft von Akteuren der Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft, nationale und internationale Standards für Keimbahneingriffe zu erarbeiten und durchzusetzen. Es ist höchste Zeit“.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: www.wissenschaft.de

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