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Zuviel Fruchtzucker macht krank

GEFÄHRLICHE SÜSSE

Immer mehr Lebensmitteln wird industrieller Fruchtzucker als Süßungsmittel zugesetzt – mit verheerenden Folgen für unsere Ernährung und Gesundheit.

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Kennen Sie das auch? Die Lust auf etwas Süßes und das schlechte Gewissen danach, wenn man sich mal wieder ein extra Stück Kuchen oder eine Tüte Gummibärchen gegönnt hat? Wäre es da nicht wunderbar, wenn wir Süßes essen könnten, das dennoch gesund ist, Genuss ohne Reue sozusagen? Die Verwendung von Frucht- anstatt Kristallzucker in Süßspeisen mag hier als naheliegende Lösung erscheinen. Denn wie der Name schon sagt, stammt Fruchtzucker schließlich aus Früchten – und die sind doch immer gesund oder?

Was den Verzehr der Früchte selbst angeht, ist dies sicherlich zutreffend, lässt sich aber keinesfalls auf den isoliert verwendeten Fruchtzucker übertragen, denn dieser ist in höheren Dosierungen sogar ausgesprochen schädlich für unseren Stoffwechsel. Gleichwohl steigt die Verwendung von Fruktose in industriell gefertigten Lebensmitteln wie Soft-Drinks oder Fertigspeisen ständig weiter an, da dieser Zucker unschlagbar billig in Herstellung und Vertrieb (als Sirup) ist und darüber hinaus auch noch eine rund 20 Prozent höhere Süßkraft hat als Kristallzucker.

Die schädlichen Auswirkungen auf unsere Gesundheit sind derweil seit längerem bekannt: Übermäßiger Fruktosekonsum begünstigt die Entstehung von Insulinresistenz mit Gefahr der Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2, Fettleibigkeit sowie erhöhten Lipoprotein (LDL)- und Triglyzeridspiegeln im Blut und Bluthochdruck – in der Summe das Metabolische Syndrom. Die Ursachen hierfür liegen zum einen in der hormonellen Reaktion des Körpers auf den Verzehr von Fruktose: Insulin- und Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1)-Spiegel steigen nicht oder kaum an, Ghrelinspiegel werden nicht gesenkt, was in der Summe zu fehlender Sattheit und gesteigertem Appetit führt. Die weitere Nahrungsaufnahme wird gefördert, man isst zuviel.

Zum anderen bewirkt Fruktose ganz andere Aktivierungsmuster der Appetit- und Belohnungszentren im Gehirn: Während Glukose die Aktivität in Hypothalamus, der Insel, dem anterioren Cingulum und dem Striatum vermindert und so Sattheit auslöst, tut Fruktose dies nicht, erhöht im Gegenteil sogar die Aktivität im Hypothalamus. Zudem reduziert Fruchtzucker die Aktivität im Hippocampus, der, neben seiner Bedeutung für Lernvorgänge, auch Appetit zu reduzieren scheint, eine Wirkung, die nun also ausbleibt.

Auch die Kommunikation dieser verschiedenen Hirnregionen untereinander ist nach Fruktosekonsum weniger ausgeprägt als nach Glukose. Unser Körper ist also gut auf die Verwertung von Glukose angepasst und darauf, hier möglichst nur so viel Energie aufzunehmen wie nötig, während diese Mechanismen bei Fruktose versagen. Unterm Strich können so durch Fruktose massive Essstörungen ausgelöst werden, mit den bekannten Folgen, also wieder mal kein Genuss ohne Reue – aber das kennen Sie ja sicher auch.

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/14 auf Seite 12.

 


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