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Arzneimittelfälschungen

GEFÄHRLICHE PILLEN

Die Einnahme gefälschter Medikamente kann gefährliche Folgen haben. Vor allem über das Internet werden die falschen Pillen vertrieben. Polizei, Zoll, Hersteller und Apotheken arbeiten eng zusammen, um kriminelle Fälscher zu entlarven.

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Die Zahlen sind alarmierend: Laut Schätzungen der WHO ist jedes zweite im Internet gekaufte Medikament eine Fälschung. Deutsche Zollbehörden stellten allein 1,4 Millionen gefälschte Tabletten, Pulver und Ampullen im ersten Halbjahr 2013 sicher, was einem Zuwachs von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Nicht nur Präparate gegen Erektionsstörungen und Schlankheitsmittel werden illegal angeboten, sondern unter anderem auch Mittel zur Behandlung von Krebs, HIV, Magengeschwüren, Schmerzen, Alzheimer, Bluthochdruck, Depressionen und Rheuma sowie Präparate gegen Malaria und Verhütungsmittel.

Falsche Menge, falscher Wirkstoff Grundsätzlich handelt es sich bei Arzneimittelfälschungen um Medikamente, die hinsichtlich ihrer Identität und/oder Herkunft (z. B. Hersteller, Vertreiber) vorsätzlich und in betrügerischer Absicht falsch gekennzeichnet sind. Die Spanne der Fälschungen reicht von Totalfälschungen bis hin zu Präparaten, deren Verfallsdatum absichtlich verlängert und damit manipuliert wurde.

Arzneimittelfälschungen können beispielsweise den richtigen Wirkstoff in falscher Dosierung enthalten, keinen oder einen anderen als den angegebenen Wirkstoff beinhalten oder auch mit gefälschten Verpackungen und Beipackzetteln angeboten werden. Meistens werden sie in Hinterhöfen und Garagen unter unhygienischen Bedingungen hergestellt und enthalten bedenkliche oder giftige Substanzen. Für den Verbraucher kann ihre Einnahme unberechenbare, höchst gefährliche Folgen haben – schlimmstenfalls sogar tödlich enden.

Verbraucher oft ahnungslos „International organisierte kriminelle Fälscher nutzen hauptsächlich das Internet, um Verbraucher zum Kauf von gefälschten Medikamenten zu animieren“, erklärte Rüdiger Klausmann von INTERPOL (International Police Organization) anlässlich des „2. Informationsforums Arzneimittelfälschung“, das im September in Berlin stattfand. „Verbraucher können wir schützen, indem wir illegale Onlineshops schließen, gefälschte pharmazeutische Produkte konfiszieren und die Kriminellen vor Gericht bringen.“

Wie leicht es illegale Händler heute haben, gefälschte Medizin im weltweiten Netz zu vertreiben, hat 2012 eine ungewöhnliche Kampagne der Organisation EAASM (European Alliance for Access to Safe Medicines) gezeigt. Der europaweit tätigen Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Vertrieb gefälschter und minderwertiger Arzneimittel zu bekämpfen, gelang es, mit einer kurzerhand ins Netz gestellten Testapotheke in nur neun Wochen über 180 000 Verbraucher anzulocken.

Die Testapotheke „Medizin Direkt“, die unter anderem über Online-Anzeigen beworben wurde, stieg in dieser kurzen Zeit zu der am dritthäufigsten besuchten Online-Apotheke in Deutschland auf.

Bestellen konnten die Verbraucher bei „Medizin Direkt“ natürlich nichts: Klickte ein Besucher auf einen Link der Startseite, erschien ein Warnhinweis mit ausführlichen Informationen über gefälschte Arzneimittel. Dennoch hat das Experiment erschreckend deutlich gezeigt, die viele Konsumenten nicht zwischen zertifizierten und gefälschten Online-Apotheken unterscheiden können.

Fälschern das Handwerk legen „Der illegale Handel mit Arzneimittelfälschungen steigt international stark an und macht einen intensiven Kampf gegen die gewissenlosen Kriminellen notwendig“, betonte Norbert Drude, Präsident des Zollkriminalamtes beim „2. Informationsforum Arzneimittelfälschung“. „Das setzt eine enge Kooperation aller Sicherheits- und Gesundheitsbehörden auf nationaler und internationaler Ebene voraus.“

Wie groß das Ausmaß des Handels mit illegalen Arzneimitteln konkret ist, hat im Juni 2013 eine konzentrierte Kontrolloperation gezeigt, bei der Polizei- und Zollbehörden unter der Leitung von INTERPOL in 100 Staaten den internationalen Warenverkehr gezielt nach Arzneimittelfälschungen untersuchten. Die weltweite Aktion führte zur Beschlagnahmung von 9,8 Millionen potenziell gefährlicher Medikamentenfälschungen und 58 Verhaftungen. Mehr als 9000 Internetseiten, die auf illegale Versandhändler verlinkt hatten, wurden identifiziert und abgeschaltet.

Um die Verbraucher davor zu schützen, warnen Experten auch hier zu Lande seit Jahren vor dem Kauf aus zweifelhaften, nicht zertifizierten Quellen. „Patienten wissen oft nicht, welchen hohen gesundheitlichen Risiken sie sich in Folge einer Bestellung von Medikamenten aus
unsicheren Internetquellen aussetzen“, erläuterte Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, beim Infoforum in Berlin. „Die Arzneimittelkommission rät dringend, keine Arzneimittel aus dubiosen Quellen im Internet zu kaufen.“

Vor Fälschungen recht gut geschützt sind Verbraucher, wenn sie ihre Medikamente „traditionell“ in der Apotheke vor Ort kaufen. Über das Internet sollte Medizin nur dann bestellt werden, wenn die Arzneimittel von einer in Deutschland zertifizierten Online-Apotheke geliefert beziehungsweise angeboten werden. Welche das genau sind, erfahren Verbraucher im Versandapothekenregister auf www.dimdi.de.

Zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen wurde 2011 die EU-Fälschungsrichtlinie (2011/62/EU) verabschiedet. Sie schreibt unter anderem vor, dass ab 2017 jede Arzneimittelpackung Sicherheitsmerkmale tragen muss, durch die sie auf Echtheit geprüft werden kann. Bereits seit Anfang 2013 wird hier zu Lande zu diesem Zweck das Sicherheitssystem „securPharm“ getestet. Dabei wird auf jede Medikamentenpackung ein zweidimensionaler „Data Matrix Code“ aufgedruckt, mit dem die Packung in der Apotheke vor Abgabe an den Kunden auf Echtheit geprüft werden kann. Bei Unstimmigkeiten (Seriennummer nicht vergeben oder schon bei einer anderen Packung gescannt worden) erhält der Kunde eine andere Packung des gleichen Medikaments, die beanstandete Packung wird einbehalten und der Fälschungsverdacht untersucht.

ZUSATZINFORMATIONEN

Sicher auf Reisen

Nicht nur beim Kauf von Medikamenten aus dubiosen Internetquellen, sondern auch auf Reisen in Schwellen- und Entwicklungsländern haben Verbraucher ein hohes Risiko, gefälschte Medizin zu bekommen. „Immer wieder kommt es vor, dass Reisende aus Kostengründen Medikamente erst im konkreten Bedarfsfall vor Ort kaufen, anstatt sie vorsorglich mitzunehmen“, kritisiert Privatdozent Dr. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin.

„Wir raten dazu, bei Reisen in Schwellen- und Einwicklungsländern auf den Kauf von Medikamenten vollständig zu verzichten und sowohl benötigte Dauermedikamente als auch Notfallarznei aus Deutschland mitzuführen.“ Sicherlich ist eine Reiseapotheke mit Arzneimitteln „Made in Germany“ die beste Möglichkeit, um sich insbesondere in exotischen Gefilden vor Arzneimittelfälschungen zu schützen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 auf Seite 98.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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