Nase und Mund© anneleven / iStock / Getty Images Plus
Bislang war unklar, durch welche Mechanismen Säugetiere in der Lage sind, Gefahren auch über die Nase wahrzunehmen. Forschern ist nun für den speziellen Stoff Schwefelwasserstoff ein Nachweis gelungen.

Forschung | Sinne

ES RIECHT NACH GEFAHR

Es ist ein evolutionärer Vorteil, wenn man Gefahren rechtzeitig erkennt. Dabei spielt die Nase eine wichtige Rolle: Forschende der Saar-Universität fanden heraus, welcher Mechanismus beim Wittern von Gefahren hilft.

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„Ich rieche Gefahr“ ist nicht nur eine Redewendung. Bisher ist dieses Phänomen allerdings nur wenig untersucht. Es war unklar, durch welche Mechanismen Säugetiere in der Lage sind, Gefahren auch über die Nase wahrzunehmen. Einem Team um den Homburger Physiologen Professor Dr. Dr. Frank Zufall ist dieser Nachweis nun für einen speziellen Stoff gelungen: Schwefelwasserstoff, H2S. 

Schwefelwasserstoff ist ein hochgiftiges Gas und eine der gefährlichsten biologisch produzierten Substanzen. Sie wird nicht nur als extrem übelriechend und abstoßend empfunden, sondern kann zur Hemmung der intrazellären Atmung und damit zum Tod führen. H2S entsteht beispielsweise in sauerstoffarmen Gebieten im Meer oder auch an manchen Stellen im Erdreich. Physiologe Zufall erklärt:

„Für Tiere, die Höhlen bauen, ist dies sehr gefährlich. Gräbt etwa eine Maus eine Höhle in einem Bereich, in dem Bakterien unter Ausschluss von Sauerstoff leben und H2S produzieren, kann das für sie lebensbedrohend sein, schließlich ist sie als Säugetier auf Sauerstoff angewiesen.“ 

 

Kann man Gefahr riechen?

Ob es tatsächlich einen speziellen Mechanismus gibt, durch den Gefahren über die Nase wahrgenommen werden, hat das Team um Frank Zufall an Mäusen untersucht. Und tatsächlich: Sie konnten Sinneszellen in der Nase von Mäusen identifizieren, die auf eine steigende Schwefelwasserstoff-Konzentration reagieren und die in der Folge eine Stressreaktion auslösen.

„Dieser Detektor für Schwefelwasserstoff, den wir gefunden haben, ist der empfindlichste, der bisher im Tierreich entdeckt wurde“, erklärt Frank Zufall. „Wir haben ihn mit empfindlichen industriellen Gas-Sensoren aus dem Bergbau verglichen, die auch bei steigenden H2S-Konzentrationen anschlagen, um die Bergleute zu schützen. Diese schlagen noch lange nicht an, während die Sinneszellen in der Mausnase längst Alarm schlagen“, so Zufall weiter.
 

Von der Nase ins Hirn

Gelangen Schwefelwasserstoff-Moleküle an die sogenannten Typ-B-Zellen in der Mausnase, wird der Ort der H2S-Produktion als abstoßend und wenig attraktiv empfunden, im Gehirn abgespeichert und es werden Stresshormone freigesetzt. So lernen die Mäuse diesen Ort in Zukunft zu meiden. Diese Überlebensstrategie wird vom „self-grooming behaviour“, einer Art zwanghaften Putzens, begleitet.

Das Team um Zufall konnte genau diese Reaktionen als Indikator dafür nutzen, ob es tatsächlich die Typ-B-Zellen sind, die den H2S-Detektor beherbergen. Dafür haben die Wissenschaftler*innen die Signalmechanismen in diesen Sinneszellen ausgeschaltet. Nach Abschalten waren die Verhaltenreaktionen verschwunden und die Stressreaktion bei erhöhter Konzentration von Schwefelwasserstoff blieb aus. Damit konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass der Detektor tatsächlich in den Typ-B-Zellen sitzt.

Von Mäusen und Menschen

Auch für das menschliche Sozialverhalten spielt H2S Rolle. Chronisch schlechter Mundgeruch (Halitosis) zum Beispiel entsteht durch die Produktion von bakteriellem Schwefelwasserstoff in der Mundhöhle. Er wirkt abstoßend, da er mit einer Infektion assoziiert wird. Doch es stellt sich die Frage, ob es den nachgewiesenen Mechanismus auch beim Menschen gibt. Der von den Forscher entschlüsselte Mechanismus in der Mausnase könnte allerdings ein wichtiger Hinweis für eine solche Funktion auch beim Menschen sein.
 

Pathogene wahrnehmen

Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sind wichtige Bausteine für eine zentral wissenschaftliche Frage: Wie können Pathogene, das heißt Krankheitserreger oder andere gefährliche biologische Substanzen, durch unsere Sinnesorgane aufgespürt werden, um wichtige Abwehrreaktionen zu aktivieren? Da feststeht, dass es Rezeptoren in der Nase von Säugetieren gibt, die bakterielle Gefahrenstoffe aufspüren können, können auf dieser Grundlage weitere Forschungsprojekte entstehen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
 

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