Eine Vielzahl der zuckerhaltigen Getränke beinhalten einen hohen Anteil an Fructose. © Kwangmoozaa / iStock / Getty Images Plus

Darmkrebs | Fruchtzucker

FÖRDERT FRUCHTZUCKER DAS WACHSTUM VON DARMKREBSTUMOREN?

Cola, Limonade – sie schmecken lecker und man trinkt sie einfach gern, obwohl bekannt ist, dass zuckerhaltige Getränke dick machen und Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen fördern. Neue Indizien zeigen jetzt, dass der enthaltene Zucker auch das Wachstum von Darmkrebstumoren fördern kann.

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Große Getränkehersteller süßen lieber mit Maissirup als mit normalem Haushaltszucker. Der Grund ist ganz banal: Er ist deutlich billiger und süßt wesentlich stärker. Der Unterschied zwischen Maissirup und Haushaltszucker liegt darin, dass Maissirup, der auch gerne als Isoglucose bezeichnet wird, deutlich mehr Fructose als Glucose enthält. Außerdem liegen beide Zuckerformen frei im Sirup vor und können daher besonders schnell und leicht vom Körper aufgenommen werden. Das eigentliche Problem: Da Fructose sehr leicht in Fett umgewandelt wird, entsteht schneller Übergewicht und daraus Folgeerkrankungen wie Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen. Zudem wird dies als Risikofaktor für einige Krebserkrankungen, unter anderem Darmkrebs, angesehen.

„Studien belegen, dass der übermäßige Konsum von zuckerhaltigen Getränken Übergewicht verursacht – und das wiederum erhöht das Risiko für Darmkrebs, vor allem bei Männern“, so Marcus Goncalves von Weill Cornell Medicine in New York und seine Kollegen. Bislang ungeklärt ist die Tatsache, ob zuckerhaltige Getränke direkt an der Tumorbildung beteiligt sind. Um bei diesem Thema Licht ins Dunkel zu bringen, hat das Forscherteam eine Untersucht mit Mäusen durchgeführt. Für das Experiment wurden Mäuse ausgewählt, die eine genetische Disposition für Darmkrebs hatten und daher von Natur aus Tumorvorstufen entwickeln, der später dann zu einer Krebserkrankung führt. Den Wissenschaftlern stellte sich nun die Frage, ob die Krebsneigung beeinflusst wird, indem die Gabe einer Fructose-Glucose-Lösung im Verhältnis 55:45 erfolgt. Hierfür wurde den Mäusen einmal täglich eine Zuckerdosis verabreicht, die beim Menschen einer Dose Limonade pro Tag entspricht. Eine solche Gabe reichte laut den Forschern nicht aus, um die Tiere übergewichtig zu machen oder Stoffwechselerkrankungen zu verursachen.

Nach zwei Monaten führten die Forscher eine Kontrolle des Zustands des Dickdarms der Mäuse durch und verglichen sie mit denen der Kontrollgruppe, die während des Untersuchungszeitraums kein Zucker bekommen hatte. „Obwohl die Zahl der Tumore ähnlich war, hatten die Mäuse mit Zuckergabe signifikant erhöhte Mengen großer und fortgeschrittener Krebstumore“, erklären die Forscher. „Das spricht dafür, dass schon eine mäßige Aufnahme von Maissiruplösung das Tumorwachstum bei diesen Mäusen begünstigen kann – auch unabhängig von Übergewicht oder metabolischem Syndrom.“ Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass eine regelmäßige Zufuhr von Fructose die Zeit, die die Tumore zum Wachsen benötigen, verkürzt.

Wirft man einen detaillierteren Blick auf die Ergebnisse, so wird deutlich, dass ein Teil der Fructose und Glucose nicht schon im Dünndarm ins Blut übergehen, sondern bis in den Dickdarm gelangt. Hier ist es den Tumoren möglich, beide Zucker durch jeweils verschiedene Routen aufzunehmen. Goncalves und sein Team stellten fest, dass in den Krebszellen ein Enzym namens Ketohexokinase (KHK) die Fructose in Fructose-1-Phosphat umwandelt. Dieses Molekül erleichtert es dem Tumor, die Fructose zu verarbeiten und letztlich daraus Energie zu gewinnen. Allerdings hat das Molekül noch eine weitere Aufgabe: es fördert die Synthese von Fettsäuren. „Krebszellen benötigen die Fettsäuresynthese, um Zellmembran zu bilden, Energie zu erzeugen und zu speichern sowie für die intrazelluläre Kommunikation“, so die Forscher. Werden die Darmkrebszellen ausreichend mit Fruchtzucker versorgt, wird die Fettsäuresynthese angeregt, was wiederum das Tumorwachstum begünstigt.

„Damit enthüllt diese Studie einen direkten molekularen Mechanismus, der den Konsum von Zucker mit Darmkrebs verknüpft“, erklärt Goncalves‘ Kollege Cantley. „Er liefert uns wichtige Indizien dafür, dass Glucose und Fructose in der Ernährung, selbst in gemäßigten Dosen, das Wachstum von Darmkrebstumoren fördern kann.“ In weiteren Studien muss nun geklärt werden, ob diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragbar sind. Laut den Forschern ist es für Menschen, die eine genetische Veranlagung zu Darmkrebs haben, ratsam, keine zuckerhaltigen Getränke zu trinken. „Wenn man schon Darmkrebs hat, füttert man durch den Konsum von Maissirup seine Tumoren noch“, sagt Goncalves.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de



Originalpublikation: Marcus Goncalves (Weill Cornell Medicine, New York) et al., Science, doi: 10.1126/science.aat8515

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