Rheumatische Erkrankungen
FIBROMYALGIESYNDROM
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An dieser schwer fassbaren Erkrankung leiden schätzungsweise zwischen zwei und vier Prozent der Bevölkerung. Die wörtliche Übersetzung für Fibro (= Faser), my (Muskel) und algie (Schmerz) lautet tatsächlich Faser-Muskel-Schmerz. Meist tritt sie zwischen 40 und 60 Jahren auf, ganz überwiegend sind Frauen betroffen.
Es handelt sich jedoch nicht um eine rheumatische Erkrankung im engeren Sinne, da sich keine Entzündungen oder Schäden in den Muskeln oder Nerven oder irgendeinem anderen Gewebe nachweisen lassen, wie es sonst bei Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis der Fall ist. Vielmehr liegen dem Fibromyalgiesyndrom funktionelle Störungen zugrunde. Da die Erkrankung aber häufig unter den rheumatischen Erkrankungen gelistet wird, soll es im Rahmen dieser Serie behandelt werden.
Kernsymptome Die wichtigsten Symptome des Fibromyalgiesyndroms sind über mindestens drei Monate bestehende Schmerzen in mehreren Körperregionen, genauer gesagt im Nacken, oberen oder mittleren Rücken oder im Kreuz sowie mindestens ein Schmerzort in beiden Armen und beiden Beinen. Dazu berichten Betroffene über Ein- und Durchschlafstörungen beziehungsweise darüber, sich morgens nicht ausgeschlafen zu fühlen, sowie über das Gefühl vermehrter körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung.
Ein Gefühl von Steifigkeit oder Schwellungen in Händen oder Füßen sind ebenfalls typisch. Das Fibromyalgiesyndrom ist oft mit psychischen Beschwerden wie Depressionen, Ängsten, Antrieblosigkeit, Nervosität oder innerer Unruhe assoziiert. Es können auch weitere körperliche Symptome auftreten, etwa ein Reizdarm, eine Reizblase, Herz- oder Atembeschwerden. Eine Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen, Lärm oder Licht kommt häufig vor.
Veränderte Schmerzverarbeitung Die Ursachen sind nicht bekannt. Vermutlich müssen mehrere Faktoren wie eine genetische Disposition, psychische und körperliche Faktoren sowie externe Auslöser zusammenkommen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Menschen mit Fibromyalgiesyndrom Schmerzen anders verarbeiten: Bei ihnen kommt es bei leicht schmerzhaften Reizen zu einer stärkeren Aktivierung von Schmerzzentren im Gehirn als bei Kontrollpersonen.
Zudem empfinden sie eigentlich nicht schmerzhafte leichte Reize bereits als schmerzhaft. Ob das eine Ursache oder eine Folge der Erkrankung ist, ist allerdings unklar. Schließlich erhöhen körperliche oder psychische Überlastung, ständiger Stress, frühe Schmerzerfahrungen, körperliche und sexuelle Gewalt in der Kindheit oder im Erwachsenenalter, aber auch Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen das Risiko an einem Fibromyalgiesyndrom zu erkranken.
Diagnose Für die Diagnose wird der Arzt im Gespräch die genauen Beschwerden sowie die Krankengeschichte erfragen und den Patienten sodann körperlich untersuchen. Die früher übliche Überprüfung von bestimmten Druckpunkten (Tender Points) wird heute nicht mehr zwingend gefordert. Wichtig ist eine Laboruntersuchung des Bluts, um andere Erkrankungen als Ursache für die Beschwerden auszuschließen.
Bei Patienten mit Fibromyalgie befinden sich beispielsweise Entzündungsmarker, Kreatinkinase (als Hinweis für Muskelerkrankungen), Calciumwerte (Kochen-/Gelenkbeschwerden) und Schilddrüsenhormone (Müdigkeit/Erschöpfung) typischerweise im Normbereich. Zudem muss eine Medikamenteneinnahme als Ursache für die Beschwerden ausgeschlossen werden. Lassen sich keine anderen Ursachen finden, wird der Arzt bei typischem Beschwerdebild die Diagnose Fibromyalgiesyndrom stellen. Manchmal dauert es sehr lange, bis die Erkrankung erkannt wird. Und nicht selten werden die Patienten wegen der fehlenden Laborparameter als Hypochonder abgetan.
Behandlung Zwar ist eine Heilung nicht möglich, aber eine Vielzahl von Therapieansätzen kann es Betroffenen erleichtern, im Alltag besser mit ihrer Erkrankung zu leben. Die Auswahl der Therapien hängt vom individuellen Beschwerdebild, der Schwere der Erkrankung und den Vorlieben des Patienten ab. Viele Techniken können die Patienten selbst erlernen und eigenständig anwenden. Als sinnvoll hat sich zuallererst eine Schulung beziehungsweise Aufklärung der Patienten über die Erkrankung erwiesen. Falls der Patient zusätzlich an einer psychischen Erkrankung wie einer Depression leidet, sollte diese ebenfalls behandelt werden.
Bewegung Nachgewiesenermaßen hilfreich ist ein leichtes Ausdauertraining, zum Beispiel in Form von Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen oder auch Spazierengehen. Ziel sollten mindestens 30 Minuten zwei- bis dreimal pro Woche sein. Für viele ebenfalls hilfreich: Gymnastik auf dem Trockenen oder im Wasser in der Gruppe unter Anleitung eines Physiotherapeuten (Funktionstraining). Auch mit meditativen Bewegungstherapien wie Tai-Chi, Qui-Gong oder Yoga haben viele Betroffene gute Erfahrungen gemacht.
Verhaltenstherapie und Entspannung Vielen Betroffenen hilft eine kognitive Verhaltenstherapie, bei der sie ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse sowie ungünstige Verhaltensweisen besser erkennen und ändern lernen. Auch Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder autogenes Training sind für viele hilfreich.
Medikamentöse Ansätze Gängige Schmerzmedikamente wie Acetysalicylsäure oder Paracetamol sind beim Fibromyalgiesyndrom nicht wirksam. Die Wirkstoffe Amytriptylin, Duloxetin und Pregabalin können aber helfen und werden in der Regel bei Bedarf zeitlich begrenzt eingesetzt. Bei schweren Verläufen werden verschiedene Therapieansätze miteinander kombiniert.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/18 auf Seite 108.
Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin