Kulinaria
ESSEN, DAS GLÜCKLICH MACHT
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Das klingt zu theoretisch? Ist es gar nicht. Der neue Trend kommt (natürlich) aus den USA, doch erfunden haben sie ihn nicht, die Amerikaner. In japanischen Zen-Klöstern besitzen die Mönche ein spezielles Essensgeschirr, das Oryoki: Sechs lackierte Holzschalen, die nach Größe ineinander gestapelt werden können. Die größte von ihnen heißt auch Buddha Bowl, da sie mit ihrem gewölbten Rand ein wenig an den dicken Bauch des lachenden Buddhas erinnert. Ein findiger Marketingmensch taufte den neuen Essenstrend mit diesem Namen; die Amerikaner waren hellauf begeistert und frönten dem Schüssel-Mix mit Hingabe. 2015 eröffnete das erste Restaurant mit One-Pot-Konzept in Deutschland: „The Bowl“, natürlich in Berlin. Fortan verbreiteten sich „Bauanleitungen“ (sprich: Rezepte) für Bowls im Internet. Und in diesem Jahr schließlich kommt kaum ein renommierter Kochbuchverlag ohne ein Buch über „Buddha Bowls“, „Big Bowls“ oder „Super Bowls“ aus.
Wunderbare Mischung Was ist nun das Geheimnis der Schüsselei? Die Mischung: etwas Sättigendes, eine Proteinquelle, etwas Fett, eine Menge Vitamine. Das alles nach dem Prinzip des Clean Eating: Nichts davon stammt aus verarbeiteten Lebensmitteln, Ungesundes wird durch Gesundes ausgetauscht. Und ganz am Schluss kommt eine leckere, selbstgemachte Soße darüber. Die einzelnen Komponenten werden liebevoll einzeln in der Schüssel angeordnet und ganz bewusst genossen. Das „Bowlen“ ist immer auch ein Fest fürs Auge. Die Komposition aus Rohem und Geröstetem, Kaltem und Warmen, bissfester und weicher Textur regt die Sinne an. Die Bowl hinterlässt ihren Esser satt und zufrieden, lässt aufgrund ihrer Zusammensetzung den Blutzuckerspiegel langsam steigen und langsam wieder fallen.
Manche Kochbuchautoren behaupten sogar, dass es zu einer Ausschüttung von Glückshormonen, den Endorphinen kommt. „Verantwortlich dafür sind die vielen Lebensmittel, die reich sind an Eiweißbausteinen, den Tryptophan-Derivaten. Um diese auszubilden, brauchen wir noch ein Gegenstück, den Neurotransmitter Serotonin, unser Bote für Glücksgefühle. Die beiden gehören zusammen wie du und dein Partner, der dich glücklich macht“, schreibt Annelina Waller in ihrem Buch „Buddha Bowls“.
Kurkuma, gelber Safran, Gelbwurz
Ein Gewürz macht unter den „Bowlern“ Furore, und er löst den Ingwer ab. Dabei ist Kurkuma mit ihm verwandt, das Rhizom stammt aus derselben Pflanzenfamilie. Der Gelbwurz ist bei uns meist in gemahlener Form erhältlich, in manchen Asialäden und gut sortierten Supermärkten bekommt man ihn auch frisch. Er verleiht Gerichten eine ganz spezielle Note, einen ganz besonderen Duft und ist fester Bestand des indischen Currys. Vorsicht bei der Zubereitung: Kurkuma färbt stark.
Mit allen Sinnen Essen als Heilsbringer: Mancher sagt, die jeweils gängigen Ernährungstrends ersetzen in unserer Gesellschaft langsam, aber sicher die Rolle der Religion. Soweit braucht man aber nicht gehen: Unzweifelhaft steht hinter dem beginnenden Hype um die Bowls ein positiver Grundgedanke: nämlich dass gesundes Essen Spaß machen und mit allen Sinnen genossen werden kann. Mit Farben, mit der Textur, mit dem Geschmack. In Butter angebratene Kartoffelwürfel, im Ofen geröstete Karotten und Paprika, in der trockenen Pfanne erhitzte Sesamkörner. Ein kleiner Maiskolben, durch Butter gezogen. Eine Handvoll süßer Cocktailtomaten, etwas Rotkohl, ganz fein roh geschnitten, Avocadostückchen mit saurer Sahne und Dill auf einem Bett aus Quinoa. Denn unter allem bunten Gemüse liegt die Sättigungsbeilage.
Nur dass diese nicht mehr so heißt. Die „Grains“ bestehen vorzugsweise aus Pseudogetreiden, weil diese kein Gluten enthalten. Buchweizen, würzig-nussig im Geschmack. Der Couscous aus Nordafrika, ein Gries aus Gerste, Hirse oder auch Weizen. Ungeschälter Naturreis, das Fuchsschwanzgewächs Quinoa, das Inka-Getreide Amarant und die gute alte Hirse. Rund 40 Prozent der pikanten Bowls bestehen aus diesen Zutaten, der Rest (15 Prozent) ist Protein, unverarbeitete Fette (10 Prozent) und jede Menge Vitamine in Gemüse und Früchten.
Early BirdsKöstliches Resteessen Mit ein wenig Kreativität lassen sich sogar die vielen angebrochenen Vorratsschrank-Packungen endlich einer hervorragenden Verwendung zuführen. Die übriggebliebenen Kleinmengen Hirse, Grünkern oder sonstiges Nischengetreide können vorgekocht und portionsweise eingefroren werden. Der Konserven-Tunfisch kommt mit einem selbstgemachten Cesars-Dressing über die Rucola-Radieschen-Komposition. Und die Dose mit den Kichererbsen liefert nicht nur wertvolle Power-Hülsenfrüchte, sondern die übriggebliebene Flüssigkeit nennt sich unter Kennern „Aquafaba“ und dient als Eins-A-Marinade für Ofengemüse (spart Fett!). Wer also einen Kunden vor sich hat, dem der Arzt empfohlen hat, seine Ernährung zu ändern – und nicht so recht weiß, wie er das machen soll – möge ihm doch eins der aktuellen Bücher empfehlen. Die Lust am neuen Essen kommt schon bei der Zubereitung. Und wer einwenden möchte, das sei doch alles schon mal dagewesen, dem sei gesagt: Alter Wein braucht manchmal neue Schläuche. Dann schmeckt er einfach besser!
* Bücher über Bowls:
- Annelina Waller: Buddha Bowls - eine Schüssel voller Glück, Callwey-Verlag
- Dagmar Reichel: Big Bowls - Einfach gute Schüsselküche, Gärfe und Unzer Verlag
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 ab Seite 130.
Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion