Harnwegsinfektionen
ES BRENNT WIE FEUER
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Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen und dabei starker Harndrang mit geringen Urinmengen – jeder, der schon mal unter einer Blasenentzündung gelitten hat, kann diese untrügerischen Symptome schnell einordnen. Meist sind die unteren Harnwege, also Harnblase und Harnröhre, entzündet, was definitionsgemäß als Zystitis bezeichnet wird. Sie ist von einer Pyelonephritis abzugrenzen, bei der eine Entzündung des Nierenbeckens mit Beteiligung des Nierenparenchyms vorliegt. Kennzeichen für Nierenbeckenentzündungen sind zusätzlich zu den klassischen Beschwerden einer Blasenentzündung Fieber (über 38 °C), Schüttelfrost, Flankenschmerz sowie ein klopfschmerzhaftes Nierenlager.
Vorwiegend weiblich Übeltäter sind vorwiegend Keime aus dem Darmtrakt, die durch Schmierinfektion in die Harnwege gelangen. Daher sind auch größtenteils Frauen betroffen, deren Harnröhre deutlich kürzer als die des Mannes ist und die sich zudem in enger anatomischer Nähe zum Darmausgang befindet. Mehr als 50 Prozent aller Frauen erkranken einmal in ihrem Leben an einer Infektion der unteren Harnwege. Circa jede Dritte leidet sogar mehrmals im Jahr daran. Prinzipiell sind alle Altersklassen betroffen, wobei mit Beginn der sexuellen Aktivität eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit zu verzeichnen ist. Zudem kommt es zu einem Anstieg in höherem Lebensalter.
Bei häufig wiederkehrenden Entzündungen müssen Risikofaktoren erkannt und möglichst vermieden werden. Neben Geschlechtsverkehr fördern der Gebrauch von Diaphragmen und Spermiziden, eine übertriebene Intimhygiene sowie Adipositas das Auftreten rezidivierender Infektionen. Zudem verschiebt eine abnehmende Estrogenproduktion in den Wechseljahren den physiologisch sauren pH-Wert des Scheidenmilieus ins Alkalische und lässt die Schleimhäute von Vagina, Blase und Harnröhre damit dünner und reizempfindlicher werden. Sie verlieren ihre Abwehrkraft, wodurch sich krankmachende Erreger leichter ausbreiten und der Entstehung von Harnwegsentzündungen Vorschub leisten können.
Häufige Erreger
Mehr als 70 Prozent der Infektionen werden von bestimmten Stämmen des stäbchenförmigen Bakteriums Escherichia coli (E. coli) ausgelöst. Daneben gehören andere Enterobakterien wie beispielsweise Proteus mirabilis oder Klebsiella spp. sowie Staphylococcus saprophyticus zum typischen Erregerspektrum. Mit Hilfe ihrer fadenförmigen Anhängsel (P-Fimbrien) docken die E. coli-Bakterien an die Zellen der Blasenwand an und lösen eine Entzündung der Blasenschleimhaut aus. Diese schwillt an und ist so leicht reizbar, dass selbst geringe Füllmengen an Urin ausreichen, um einen häufigen und starken Harndrang zu bewirken. Typischerweise ist die Blasenentleerung erschwert und das Wasserlassen wird von einem schmerzhaften Brennen begleitet. Darüber hinaus sind Druckschmerz oder leichte Krämpfe im Unterbauch möglich. Der Urin kann unangenehm riechen und durch Blutbeimengungen dunkel verfärbt sein.
Infektionsbegünstigendes Verhalten Bei beiden Geschlechtern kann eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme den Weg für Harnwegsinfektionen bahnen. Die Bakterien können sich dann in der Harnröhre leichter festsetzen als bei Personen, die ausreichend viel trinken und durch entsprechend häufiges Wasserlassen pathogene Keime ausspülen. Zudem schwächt psychischer Stress oder körperliche Belastung das Immunsystem und erhöht damit das Erkrankungsrisiko. Unterkühlung legt ebenfalls die Abwehr lahm, da sich bei Kälte die Blutgefäße verengen. Auf diese Weise verschlechtert sich die lokale Durchblutung der Blasenhaut, wodurch weniger Immunzellen in den Harnwegen patrouillieren und potenzielle Erreger liquidieren. Daher sind Blasenentzündungen nach Tragen von nasser Badekleidung oder durch Sitzen auf kalten Steinen keine Seltenheit.
Verschiedene TherapieoptionenObwohl Bakterien die Entzündung auslösen, sind nicht grundsätzlich Antibiotika Mittel der Wahl. Die Therapie einer Harnwegsinfektion hängt vielmehr vom Krankheitsbild und der betroffenen Personengruppe ab. Bei den Experten hat inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Entgegen der früher allgemein praktizierten Vorgehensweise wird heute in vielen Fällen eine rein symptomorientierte Therapie für möglich erachtet. In den aktuellen Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Antibiotika genauestens überdacht werden sollte, um unnötige Therapien zu vermeiden und Resistenzentwicklungen zu reduzieren.
Wesentliches Ziel ist heute, ein rasches Abklingen der Symptome zu erreichen, was nach Auffassung der Leitlinienautoren bei einer unkomplizierten Harnwegsinfektion antibiotikafrei gelingen kann. Definitionsgemäß gilt eine Harnwegsinfektion als unkompliziert, wenn keine anatomischen Veränderungen (z. B. Nierensteine) oder funktionelle Anomalien (z. B. Entleerungsstörungen der Blase) sowie keine relevanten Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes mellitus) vorliegen. Voraussetzung für den Verzicht auf eine Antibiotikagabe ist allerdings, dass die Infektion auf die Harnblase beschränkt ist, es sich also um eine klassische Zystitis handelt.
Bei dieser ist die Gefahr von Komplikationen gering und sie ist erfahrungsgemäß mit einer hohen Spontanheilungsrate verbunden (30 bis 50 Prozent in der ersten Woche). Zudem sollte die Blasenentzündung lediglich mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden einhergehen. Liegen alle Voraussetzungen für eine rein symptomatische Behandlung vor, empfiehlt die Leitlinie eine gemeinsame Entscheidungsfindung über das Therapieregime. Der Patient soll vom Arzt informiert werden, dass die Symptome ohne Antibiose meist zwei Tage länger andauern und die Infektion häufiger ins Nierenbecken auf- steigen kann.
Mittel der Wahl bei einer rein symptomatischen Therapie sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie beispielsweise Ibuprofen, um die Schmerzen zu nehmen und pflanzliche Arzneimittel, um die Keime auszuspülen und Krämpfe zu lindern. Eine Entzündung, die sich zu einer Pyelonephritis ausgeweitet hat, ist hingegen immer ein Fall für Antibiotika. Die Antibiotikatherapie ist dabei so früh wie möglich einzuleiten, um Narbenbildung und Komplikationen zu vermeiden.
Reizblase
Bei intensivem Harndrang mit nur geringen Urinmengen ist auch an eine Reizblase zu denken, die sich nach wiederkehrenden Harnwegsinfektionen einstellen kann. Sie ist auch häufig mit unkontrolliertem Harnverlust assoziiert. Im Gegensatz zu einer Harnwegsinfektion kommt es aber nicht zu den typischen Schmerzen beim Wasserlassen und es lassen sich im Urin weder Bakterien noch andere Zeichen einer Infektion nachweisen.
Risikogruppen erkennen Aber nicht bei jedem Betroffenen kann auf Antibiotika verzichtet werden. Typischerweise ist eine nicht schwangere, erwachsene Frau mit einer unkomplizierten Zystitis ein Paradebeispiel für einen rein symptomatischen Therapieversuch. Sie wird in den Leitlinien als Standardgruppe definiert. Ebenso können nach den Leitlinien postmenopausale Frauen ohne Begleiterkrankungen genauso wie die jüngeren prämenopausalen Frauen behandelt werden. Bei männlichen Betroffenen sieht die Situation in der Regel ganz anders aus. Laut Leitlinie ist bei Männern jede Harnwegsinfektion primär als kompliziert einzustufen, da häufig die Prostata mit betroffen ist. Männer zählen daher auch zu den Personengruppen, die sich bei Harnwegsproblemen grundsätzlich dem Arzt vorstellen müssen.
Zudem sind Blasenentzündungen beim Mann häufig eine Folge gutartiger Vergrößerungen der Prostata (benigne Prostatahyperplasie), die mit einer Einengung der Harnwege mit nachfolgenden Urinabflussstörungen und Restharnbildung einhergehen. Diese erfordern, genauso wie eine Entzündung (Prostatitis) oder Tumore der Prostata, eine ärztliche Überwachung beziehungsweise Therapie. Auch Schwangere sind ein besonderes Patientengut. Da sie schnell eine Pyelonephritis entwickeln, sollen bei ihnen selbst asymptomatische Harnwegsinfektionen antibiotisch therapiert werden. Ebenfalls zählen Personen mit anatomischen oder funktionellen Besonderheiten ebenso wie Betroffene nach Operationen im Allgemeinen zu den Risikogruppen, die in ärztliche Obhut gehören.
Sie sind wie geriatrische Personen und Patienten mit einer Immunsuppression, urologischen und/oder renalen Erkrankungen oder einer Stoffwechselstörung (z. B. Diabetes mellitus) für komplizierte oder chronische Infektionsverläufe prädestiniert. Zudem sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren kein Fall für die Selbstmedikation. Harnwegsinfektionen können bei ihnen auf anatomische Anomalien hindeuten, die zumeist im Kindesalter manifest werden. Prinzipiell sind zudem Betroffene, bei denen die Beschwerden nicht besser werden beziehungsweise die schon länger als fünf Tage andauern, die Fieber haben, bei denen Blut im Urin nachweisbar ist, die von Rücken- und Flankenschmerzen berichten oder die zum dritten Mal oder öfter in den letzten zwölf Monaten unter einem Harnwegsinfekt leiden, an den Arzt weiterzuleiten.
Therapie mit Antibiotika Hat sich der Arzt für die Verordnung eines Antibiotikums entschieden, erfolgt eine leitliniengerechte Substanzwahl, die von der Diagnose (Zystitis oder Pyelonephritis), der Verlaufsform des Harnweginfektes (mild/mittelschwer oder schwer), der betroffenen Personengruppe (z. B. Frauen, Männer, Schwangere, Diabetiker) und dem Erregerspektrum abhängt. Praktisch erfolgt die Auswahl der Substanz kalkuliert, das heißt ohne vorige mikrobiologische Erregerbestimmung. Sie beruht empirisch auf der größten Erregerwahrscheinlichkeit und der erwarteten Resistenzsituation.
Daher sind die Ärzte auch aufgefordert, sich über das Erregerspektrum und die Resistenzentwicklung in ihrer Region zu informieren. Ein Antibiotikum gilt als ungeeignet, wenn mehr als 20 Prozent der Keime dagegen resistent sind (Resistenzrate über 20 Prozent). Lediglich bei häufig wiederkehrenden oder komplizierten Infektionen ist es sinnvoll, die Erreger vor Therapiebeginn durch Anlegen einer Bakterienkultur festzustellen, um eine erregerspezifische Antibiotikagabe einzuleiten.
Bei Frauen Bei einer unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden Frauen empfiehlt die Leitlinie eine kurzzeitige, orale Therapie mit Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder Trimethoprim. Diese Substanzen sind Mittel der Wahl, da ihre Resistenzraten sehr niedrig sind, sie eine gute Verträglichkeit aufweisen und die körpereigene Bakterienflora nur wenig beeinträchtigen. Während bei Fosfomycin-Trometamol eine Einmalgabe ausreicht (möglichst zur Nacht nach Entleerung der Blase), muss die Einnahme von Pivmecillinam je nach Dosierung drei oder sieben Tage, Nitrofurantoin fünf oder sieben Tage (abhängig davon ob als Lang- oder Kurzzeittherapie), Nitroxolin fünf Tage und Trimethoprim drei Tage lang erfolgen.
Allerdings soll Trimethoprim nur noch in Regionen eingesetzt werden, in der die lokale Resistenzsituation unter 20 Prozent liegt. Auch auf die früher standardmäßig praktizierte kombinierte Gabe mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol = Trimethoprim/Sulfamethoxazol) ist heute wegen regional bestehender hoher Resistenzraten zu verzichten. Ebenso sollen die häufig verordneten Cephalosporine (z. B. Cefpodoxim) oder Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin, Levofloxacin) gemäß der Leitlinie deswegen nicht mehr bei unkomplizierten Blasenentzündungen an erster Stelle stehen. Bei den Fluorchinolonen sprechen gegen ihren großflächigen Gebrauch auch ihr Risiko für mikrobiologische Kollateralschäden, ihre potenziellen Nebenwirkungen (z. B. QT-Zeit-Verlängerung, Schädigungen am Bewegungsapparat) sowie notwendige Dosisanpassungen an die Nierenfunktion.
Daher sind Fluorchinolone und Cephalosporine heute vielmehr Mittel der Reserve und bleiben für komplizierte Verläufe oder die Behandlung einer Nierenbecken- entzündung vorbehalten. Ebenso können Schwangere mit einer unkomplizierten Blasenentzündung leitliniengemäß neben Fosfomycin-Trometamol oder Pivmecillinam auch orale Cephalosporine primär verordnet bekommen. Allerdings sind diese in der Regel länger einzunehmen (bis zu sieben Tage). Liegt eine Nierenbeckenentzündung vor, soll bei Schwangeren eine stationäre Antibiotikatherapie erwogen werden.
Einnahmetipps bei einer Antibiotika-Therapie
Bei der Abgabe eines Antibiotikums ist es wichtig, den Kunden auf die notwendige Therapielänge hinzuweisen. Auch wenn die Symptome unter Antibiotikaeinnahme schnell zurückgehen, darf das Mittel ohne Rücksprache mit dem Arzt nicht vorzeitig abgesetzt werden, da dies resistente Keime und Rückfälle bedingen kann. Bei einer Fosfomycin-Verordnung sollten Sie darauf hinweisen, dass nach der Einmalgabe nur noch wenig getrunken werden darf. Nur so kann das Antibiotikum die notwendige hohe Konzentration in der Blase erreichen. Zudem sollte zwei Stunden vor und nach der Einnahme nichts gegessen werden. Bei leichten Symptomen kann die Einnahme zur Nacht empfohlen werden.
Und bei Männern? Für die Behandlung von Harnwegsinfektionen bei Männern kommen weder Fosfomycin-Trometamol noch Nitrofurantoin in Frage. Beide Antibiotika sind nicht für das männliche Geschlecht zugelassen. Bei einer akuten unkomplizierten Zystitis sind Pivmecillinam und Nitrofurantoin die Mittel der Wahl. Für die orale Therapie der milden und mittelschweren akuten unkomplizierten Pyelonephritis werden in erster Linie Fluorchinolone empfohlen. Voraussetzung in beiden Fällen ist aber, dass eine Beteiligung der Prostata ausgeschlossen werden kann. In der Praxis kommt dies in der Regel nur bei wenigen jungen Männern ohne Risikofaktoren vor. Bei einem Patienten mit Diabetes mellitus muss differenziert werden, ob sein Harnwegsinfekt als unkompliziert oder kompliziert zu werten ist.
Handelt es sich um einen ansonsten gesunden Diabetiker, der mit seiner Diabetes-Therapie gut eingestellt ist, gelten für ihn die gleichen Therapierichtlinien wie für Personen ohne Diabetes mellitus. Liegt jedoch ein instabiler Stoffwechsel oder eine fortgeschrittene diabetische Nephropathie vor, wird jeder Harnwegsinfekt bei ihm als kompliziert betrachtet, was Einfluss auf die Antibiotikawahl hat (z. B. kein Nitrofurantoin). Klagt der Betroffene trotz Antibiotikagabe unter einer Verschlechterung seines Zustandes (z. B. Blut im Urin, Fieber, Schmerzen in der Flankengegend), sollte er an den Arzt verwiesen werden. Möglicherweise spricht der verordnete Wirkstoff nicht auf die vorhandenen Keime an oder die Infektion hat sich auf die oberen Harnwege ausgeweitet. Beide Fälle ziehen einen Substanzwechsel nach sich.
Rezidive behandeln Auch häufig wiederkehrende Harnwegsinfektionen erfordern eine besondere Vorgehensweise. Definitionsgemäß wird bei mehr als drei Harnwegsinfektionen innerhalb von zwölf Monaten und mehr als zwei Harnwegsinfektionen innerhalb von sechs Monaten von rezidivierenden Harnwegsinfektionen gesprochen. Gängige Praxis der Urologen ist die kontinuierliche Langzeitverordnung (über drei bis sechs Monate) niedrig dosierter Antibiotika (z. B. Trimethoprim, Nitrofurantoin, Cotrimoxazol, Cefaclor, Norfloxacin, Ciprofloxacin, Fosfomycin-Trometamol). Für die aktuelle Leitlinie ist eine derartige Langzeittherapie aber nicht das erste Mittel der Wahl. Vorher sollten die Betroffenen ausführlich beraten werden, wie mit möglichen Risikofaktoren umgegangen beziehungsweise wie diese vermieden werden können (z. B. Wahl der Verhütungsmittel, Intimhygiene, Verhalten nach dem Geschlechtsverkehr).
Als Therapiealternative empfiehlt die Leitlinie eine Immunprophylaxe mit einem oralen Escherichia-coli-Lysat oder mit parenteral zu applizierenden inaktiven Keimen spezifizierter Enterobakterien. Als weitere Möglichkeit wird eine Langzeitprävention mit Mannose erwogen. Der Zucker bindet an die Fimbrien der entzündungsauslösenden Bakterien und verhindert damit, dass sie sich an der Blasenwand festsetzen. Stattdessen werden sie mit dem Urin ausgespült. Gleiches Wirkprinzip weisen auch Cranberries auf, die sich allerdings aufgrund uneinheitlicher Studienlage nicht in der Leitlinie finden.
Hingegen werden anti- mikrobielle Phytotherapeutika aus Bärentraubenblättern (maximal einen Monat lang und nicht häufiger als fünfmal im Jahr) sowie eine Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel ausdrücklich genannt. Führen die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg, wird bei Frauen, bei denen es zu Rezidiven nach Geschlechtsverkehr kommt, als Alternative zur antibiotischen Langzeitprävention eine postkoitale Einmaleinnahme propagiert. Eine vaginale Estrogentherapie sieht die Leitlinie für Frauen nach der Menopause vor. Sie macht die Schleimhäute gegen Keime widerstandsfähiger und kann so zur Verhinderung wiederkehrender Blasenentzündungen beitragen.
Eine unkomplizierte Zystitis mit lediglich leichten bis mittelschweren Beschwerden kann häufig erfolgreich rein symptomatisch mit pflanzlichen Arzneimitteln behandelt werden. Antibiotika sind nicht mehr in jedem Fall die erste Wahl.
Wie ist die Phytotherapie einzustufen? Ziele einer Therapie ist Schmerzfreiheit und das Nachlassen des ständigen Harndrangs. Natürlich wird auch das Ausheilen des Infektes gewünscht und einem Wiederaufflammen soll vorgebeugt werden. Die Evidenzlage lässt laut der aktuellen Leitlinie nun zu, dass bei einer akuten, unkomplizierten Zystitis bei Frauen mit milden bis moderaten Beschwerden eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur Antibiose erwogen werden kann. Hierfür können auch Phytotherapeutika eingesetzt werden, auch wenn nicht alle dafür geeigneten Pflanzen in der Leitlinie genannt werden.
Um die Beschwerden symptomorientiert zu lindern, eignet sich gerade in der Selbstmedikation eine Kombination aus Pflanzenextrakten mit antiphlogistischen, spasmolytischen, analgetischen und antiadhäsiven Effekten. Diese Effekte können im akuten Fall Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen lindern, ebenso die unangenehmen Krämpfe im Unterleib. Antiadhäsive Effekte bewirken, dass das Anheften und Eindringen der Bakterien in die Blasenschleimhaut gehemmt und die schnellere und vollständige Ausspülung der Keime unterstützt wird. Dieser Effekt kommt vor allem in der Nachsorge rezidivierender Zystitiden zum Tragen und kann das Risiko von erneuten Infektionen reduzieren.
In der Praxis bewährt Zubereitungen aus Bärentraubenblättern (Uvae ursi folium) zeigen bei der Behandlung einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion sehr gute harndesinfizierende Eigenschaften. Die Wirkung beruht auf der Freisetzung von Hydrochinon. Das Prodrug Arbutin gelangt über den Magen unverändert in den Darm und wird dort resobiert. In der Leber wird Arbutin biotransformiert und an Glucuron- und Schwefelsäure gebunden. Diese hydrophilen Konjugate gelangen mit dem Urin in die Blase. Die pathogenen Bakterien nehmen sie auf und setzen durch enzymatische Spaltung Hydrochinon frei.
Studien belegen eine antibakterielle, antiadhäsive und entzündungshemmende Wirkung der Bärentraubenblätter-Extrakte. Die Einnahme sollte immer nach einer Mahlzeit erfolgen, da es sonst aufgrund des relativ hohen Gerbstoffanteils zu Magenschmerzen kommen kann. Die Kombination der Extrakte des Kapuzinerkressekrautes und der Meerrettichwurzel ist ebenfalls zur Behandlung von akuten, unkomplizierten Harnwegsinfektionen zugelassen. Die darin enthaltenen Glucosinolate, nämlich Glucotropaeolin aus der Kapuzinerkresse sowie Sinigrin und Gluconasturtiin aus der Meerrettichwurzel werden nach oraler Aufnahme enzymatisch in ihre aktiven Metabolite, die Isothiocyanate oder Senföle, umgewandelt.
Sie sind nachweislich antiviral, antimykotisch und je nach Dosis bakteriostatisch oder bakterizid wirksam. Auch als Prophylaktikum wird diese Kombination, wie bereits erwähnt, in der S3-Leitlinie empfohlen. Eine ebenfalls bewährte Therapieoption ist die Dreierkombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern. Für die Inhaltsstoffe wurden antiphlogistische, analgetische und spasmolytische Wirkungen in vitro und in vivo belegt. Bei häufig wiederkehrenden, unkomplizierten Blasenentzündungen bietet sich nach der Akutbehandlung eine kurmäßige Behandlung mit dem Extrakt des Goldrutenkrautes an, um zukünftigen Infekten langfristig vorzubeugen. Blasen- und Nierentees haben im Apothekenalltag ebenfalls einen hohen Stellenwert. Sie enthalten aquaretisch wirkende Drogen oder Extrakte, wirken harntreibend, sollen die Harnwege durchspülen und so von Bakterien befreien. Kontraindiziert sind sie bei Nieren- und Herzinsuffizienz.
Die typischen aquaretisch wirksamen Drogen enthalten meist Flavonoide. Bekannt sind Birkenblätter, Brennnesselblätter, Orthosiphonblätter, Goldrutenkraut oder auch Hauhechelwurzel. Nicht empfehlen sollte man Extrakte von Wacholderbeeren. Sie haben zwar auch eine aquaretische Wirkung, können aber die Nieren reizen und im schlimmsten Fall irreversibel schädigen. Stehen die Schmerzen im Vordergrund können die pflanzlichen Arzneimittel auch mit einem Analgetikum wie Ibuprofen kombiniert werden. Bei krampfartigen Schmerzen ist zudem die Gabe eines Spasmolytikums wie Butylscopolamin möglich, das den Tonus der überaktiven Blasenwand senkt. Auch Wärme hilft, die glatte Muskulatur der Blase zu entspannen. Geeignet sind warme Sitzbäder, feuchtwarme Umschläge oder eine Wärmflasche.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 58.
Gode Chlond, Apothekerin