Ein rosa Tisch, darauf steht ein weißer Teller und gelbes Besteck. Auf dem Teller liegt ein Taschenrechner.© Moussa81/iStock/Getty Images Plus
Typ-1-Diabetiker mit intensivierter konventioneller Insulintherapie müssen anhand der Broteinheiten/Kohlenhydrateinheiten der verzehrten Menge und ihres persönlichen BE-Faktors die Insulinmenge errechnen, die sie zu einer Mahlzeit benötigen.

Ernährung

ESSEN BEI TYP-1-DIABETES

Etwa fünf Prozent der neun Millionen Diabetiker sind an einem Typ-1-Diabetes erkrankt. Ihnen kann eine Veränderung des Lebensstils nicht dabei helfen, dass die Stoffwechselerkrankung wieder verschwindet. Deshalb spielt die Ernährung hier eine andere Rolle als beim Diabetes vom Typ 2.

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Für Menschen mit Typ-1-Diabetes gehört Insulin von Anfang an zur Diabetes-Therapie dazu. Denn ihre Bauchspeicheldrüse produziert dieses für den Glucosestoffwechsel wichtige Schlüsselhormon nicht. So müssen Personen mit Typ-1-Diabetes von Beginn ihrer Therapie an täglich und lebenslang Insulin injizieren – mit Spritze, Pen, Insulinpumpe oder AID-Systemen (Closed Loop). Denn Typ-1-Diabetes ist derzeit nicht heilbar.

Welche Rolle Essen und Glucosestoffwechsel im Alltag von Typ-1-Diabetiker*innen einnehmen, welche Lebensmittel sie besonders berücksichtigen müssen und ob Zucker bei Diabetes verboten ist, lesen Sie hier.

Insulin und Typ-1-Diabetes

Würden Menschen mit Typ-1-Diabetes kein Insulin spritzen, würden sie bei dieser Autoimmunerkrankung abmagern und ins Koma fallen. So war es bis zum 27. Juli 1922. An diesem Tag spritzten der kanadische Chirurg Frederic Banting und der Medizinstudent Charles Best einem bis auf 30 Kilogramm abgemagerten, vierzehnjährigen Jungen das erste Insulin. Dieses hatten die beiden Medizinforscher aus der Bauchspeicheldrüse von Hunden gewonnen. Der Rest ist Geschichte.

Heute wird Insulin weder von Hunden noch Schweinen oder Rindern gewonnen, sondern synthetisch produziert. Doch in der damaligen Zeit konnten die beiden Mediziner unzählige Menschenleben mit ihrer Errungenschaft retten. Kein Wunder, dass Frederic Banting 1923 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Heute ist die Forschung weiter und es gibt zahlreiche Insulinvarianten, die Menschen mit Typ-1-Diabetes und teils auch bei Typ 2 das Leben erleichtern. Wichtig ist, Insulin auf den Tagesablauf und individuelle Essgewohnheiten abzustimmen.

Ist bei Typ-1-Diabetes eine Diät nötig?

So wie sich die Forschung im Hinblick auf Insulin weiterentwickelt hat, ist es auch beim Essen für Menschen mit Typ-1-Diabetes. Bis vor wenigen Jahren empfahl man Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine strenge, unflexible Diät. Kaum eine Obstsorte, wenig Kartoffeln und gar kein Zucker durfte die Kost enthalten.

Doch das ist dank einer Fülle nationaler und internationaler Studien überholt. Heute ist Essen bei Typ-1-Diabetes eine moderne und abwechslungsreiche Ernährungsform, die jeder Mensch täglich essen kann.Ganz gleich ob stoffwechselgesund oder mit Diabetes.

Besonders gesund und diabetesfreundlich ist die mediterrane Kost. Studien haben gezeigt, dass in Mittelmeerländern Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige Krebsarten seltener vorkommen. Die Grundbausteine einer modernen Diabeteskost bei Typ 1 umfasst verschiedene Eckpfeiler:

  • Erreichen der Blutzuckerzielwerte und
  • Schulung des Betroffenen zum komplexen Thema Ernährung und Diabetesmanagement.
  • Darauf basiert eine individuell angepasste tägliche Kohlenhydrat- und Kalorienmenge.
  • Wichtig ist auch, darauf zu achten, dass die Empfehlungen individuelle Wünsche berücksichtigen und dabei alltagstauglich sind. Denn Menschen mit Typ-1-Diabetes müssen diese Form des Essens lebenslang praktizieren.

Kohlenhydrate – wichtiger Nährstoff bei der Diabetes-Therapie

Neben Eiweiß und Fett sind Kohlenhydrate (KH) die wichtigsten Energielieferanten der Nahrung. Ein Gramm Kohlenhydrate oder ein Gramm Eiweiß liefern dem Körper jeweils rund vier Kilokalorien. Fett liefert dem Organismus dagegen neun Kalorien pro Gramm.

Kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel bewirken einen Blutzuckeranstieg. Ob eher gemäßigt oder schnell, hängt entscheidend von der Zusammensetzung der Nahrung ab.

Bei Fruchtsaft ist der Anstieg schneller als bei einem frischen Stück Obst. Weißbrot treibt den Blutzucker rasanter in die Höhe als Vollkornbrot. Der Zuckeranstieg im Blut wird durch ballaststoffreiche und fetthaltige Nahrungsmittel verzögert.

Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfehlen einen täglichen Kohlenhydratanteil von rund 50 Prozent. Je ballaststoffreicher die Lebensmittelauswahl, umso besser ist es für den Blutzuckerspiegel, die Verdauung, das Sättigungsgefühl und zur Senkung erhöhter Blutfette. Empfohlen wird bei Typ-1-Diabetes eine tägliche Ballaststoffmenge von 40 Gramm. Das sind zehn Gramm mehr, als für Menschen ohne Diabetes empfohlen wird.

Und das aus gutem Grund: Mittlerweile ist bekannt, dass Ballaststoffe aktiv den Blutzuckerverlauf beeinflussen können. Außerdem können sie sich günstig auf die Blutfettwerte auswirken. Sie helfen dabei satt zu werden, fördern die Verdauung auf natürliche Weise und stärken die Diversität gesunder Darmbakterien (Mikrobiom). Sie sind also wahre Tausendsassa in der Diabetes-Therapie.

Ballaststoffreiche Lebensmittel:

  • Vollkornprodukte jeder Art
  • Getreideflocken, Brot und Brötchen, bevorzugt in der Vollkornvariante
  • Körner und Flocken, allen voran Haferflocken
  • Kleie wie Hafer- oder Weizenkleie
  • Hülsenfrüchte jeder Art
  • Nüsse und Samen
  • Frisches Gemüse
  • Salat und Rohkost
  • Frisches Obst ohne Zusätze, insbesondere Beerenfrüchte
  • Kartoffeln, am besten gekocht, abgekühlt und am Folgetag verzehrt: Dann enthalten sie mehr resistente Stärke. Ähnlich verhält es sich bei Pasta, wenn sie nach dem Kochen abkühlt und am Folgetag gegessen wird.

Kohlenhydratberechnung mit BE oder KE

Da Kohlenhydrate einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Blutzuckerspiegel haben, spielen sie beim Essen von Menschen mit Typ-1-Diabetes eine zentrale Rolle.

Damit der Umgang mit kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln übersichtlich und einfach ist, gibt es zwei Schätzmaße; die BE oder KE/KHE genannt werden. Beide entsprechen einer bestimmten Menge an Kohlenhydraten. Die BE wird als Brot- oder Berechnungseinheit bezeichnet und entspricht einer Menge von zwölf Gramm verdaulichen Kohlenhydraten. Die KE/KHE nennt sich Kohlenhydrateinheit und entspricht einer Menge von zehn Gramm verdaulichen Kohlenhydraten pro Einheit.

1 BE 1 KE/KHE
Broteinheit / Berechnungseinheit Kohlenhydrateinheit
12 g verdauliche Kohlenhydrate 10 g verdauliche Kohlenhydrate

Der Kohlenhydratgehalt pro Einheit (BE oder KE/KHE) bezieht sich immer auf den essbaren Anteil eines Lebensmittels. Also die Banane ohne Schale oder die Erbsen ohne Schoten. In BE- oder KE-Tabellen in Buch- oder App-Form gibt es Übersichten für alle Lebensmittelgruppen, die als Kohlenhydrate berücksichtigt werden müssen und immer einer BE oder KE/KHE entsprechen.

Kohlenhydrathaltige Lebensmittelgruppen,
die als BE/KE berücksichtigt werden

zum Beispiel

  • Brot und Getreideerzeugnisse
  • Körner und Mehle
  • Reis und Teigwaren
  • Kartoffeln und Kartoffelerzeugnisse
  • Kohlenhydratreiches Gemüse, z. B. Erbsen, Mais, Kidneybohnen
  • Obst und Obsterzeugnisse
  • Milch und Milchprodukte
  • Zucker und zuckerhaltige Produkte
  • Süßigkeiten, Kuchen, Kekse
  • Süße Getränke wie Eistee, Limo, Cola, Säfte, Smoothies, alkoholfreie Cocktails 
  • Lebensmittel, die neben Fett und Eiweiß auch Kohlenhydrate enthalten z. B: paniertes Schnitzel, Gemüse-Blätterteigtaschen, Strammer Max etc.

Eselsbrücke zur BE/KE-Berechnung

BE/KE-Tabellen bieten eine wichtige und sinnvolle Unterstützung und Hilfe beim Essen mit Typ-1-Diabetes. Denn die gegessenen Kohlenhydrate müssen durch injiziertes Insulin abgedeckt werden. So übernimmt die Insulininjektion die Aufgabe der Bauchspeicheldrüse, die bei Typ-1-Diabetes kein Insulin mehr in ihren Langerhans’schen Inseln produziert.

Die Insulinmenge, welche zum Essen gespritzt wird, richtet sich nach der individuellen Kohlenhydratmenge (BE/KE). Um sich die Mengen an Kohlenhydraten, die einer BE/KE entsprechen zu merken, hilft diese Eselsbrücke:

Eine BE entspricht 12 Gramm Kohlenhydraten – wie die Monate im Jahr. Eine KE dagegen entspricht zehn Gramm Kohlenhydraten, also wie die Anzahl der Finger an beiden Händen.

Es ist wichtig, dies zu wissen. Denn so lassen sich sämtliche Lebensmittel anhand ihrer Nährwertanalyse ausrechen.

BE-Faktoren und Insulindosis

Menschen mit Typ-1-Diabetes, die eine intensivierte Insulinbehandlung (ICT) anwenden, können vor den Mahlzeiten die erforderliche Insulindosis anpassen. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis des persönlichen BE-Faktors sowie der Kohlenhydratmenge, die sie essen möchten. Gängige BE-Faktoren sind: zwei Einheiten Normalinsulin pro BE zum Frühstück; eine Einheit Normalinsulin pro BE zum Mittagessen; anderthalb Einheiten Normalinsulin pro BE zum Abendessen. Um das genau und individuell zu ermitteln, ist die Beratung und Betreuung durch Diabetolog*innen und/oder Diabetesberater*innen empfehlenswert.

Zucker in kleiner Menge möglich

Auch Zucker als Ernährungsbestandteil ist heute für Menschen mit Typ-1-Diabetes möglich. Allerdings am besten in kleinen Mengen und nicht pur. Also nicht zum Süßen von Heißgetränken, als Zuckerwatte oder Fruchtgummi. Zucker pur ist einzig bei einer Unterzuckerung eine probate Hilfe.

Die DDG empfiehlt Menschen mit Diabetes maximal fünf bis zehn Prozent der täglichen Kalorienmenge aus Zucker und gezuckerten Lebensmitteln zu essen. Praktisch sind das etwa 25 bis maximal 50 Gramm pro Tag. Diese Menge ist schnell erreicht. So enthält beispielsweise

  • ein Glas Apfelsaft (ohne Zuckerzusatz) 18 Gramm Zucker,
  • ein Teelöffel Marmelade 6 Gramm,
  • ein normal großer Becher Fruchtjoghurt 15 Gramm und
  • zwei Esslöffel Tomatenketchup 8 Gramm Zucker.

Alles Dinge, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit solch hohen Zuckermengen assoziiert werden. Deshalb ist es besonders wichtig und sinnvoll, diesen versteckten Zucker zu beachten.

Wichtig bei Typ-1-Diabetes ist zudem, Zucker, Kalorien sowie blutzuckerwirksame BE oder KE zu berücksichtigen und auch die Insulindosis entsprechend zu kalkulieren.

Überblick:
Essen und Trinken bei Typ-1-Diabetes

  • Erreichen der Blutzuckerzielwerte.
  • Individuell angepasste tägliche BE/KE- und Kalorienmenge.
  • Drei Hauptmahlzeiten oder sechs kleine Mahlzeiten täglich, je nach individueller Therapie.
  • Übergewicht reduzieren.
  • Ballaststoffreiche Lebensmittelauswahl.
  • Drei bis vier Portionen Gemüse und/oder Salat täglich.
  • Zwei bis drei Portionen frisches Obst täglich.
  • Maximal 20 bis 30 Gramm Zucker oder zuckerhaltige Lebensmittel täglich
  • Bevorzugte Auswahl fettfreundlicher Lebensmittel
  • Fett als Pflanzenfett bevorzugen
  • Mindestens 1,5 bis 2 Liter kalorienfreie Flüssigkeit täglich
  • Alkoholgenuss in Maßen

Quellen:

Fachwissen der Autorin, staatlich diplomierte Diätassistentin, DKL/DGE
Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2023 und 2024
Die Diabetes Journal Nährwert Tabelle – BE, KE und Kalorien auf einen Blick, Kirsten Metternich von Wolff, Medtrix Verlag
www.deutschlandfunk.de/grundstein-fuer-erste-diabetes-therapie-frederick-banting-100.html
www.diabetesde.org/therapie-des-typ-1-diabetes
www.diepta.de/news/keine-suesse-gefahr

diabsurv.rki.de/Webs/Diabsurv/DE/diabetes-in-deutschland/kinderjugendliche/kinder-und-jugendliche-node.htmlAktuelle

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