Geschlechtskrankheiten
EIN WACHSENDES PROBLEM
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Etwa 60 Millionen Menschen infizieren sich weltweit jährlich mit Gonorrhoe. Die Zahlen für Deutschland sind unzuverlässig, seit die Meldepflicht 2001 aufgehoben wurde. Man geht von 10 000 bis 20 000 Neuerkrankungen pro Jahr aus. Verursacht wird die Krankheit durch Bakterien der Art Neisseria gonorrhoeae, eher bekannt unter dem Namen Gonokokken. Der umgangssprachliche Name für die Krankheit selbst, Tripper, leitet sich aus dem Englischen „to drip“ = tröpfeln ab. Damit wird ein Leitsymptom der Gonorrhoe deutlich, nämlich der typische Ausfluss.
Extrem ansteckend Die Inkubationszeit bei Gonorrhoe beträgt bei Männern zwei bis sieben, bei Frauen etwa zehn Tage. Fünf von hundert Erkrankten haben trotz Infektion keine Symptome, können die Krankheit aber dennoch an ihre Sexualpartner weitergeben. Aber auch bei anderen Infizierten können die Symptome über Wochen so schwach sein, dass sie sie nicht bemerken und die Infektion weiter verbreiten. In den meisten Fällen sind die Symptome jedoch sehr deutlich: Brennen beim Wasserlassen und ein milchig-eitriger Ausfluss.
Beim Mann ist eine Harnröhrenentzündung mit Juckreiz typisch, Frauen können neben dem Ausfluss und den Schmerzen beim Wasserlassen auch noch eine Gebärmutterhalsentzündung entwickeln. Unbehandelt kann die Gonokokken-Infektion beim Mann zu einer Hoden- und Prostataentzündung führen, bei Frauen können die Eileiter verkleben – die Gefahr, unfruchtbar zu werden, ist damit sehr hoch.
Frauen laufen außerdem Gefahr, eine Bauchfellentzündung zu bekommen, wenn die Erreger sich dorthin ausbreiten. Im schlimmsten Fall können die Bakterien auch über den Blutkreislauf in andere Körperregionen gelangen. Hierdurch kann es zu Hautinfektionen mit blutigen Pusteln oder auch zu eitrigen Gelenkinfektionen kommen. Lebensgefährliche Komplikationen einer unbehandelten Gonorrhoe sind Hirnhaut- und Herzmuskelentzündung oder eine Gonokokken- Sepsis, wenn die Bakterien den ganzen Körper überschwemmen.
Gefahren für Schwangere Für Schwangere ist eine Gonorrhoe-Infektion besonders gefährlich. Vor allem im ersten Trimester kann es zu einer Abstoßung des Fetus kommen. Früher war auch der Befall der Augenschleimhaut des Embryos mit Gonokokken gefürchtet, denn dadurch konnte sich eine Ophtalmia neonatorum entwickeln – eine okulare Gonorrhoe, durch die das Neugeborene erblinden konnte. Seit in Deutschland prophylaktisch nach der Geburt antibakterielle Augentropfen verabreicht werden, hat sich dieses Risiko stark reduziert.
Unterschiedliche Lokalisation Durch eine Schmierinfektion kann es jedoch auch bei Erwachsenen zu einer okularen Gonorrhoe kommen, etwa dann, wenn man sich mit kontaminierten Händen die Augen reibt und die Krankheitserreger dabei auf die Augenschleimhaut gelangen.
Auch spezielle Sexualpraktiken führen dazu, dass eine Gonorrhoe nicht nur an den primären Geschlechtsorganen, sondern auch an anderen Körperstellen entstehen kann. So sind Infektionen an After und im Rachen recht häufig, verursachen aber keine starken Beschwerden und heilen meist nach einigen Wochen komplikationslos aus. Trotzdem ist die Gefahr einer Ansteckung durch Schmierinfektion auch bei diesen extragenitalen Infektionen sehr hoch.
Gefahr durch Resistenzen? Gonorrhoe lässt sich durch einen Abstrich und eine Bakterienkultur nachweisen. Die Behandlung erfolgt mittels Antibiotika. Früher war Penicillin das Mittel der Wahl, jedoch bildeten die Gonokokken-Stämme Resistenzen aus, sodass man zu einer Behandlung mit zwei unterschiedlichen Antibiotika wechselte, meist Cephalosporine und Gyrasehemmer.
Doch auch gegen Fluorchinolone, die zu den Gyrasehemmern gehören, waren die Erreger bald resistent, sodass jetzt hochdosierte Cephalosporine der Gruppe 3 über einen Zeitraum von sieben bis 30 Tagen eingesetzt werden. Die Weltgesundheitsorganisation sieht in der Resistenzbildung von Gonokokken ein riesiges Gesundheitsproblem.
In sechs Ländern, darunter Frankreich, Norwegen und Schweden, sind bereits Stämme aufgetaucht, die eine vollständige Cephalosporin-Resistenz aufweisen. Damit könnte Gonorrhoe in absehbarer Zeit unheilbar werden.
Safer Sex Um eine immer weiterführende Ausbreitung und erneute Ansteckung zu verhindern, ist eine medikamentöse Mitbehandlung aller Sexualpartner notwendig, mit denen der oder die Erkrankte innerhalb von drei Monaten vor der Infektion Geschlechtsverkehr hatte. Außerdem sollte man in dieser Zeit nur geschützten Sex praktizieren. Kondome sind übrigens auch bisher das einzige Mittel, mit dem man sich vor einer Ansteckung mit Gonorrhoe schützen kann.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 126.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist