Kreissäge © Waler / fotolia.com
© Waler / fotolia.com

Halsschmerzen

EIN BRENNENDES GEFÜHL …

Schon wieder eine Erkältung – diese Gewissheit haben viele Menschen, wenn es unangenehm im Rachen kratzt und brennt. Der erste Weg führt dann oft in die Apotheke. Wie können Sie ihnen helfen?

Seite 1/1 8 Minuten

Seite 1/1 8 Minuten

Tatsächlich beginnt ein einfacher grippaler Infekt häufig mit Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Das liegt daran, dass Erkältungsviren wie Rhino- oder Coronaviren in der Regel über die Schleimhäute von Nase oder Rachen in den Körper eindringen, die Rachenschleimhaut besiedeln und eine Entzündungsreaktion verursachen. Typisch für eine akute Rachenentzündung, Mediziner sprechen von Pharyngitis, ist eine stark gerötete, verschleimte, geschwollene Rachenschleimhaut.

Durch das angeschwollene Gewebe entsteht Druck auf bestimmte Nervenenden. Deutlich spürbares Symptom einer Rachenentzündung sind Halsschmerzen, die von einem quälenden Kratzen in der Kehle bis hin zu heftigen Schluckbeschwerden reichen können. Viele Patienten leiden auch unter Mundgeruch. Häufig kommt Heiserkeit als weiteres Erkältungssymptom hinzu. Sie ist meist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Infektion auf die Kehlkopfschleimhaut ausgedehnt und die Stimmlippen in Mitleidenschaft gezogen hat. Dann heißt die Diagnose: Kehlkopfentzündung, medizinisch Laryngitis.

Die gute Nachricht: Halsschmerzen, die im Rahmen einer Erkältung auftreten, sind in der Regel kein Grund zu großer Sorge und in den meisten Fällen nach wenigen Tagen wieder vergessen. Oft bessern sich die Beschwerden bereits am zweiten oder dritten Tag der Infektion wieder deutlich. Die schlechte Nachricht: Gerade in den ersten Erkältungstagen kann eine akute Rachenentzündung so unangenehm und schmerzhaft sein, dass sie die Lebensqualität Betroffener merklich mindert. Aufgrund massiver Schluckbeschwerden wird sogar das Essen und Trinken zu einer schmerzhaften Prozedur.

Selbstmedikation oder Arztbesuch? Halsschmerzen sind für die meisten Erkältungsgeplagten zunächst kein Grund, zum Arzt zu gehen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass nur etwa jeder zehnte mit Halsweh auch den Mediziner aufsucht. Um die Beschwerden zu lindern, vertrauen einige Betroffene auf „Omas Hausmittel“ und die erforderliche Portion Ruhe.

Viele andere kommen auf der Suche nach geeigneten Rachentherapeutika in die Apotheke. Gut so, gibt es hier doch eine Vielzahl wirksamer OTC-Präparate zum Lutschen, Gurgeln und Sprühen – schmerzstillende und entzündungshemmende, antiseptische und lokalanästhetische, adstringierende und schleimlösende. Ehe Sie ein individuell geeignetes Präparat empfehlen, sollten Sie im Beratungsgespräch zunächst gezielt nachfragen.

Wichtig ist es, die Eigendiagnose des Kunden geschickt zu hinterfragen, um herauszufinden, ob eine Selbstmedikation überhaupt infrage kommt. Denn: Während eine virale Pharyngitis im Rahmen eines grippalen Infektes durchaus wenige Tage in Eigenregie therapiert werden kann, sind die Grenzen der Selbstmedikation bei Verdacht auf andere Ursachen der Beschwerden überschritten.

Faustregel: Von Halsschmerzen geplagten Kunden sollten Sie unbedingt zum Arztbesuch raten, wenn die Schmerzen bereits länger als eine Woche andauern, besonders heftig oder einseitig sind und/oder mit weiteren Symptomen einhergehen, die Anlass zur Besorgnis geben. Dazu zählen beispielsweise Fieber, geschwollene, druckschmerzhafte Lymphknoten, vergrößerte oder eitrige Mandeln sowie eitriger Auswurf. Grundsätzlich von der Selbstmedikation ausgeschlossen sind Schwangere, Stillende und jüngere Kinder.

Qual der Wahl Liegt die Vermutung nahe, dass es sich tatsächlich „nur“ um akute, erkältungsbedingte Beschwerden handelt, können Sie Präparate für die Selbstmedikation empfehlen. Ob Gurgellösung, Rachenspray oder Lutschtabletten zum Einsatz kommen sollten, hängt nicht nur von den persönlichen Vorlieben des Kunden ab, sondern auch davon, wo die Beschwerden lokalisiert sind.

VORSICHT, AGRANULOZYTOSE!
Halsschmerzen sind oft harmlos, aber längst nicht immer. Klassisches Beispiel dafür ist die seltene, aber lebensgefährliche Agranulozytose. Dabei handelt es sich um eine plötzliche Zerstörung der Granulozyten, einer Untergruppe der Leukozyten. Durch den drastischen Abfall der Leukozyten bricht das Immunsystem zusammen, was Infektionen bis hin zur Sepsis zur Folge hat. Wichtig zu wissen: Eine Agranulozytose beginnt häufig mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Entzündungen der Mundschleimhäute. Vorwiegend wird sie durch Arzneimittel ausgelöst, wobei das verschreibungspflichtige Analgetikum Metamizol die Liste der häufigsten Verdachtssubstanzen anführt. Zu den möglichen Auslösern einer Agranulozytose gehören unter anderem auch NSAR , Antibiotika (Sulfonamide, Cephalosporine, Metronidazol), Neuroleptika und Thyreostatika (Thiamazol, Carbimazol).

Bei Schmerzen in tieferen Abschnitten des Rachens zeigen Sprays und Präparate zum Lutschen meist eine bessere Wirkung, da Gurgellösungen nicht bis in diese Region des Rachens vordringen können. Eine besonders zuverlässige Schmerzlinderung kann Experten zufolge mit Lutschtabletten erzielt werden. Der Grund: Allein durch das Lutschen wird, zunächst einmal unabhängig vom Wirkstoff des Lokaltherapeutikums, die Speichelproduktion angekurbelt, wodurch die Schleimhäute wohltuend befeuchtet werden und der therapeutische Effekt steigt. Deshalb ist sogar das Lutschen von wirkstofffreien Kräuterbonbons bei Halsschmerzen eine Wohltat.

Grundsätzlich wichtig ist es, Lutschtabletten nicht zu kauen, zu zerbeißen oder herunterzuschlucken, sondern sie langsam im Mund zergehen zu lassen. Wer die Tablette in eine Wangentasche schiebt, verlängert die Einwirkzeit. Zuckerfreie Präparate schonen die Zähne. Rachentherapeutika gibt es mit unterschiedlichsten Wirkstoffen, als Monopräparate oder als Kombinationspräparate mit mehreren Arzneistoffen, die sich in ihrer Wirkung ergänzen können. Sowohl synthetische Wirkstoffe als auch Phytotherapeutika sind erhältlich, homöopathische und anthroposophische Präparate ergänzen die breite Palette.

In klassischen Halsschmerzmitteln häufig eingesetzt werden lokalanästhetische, antiseptische, entzündungshemmende, adstringierende, antibiotische und schmerzlindernde Wirkstoffe. Durch ihre lokalanästhetische Wirkweise sorgen Präparate mit Benzocain, Lidocain und Ambroxol für eine rasche Schmerzlinderung. Der auch in hustenlösenden Arzneimitteln eingesetzte Wirkstoff Ambroxol verfügt zudem über schleimlösende Eigenschaften. Zu berücksichtigen ist, dass Lokalanästhetika ein Taubheitsgefühl im Mund hinterlassen können, was ein gewisses Risiko für Bissverletzungen birgt.

»Wichtig ist es, die Eigendiagnose des Kunden geschickt zu hinterfragen, um herauszufinden, ob eine Selbstmedikation überhaupt infrage kommt.«

Antiseptische Wirkstoffe wie beispielsweise Benzalkoniumchlorid, Dequaliniumchlorid und Cetrimoniumbromid können die Keimzahl im Rachenraum reduzieren, antibiotische Wirkstoffe wie Tyrothricin zeichnen sich durch ihre antibakterielle Wirkung aus. Der Einsatz antiseptischer und antibiotischer Wirkstoffe bei erkältungsbedingten akuten Rachenentzündungen ist in Expertenkreisen jedoch umstritten. Bei viralen Racheninfektionen seien sie nur lückenhaft beziehungsweise gar nicht und bei bakteriellen Infekten – die ohnehin einen Arztbesuch erforderlich machen – nicht ausreichend wirksam, so die Kritiker.

Befürworter antiseptischer und antibiotischer Präparate führen hingegen an, der Einsatz dieser Wirkstoffe könne einer bakteriellen Superinfektion entgegenwirken. Entzündungshemmend und schmerzstillend wirken Rachentherapeutika mit Flurbiprofen, einem Arzneistoff aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Grundsätzlich wichtig ist es im Beratungsgespräch, mögliche Unverträglichkeiten zu berücksichtigen, beispielsweise gegenüber Benzocain oder antiseptischen Wirkstoffen.

Ausgeprägte Halsschmerzen und Schluckbeschwerden können kurzfristig den Einsatz von klassischen Analgetika oder NSAR zum Einnehmen rechtfertigen. Infrage kommen – so Kontraindikationen ausgeschlossen sind – beispielsweise Präparate mit Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen.

Pflanzliche Alternativen Zu den bewährten pflanzlichen Behandlungsoptionen gehört Gurgeln mit Drogenauszügen aus Salbeiblättern und Kamillenblüten. Salbeiblätter verfügen unter anderem über entzündungshemmende und antiseptische Eigenschaften, was sie bei Rachenentzündungen wertvoll macht. Kamillenblüten wirken ebenfalls antientzündlich und zudem antibakteriell. In Lutschpastillen und -bonbons kommen Heilpflanzen wie Thymian, Eukalyptus, Fenchel und Salbei zum Einsatz.

Einen schützenden Effekt für die gereizte Rachenschleimhaut haben Präparate mit Schleimstoffdrogen wie Isländisch Moos, Eibisch und Malve. Zu den natürlich wirksamen Helfern bei Halsschmerzen gehören auch Salz-Lutschpastillen, die die entzündete Schleimhaut anfeuchten und beruhigen, sowie Lutschtabletten mit Hydrogel-Komplex oder Propolis. Viele dieser Mittel leisten auch bei Heiserkeit gute Dienste.

Apothekenkunden, die homöopathische oder anthroposophische Präparate zur Beschwerdelinderung bevorzugen, können Sie Lokaltherapeutika mit Wirkstoffen pflanzlicher Herkunft empfehlen, beispielsweise Rachensprays mit Sonnenhut, Ringelblume und Salbei oder Halstabletten mit einer Dreierkombination aus Arzneipaprika, Pockholz und Kermesbeere. Zum Einnehmen stehen homöopathische Komplexmittel zur Verfügung.

Schneller genesen Damit von Halsschmerzen geplagte Kunden rasch wieder fit werden, sollten Sie ihnen nicht nur geeignete Präparate für die Selbstmedikation, sondern auch hilfreiche Tipps für den Alltag mit auf den Weg geben. Vor allem bei Heiserkeit gilt: Die Stimme braucht Schonung. Das bedeutet, möglichst wenig sprechen und wenn, dann ökonomisch – also langsam, deutlich und mit Pausen. Falsch ist es hingegen, bei Heiserkeit zu flüstern, denn das strengt die Stimmlippen an und belastet sie zusätzlich.

GUT GEWICKELT
Therapiebegleitend können Sie bei Halsschmerzen Hausmittel empfehlen, zum Beispiel kühlende oder warme Wickel. Kühlende Quarkwickel – so wird’s gemacht: , Magerquark dünn auf ein Leinentuch streichen. , Das Tuch mit der bestrichenen Seite auf den Hals auflegen. , Wickel mit einem Schal fixieren. , So lange um den Hals lassen, bis der Quark eingetrocknet ist (ca. 1 bis 2 Stunden). Warme Kartoffelwickel – so wird’s gemacht: , Vier bis fünf Kartoffeln wie Pellkartoffeln kochen. , Sobald sie weich sind, grob zerstampfen und auf ein Baumwolltuch legen. , Etwas auskühlen lassen (bei zu heißen Kartoffeln besteht Verbrennungsgefahr!) und dann vorsichtig um den Hals legen. , Mit einem weichen Wollschal fixieren. , Etwa 30 Minuten lang wirken lassen.

Unbedingt verzichten sollte man bei Heiserkeit auf Räuspern, das die Stimmlippen reizt und der Stimme auf Dauer Schaden zufügen kann. Wer den Drang verspürt, sich zu räuspern, sollte ihm nicht nachgeben, sondern besser schlucken, einen Schluck Wasser trinken oder zu einer Lutschpastille greifen. Ebenfalls wichtig ist es bei Halsschmerzen, viel zu trinken.

Hals- und Rachentees mit Heilkräutern wie Salbei, Eibisch und Anis können ihren Teil zu einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr beitragen. Aufs Rauchen sollten Halsschmerz-Patienten natürlich verzichten. Therapiebegleitend können Sie im Beratungsgespräch auch Hausmittel empfehlen, etwa feuchtkalte Halswickel oder warme Kartoffelwickel. Nicht fehlen darf der Hinweis, dass der entzündete Hals schön warm gehalten werden sollte.

Andere Ursachen Leider sind längst nicht immer klassische, eher harmlose Erkältungsviren für Halsschmerzen verantwortlich. Durchaus möglich, dass andere Erreger die Beschwerden hervorrufen, beispielsweise das Epstein-Barr-Virus, das zu den Herpes-Viren gehört. Es ist Verursacher des Pfeifferschen Drüsenfiebers, Mediziner sprechen von infektiöser Mononukleose. Typisch für die Infektion, die normalerweise nach zwei bis drei Wochen ohne Folgen ausheilt, aber auch länger andauern kann, sind Schwellungen der Lymphknoten an Hals und Nacken, manchmal auch an anderen Körperstellen, fast immer in Kombination mit mäßig hohem Fieber bis etwa 39°C.

Diese beiden Leitsymptome erklären den Begriff „Drüsenfieber“. Durch Bakterien ausgelöst werden können Erkrankungen wie Mandelentzündung (Tonsillitis) und Scharlach. Typisch für eine Tonsillitis sind weiß-gelbliche Beläge auf den geschwollenen, meist stark schmerzenden Gaumenmandeln, verbunden mit allgemeinen Krankheitszeichen wie Abgeschlagenheit und Fieber. Bei Verdacht auf eine bakterielle Mandelentzündung ist ein Arztbesuch dringend erforderlich, oft auch die systemische Gabe von Antibiotika.

Ebenfalls mit Antibiotika gut behandelbar ist die „Kinderkrankheit“ Scharlach, die durch Streptokokken hervorgerufen wird. Neben Halsschmerzen kommt es bei dieser Infektion unter anderem auch zu Hautausschlag und einer geschwollenen, geröteten Zunge. Eine lebensbedrohliche bakterielle Erkrankung, die mit Halsschmerzen einhergeht, ist die Diphtherie. Die Erreger bilden ein Toxin, das Organe wie Herz, Nieren und Leber dauerhaft schädigen kann. In Industrieländern kommt die Erkrankung aufgrund der Impfprophylaxe heute eher selten vor.

Möglicherweise steckt hinter dem Symptom „Halsschmerz“ auch eine andere Grunderkrankung, etwa eine Schilddrüsenentzündung oder -vergrößerung, eine Allergie, die Refluxkrankheit oder schlimmstenfalls eine bösartige Erkrankung, etwa ein Speiseröhren- oder Rachentumor. Auch Reizstoffe wie Tabakrauch und Medikamenten-Unverträglichkeiten können zu Halsschmerzen führen. Die Auflistung verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit, bei Halsbeschwerden unklarer Ursache nicht selbst herumzudoktern, sondern schnellstmöglich zum Arzt zu gehen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/15 ab Seite 14.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

×