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Repetitorium

DIURETIKA– TEIL 3

Der letzte Repetitoriumsteil befasst sich mit der neuesten Diuretika-Klasse, den Aquaretika sowie anderen, schon fast als obsolet anzusehenden Gruppen. Hinzu kommen die in der Selbstmedikation wichtigen Phytopharmaka.

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Der Wirkstoff Tolvaptan ist seit August 2009 der erste, in Europa zugelassene selektive Vasopressin-Rezeptor-Antagonist. Vasopressin (Antidiuretisches Hormon, ADH) wird als zyklisches Nanopeptidhormon im Hypophysenhinterlappen gebildet. Eine seiner Funktionen ist die Harnkonzentrierung im distalen Tubulus und im Sammelrohr. Dort findet die Feinregulierung der Harnausscheidung statt.

Bei Vasopressin-Mangel tritt das Krankheitsbild des Diabetes insipidus auf, bei dem täglich zehn bis fünfzehn Liter Urin ausgeschieden werden. Tolvaptan hemmt selektiv und sehr effektiv die durch Vasopressin gesteuerte Rückresorption von freiem Wasser über Aquaporine aus dem Sammelrohr der Niere. Im Vergleich zu Vasopressin weist das Vaptan nämlich eine 1,8-fach größere Affinität zum V2-Rezeptor auf. Die Hemmung des Rezeptors bewirkt eine Steigerung der Wasserdiurese, es wirkt also aquaretisch.

Da die Elektrolytausscheidung nicht beeinflusst wird, unterscheidet sich der Vasopressin-Rezeptor-Antagonist grundlegend von den konventionellen Diuretika. Zugelassen ist Tolvaptan in Deutschland zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatriämie als sekundärer Folge des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH). Dieses Syndrom, auch Schartz- Bartter-Syndrom genannt, ist häufige Folge von Schädel-Hirn-Traumen, einer Meningitis (Hirnhautentzündung) und von Hirn-, aber auch Bronchialtumoren. Es zeichnet sich durch stark erhöhte Plasmaspiegel des antidiuretischen Hormons aus.

Resultat ist unter anderem eine Hyponatriämie, eine deutlich herabgesetzte Natriumkonzentration im Plasma. Infolge der reinen Aquarese kann mittels Tolvaptan die Serum-Natriumkonzentration wieder erhöht werden. Die empfohlene Anfangsdosis (die Einstellung erfolgt im Regelfall im Krankenhaus wegen der notwendigen engmaschigen Kontrolle und Überwachung der Elektrolyt-, insbesondere Natriumspiegel im Serum) beträgt oral täglich 15 Milligramm und kann je nach Verträglichkeit auf maximal 60 Milligramm erhöht werden. Die Tabletten sollten am besten morgens unzerkaut mit einem Glas Wasser, keinesfalls mit Grapefruitsaft, eingenommen werden.

Als Nebenwirkungen sind insbesondere Übelkeit, verstärkter Durst, teilweise krankhaft gesteigert (Polydipsie), Pollakisurie, eine Miktionsstörung, Hypernatriämie, Hyperurikämie, also Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut, sowie Mundtrockenheit bekannt. Da Tolvaptan potenziell leberschädigend wirkt, sollten bei Patienten, die über Müdigkeit, Anorexie, Beschwerden im rechten Oberbauch, dunklen Urin oder einen Ikterus klagen, unverzüglich ein Leberfunktionsstests durchgeführt werden. Insbesondere bei Anurie (Harnproduktion von weniger als 100 Milliliter in 24 Stunden), Volumendepletion (Verlust von Wasser und Salzen im Zellvolumen), hypovolämischer Hyponatriämie oder fehlendem Durstgefühl darf Tolvaptan nicht angewendet werden.

Zudem ist die gleichzeitige Einnahme von starken CYP3A4-Hemmern, zu denen etwa die Wirkstoffe Ketoconazol, Makrolid- Antibiotika und Diltiazem gehören, zu vermeiden. Und bei Patienten, die gleichzeitig ein Herzglykosid wie Digoxin erhalten, sollte bei einer Behandlung mit Tolvaptan darauf geachtet werden, ob es zu einer übermäßigen Digoxin-Wirkung kommt.

Xanthin-Derivate Theophyllin, Theobromin und Koffein werden heute nicht mehr therapeutisch als Diuretika eingesetzt. Sie bewirken nur kurzfristig eine schwache bis mittelstarke Diurese und verlieren ihre Wirksamkeit bei Daueranwendung. Xanthin-Derivate sind nahezu die einzigen Diuretika, welche die glomeruläre Filtrationsrate erhöhen und deren Wirkung zumindest teilweise auf der gesteigerten Primärharnbildung beruht.

»Eine ganze Reihe von Arzneipflanzen wirkt mild diuretisch und wird deshalb bei Harnwegsinfekten oder Nierengries in der Selbstmedikation empfohlen.«

Ursache ist eine Blockade von Adenosin-Rezeptoren (A1-Rezeptoren), wodurch die Nierendurchblutung, insbesondere des Nierenmarks, erhöht wird. Daneben verhindert die stärkere Durchblutung des Nierenmarks auch eine Aufrechterhaltung des dort normalerweise hohen Konzentrationsgradienten, was ebenfalls zu vermehrter Diurese führt. Durch Stimulierung des Natrium-Hydrogencarbonat-Cotransporters werden durch die Xanthin-Derivate zudem vermehrt Natrium-Ionen ausgeschieden. Allerdings üben sie stimulierende Effekte auf das Herz und das zentrale Nervensystem aus.

Die aus diesem Grunde weite Verbreitung Koffein-haltiger Genussmittel wie Kaffee, Tee und Cola ist wohl jedem bekannt. Mehr Bedeutung – wenngleich mittlerweile auch nur noch selten eingesetzt – haben Xanthin-Derivate noch in der Therapie des Asthma bronchiale aufgrund ihrer relaxierenden Wirkung auf die Bronchialmuskulatur. Dennoch kennt jeder die diuretische Wirkung von Kaffee oder Tee, die natürlich auf die darin enthaltenen Methylxanthine zurückzuführen ist.

Carboanhydrasehemmer Als Diuretika werden Carboanhydrasehemmer wie Acetazolamid nur noch selten eingesetzt, da es inzwischen besser verträgliche und effektivere Substanzen gibt. Als 1940 allerdings beobachtet wurde, dass Sulfanilamid und andere Sulfonamide das Enzym Carboanhydratase (häufig nur Carboanhydrase genannt) hemmen und als wesentliches Strukturelement verantwortlich hierfür die Sulfonamidgruppe ist, war dies ein sensationeller Durchbruch. Die Carboanhydrase stellt an verschiedenen Stellen im Organismus, ganz wesentlich aber in der Niere im proximalen Tubulusbereich des Nephrons Protonen bereit.

Die Hemmung der Carboanhydrase verringert die tubuläre Rückresorption von Natrium-Ionen, da weniger Wasserstoff-Ionen abgegeben werden und dadurch weniger Natrium-Ionen im proximalen Tubulus mittels des Natrium- Protonen-Antiporters resorbiert werden. Als Folge steigt die Ausscheidung von Natrium-, Kalium- und Hydrogencarbonat- Ionen und damit von Wasser an. Der Effekt ist jedoch relativ gering, da die Hemmung der Carboanhydrase unvollständig ist und nachfolgende Nephronabschnitte die Diurese teilweise wieder kompensieren. Der ausgeschiedene Urin ist zudem alkalisch und bicarbonatreich (Bicarbonaturie), wohingegen es als Nebenwirkung zu einer Acidose im Blut kommt.

Die Wirkung der Carboanhydrasehemmer zur Diurese nimmt vergleichsweise rasch ab. Früher wurden sie auch zur Blutdruck- und Hirndrucksenkung sowie gegen Epilepsie angewandt. Heute kommen sie praktisch noch bei der Höhenkrankheit, wenn es durch Hyperventilation zu einer respiratorischen Alkalose kommt, zum Einsatz. Systemisch Acetazolamid, lokal die Wirkstoffe Dorzolamid und Brinzolamid sind hingegen zur Glaukom-Behandlung sinnvoll, da sie auch die Bildung von Kammerwasser im Auge vermindern.

»Eine ganze Reihe von Arzneipflanzen wirkt mild diuretisch und wird deshalb bei Harnwegsinfekten oder Nierengries in der Selbstmedikation empfohlen.«

Und auch als Antidot bei Schlafmittelvergiftungen durch Barbiturate machen Carboanhydrasehemmer noch Sinn. Daneben existieren insbesondere für Acetazolamid zahlreiche Off-Label-Anwendungen bei neurologischen Erkrankungen und manchen seltenen Kanalopathien (Kanalerkrankungen, genetisch definierte Defekte von Ionenkanälen).

Osmodiuretika Zu den Osmodiuretika zählen Substanzen wie Mannitol oder Sorbitol, die – nach intravenöser Injektion – glomerulär filtriert, nicht verstoffwechselt und tubulär nicht rückresorbiert werden. Diese Eigenschaften führen dazu, dass das Wasser – dem osmotischen Druck entsprechend – im Tubuluslumen zurückgehalten wird, wogegen nur ein geringfügiger Einfluss auf die Elektrolyte ausgeübt wird. Einsatzbereiche dieser Gruppe von Diuretika sind insbesondere die Notwendigkeit einer forcierten Diurese, etwa bei Vergiftungen, die Aufrechterhaltung des Harnflusses bei drohendem Nierenversagen, die Therapie von Glaukomanfällen (erhöhtem Augeninnendruck) sowie die Ausschwemmung von Hirnödemen.

Allerdings hat ihre Bedeutung in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Als Nebenwirkungen wurden insbesondere Störungen im Elektrolyt- und Wasserhaushalt, Dehydratation, Kopfschmerzen, akute Thrombosen oder Venenentzündungen und Krämpfe bekannt. Eine Anwendung bei Dehydratation oder auch einer Hyperhydratation, bei Lungenödem oder Hirnblutungen darf nicht erfolgen.

Pflanzliche Diuretika Eine ganze Reihe von Arzneipflanzen wirken mild diuretisch und werden deshalb bei Harnwegsinfekten oder Nierengries in der Selbstmedikation – häufig als Nieren- oder Blasentee – zur Durchspülung in der Apotheke empfohlen. Sie können dabei eine häufig von den Ärzten verschriebene antibiotische Therapie sinnvoll unterstützen. Zur Ausschwemmung von leichten Wassereinlagerungen im Körper sind sie ebenfalls bedingt einsetzbar, nicht jedoch zur Behandlung eines Bluthochdrucks oder einer Herzinsuffizienz.

KLEINE TIPPS FÜRS BERATUNGSGESPRÄCH:
+ Patienten, die Diuretika einnehmen, ist generell – außer bei Aldosteron-Antagonisten – zu raten, diese morgens, seltener noch einmal mittags einzunehmen, damit die harntreibende Wirkung die Nachtruhe nicht stört und nächtliche Toilettengänge weitgehend vermieden werden.
+ Alle Diuretika können den Elektrolythaushalt des Körpers stören, wodurch es zu vielfältigen Nebenwirkungen, insbesondere aber zu hohen oder zu niedrigen Kaliumspiegeln kommen kann.
+ Bei allen Diuretika muss durch die vermehrte Wasserausscheidung mit unspezifischen Nebenwirkungen wie Hypotonie, Schwächegefühl, Schwindel, Müdigkeit, Mundtrockenheit, Hautrötungen und -reizungen sowie manchmal sogar eingeschränktem Sehvermögen gerechnet werden.
+ Bei schweren Nieren- und Leberfunktionsstörungen, schweren Elektrolytstörungen, in Schwangerschaft und Stillzeit sind Diuretika kontraindiziert, sollten also nicht eingesetzt werden.

Wichtige Arzneipflanzen hierbei sind insbesondere Schachtelhalmkraut (Equiseti herba), Birkenblätter (Betulae folium), Orthosiphonblätter (Orthosiphonis folium) Riesengoldrutenkraut (Solidaginis gigantae herba), Petersilienblätter/-kraut/-wurzel (Petroselinifolium/ herba/radix), Löwenzahnkraut (Taraxaci herba) sowie Brennnesselkraut/-blätter (Urticae herba/folium). Pharmakologische Versuche legen nahe, dass meist Flavonoide dieser Arzneipflanzen die aktiven Inhaltsstoffe sind und diese weniger die Elektrolyt-, sondern eher die Wasserausscheidung fördern – insbesondere bei gleichzeitig vermehrter Flüssigkeitszufuhr.

Es handelt sich bei den Arzneipflanzen im Regelfall also um Aquaretika. Sie erhöhen vermutlich die Durchblutung der Niere sowie die Filtrationsrate. Manche der genannten Arzneipflanzen wirken zusätzlich antientzündlich beziehungsweise krampflösend, weshalb ihre Anwendung zur Durchspülungstherapie bei brennenden Schmerzen beim Wasserlassen, Reizblase, Blasenirritation ohne Infekt, aber auch bei leichten Harnwegsinfekten sowie zur Rezidivprophylaxe oder Nachbehandlung einer Antibiotikatherapie als besonders geeignet erscheint.

So wirkt beispielsweise Brennnesselkraut nicht nur diuretisch, sondern auch entzündungshemmend, Goldrutenkraut abgesehen von der aquaretischen Wirkung zusätzlich schwach krampflösend und ebenfalls entzündungshemmend. Die Anwendung erfolgt meist in Form von Teezubereitungen allein oder in Mischungen, von einigen Herstellern werden auch Frischpflanzensäfte und Elixiere oder zu Tabletten verarbeitete Trockenextrakte angeboten.

Diuretika-Resistenz Die Wirkstärke und der mit einem Diuretikum erreichbare Maximaleffekt hängen jedoch nicht nur von der Wirkstoffgruppe beziehungsweise dem konkreten Wirkstoff ab. Genauso wichtig sind Nierenfunktion und der allgemeine Krankheitszustand des betroffenen Patienten. Insbesondere bei Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz oder dem nephrotischen Syndrom wird häufig eine Diuretika-Resistenz beobachtet. Das bedeutet, die Diuretika-Wirkung ist nur schwach bis aufgehoben.

Die Nieren entwickeln dabei kompensatorische Mechanismen. So verringert sich beispielsweise die glomeruläre Filtrationsrate, wodurch die Wirksamkeit der Diuretika abnimmt. Die aktuellen deutschen und internationalen Leitlinien geben den Ärzten hierzu Handlungsempfehlungen. Häufig kann die Kombination verschiedener Diuretika mit unterschiedlichem Angriffsort am Tubulussystem des Nephrons, etwa die Gabe eines Schleifendiuretikums zusammen mit einem Thiazid oder einem Carboanhydrasehemmer Abhilfe schaffen.

ZUSATZINFORMATIONEN
Eine Tabelle mit wichtigen Anwendungsgebieten, Nebenwirkungen und Kontraindikationen von Diuretika finden Sie hier.

Teil 1 finden Sie hier, zu Teil 2 kommen Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 84.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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