Eisenmangel
DIE WERTIGKEIT IST ENTSCHEIDEND
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Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung in Europa leiden unter einem Eisenmangel, darunter Frauen im gebärfähigen Alter mit einem Anteil von 20 Prozent. Laut einem WHO-Report aus dem Jahr 2011 haben auf unserem Kontinent fast 23 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis 59 Monaten eine Anämie. Von den nicht schwangeren Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren sind über 22 Prozent betroffen, bei Schwangeren sogar über 25 Prozent. Und auch zwölf Prozent der Senioren in Industrienationen leiden unter Eisenmangel.
Veränderte Hämoglobinkonzentration Eisenmangel verringert das Gesamtkörpereisen. Der normale Eisenbestand liegt bei drei bis fünf Gramm, das meiste davon ist in Hämoglobin (60 bis 75 Prozent) und Myoglobin (30 Prozent) gespeichert. Eisen liegt teilweise auch als Kofaktor von Enzymen vor sowie als Depoteisen, das intrazellulär an Ferritin gebunden ist (10 bis 25 Prozent). Bei einer Eisenmangelanämie fällt die Hämoglobinkonzentration (Hb-Wert) unter die geschlechtsspezifische Norm. Gemäß der WHO sind das zwölf Gramm pro Deziliter bei Frauen und 13 Gramm pro Deziliter bei Männern.
Eisen im Körper Eisen wird für die Blutbildung und für den Sauerstofftransport im Blut benötigt, aber auch zur Energiegewinnung in der Atmungskette der Mitochondrien. Man nimmt täglich ein bis zwei Milligramm Eisen aus der Nahrung auf. Eisenreich sind zum Beispiel Schweineleber mit 22,1 Milligramm Hämeisen pro 100 Gramm, Sojabohnen (8,6 Milligramm Eisen pro 100 Gramm) und Sonnenblumenkerne (6,3 Milligramm Eisen pro 100 Gramm). Hämeisen ist ungefähr vierfach besser bioverfügbar, ebenso das an Lactoferrin gebundene Eisen aus der Muttermilch. Reicht für Männer und Frauen nach den Wechseljahren eine ausgewogene Kost aus, um den physiologischen Eisenverlust von einem Gramm pro Tag auszugleichen, ist das bei jüngeren Frauen schwieriger, die viel Eisen durch die Menstruation verlieren.
Auf die Valenz kommt es an In der pflanzlichen Nahrung liegt Eisen in anorganischer, dreiwertiger Form (Fe3+) vor. Fe3+ wird im Zwölffingerdarm durch das membranständige Enzym Cytochrom B zu zweiwertigem Eisen Fe2+ reduziert und über einen spezifischen Metalltransporter aufgenommen. Auf der anderen Membranseite übernimmt Ferroportin. Fe2+ wird zu Fe3+ oxidiert und auf das Plasmaprotein Transferrin übertragen. Dieses eisenbeladene Transferrin versorgt die Erythrozyten-Vorläuferzellen im Knochenmark mit dem essentiellen Spurenelement für die Hämsynthese. Hämoglobin, ein Eisen-Porphyrin-Komplex, transportiert Sauerstoff im Blut und versorgt die Gewebe, wobei ein Gramm Hämoglobin 1,34 Milligramm O2 binden kann. Weniger kompliziert verläuft die Aufnahme von Hämeisen aus Fleisch. Es wird über den Hämrezeptor in die Darmzellen aufgenommen, aus dem Porphyrinring wird Eisen abgespalten und an das intrazelluläre Eisenbindeprotein Mobilferrin abgegeben. Daraus kann Eisen im Bedarfsfall mobilisiert werden.
Eisenmangel – wodurch? Ob Eisenmangel droht, hängt neben der Ernährung auch vom Bedarf ab. Kinder, Jugendliche und Schwangere haben einen erhöhten, wachstumsbedingten Bedarf. Höhere Verluste erleiden Frauen mit übermäßiger Regelblutung und bei der Geburt. Auch bei Operationen oder Blutspenden kommt es zu teilweise starken Verlusten. Eine verminderte Eisenaufnahme ist bei streng veganer Ernährung, Gastritis, Achlorhydrie und Magenresektion zu befürchten, aber auch bei Malabsorption, Zöliakie und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Nimmt man über längere Zeit Warfarin, Aspirin oder nichtsteroidale Antiphlogistika ein, können auch gesunde Menschen chronische intestinale Blutungen entwickeln und damit in einen Eisenmangel rutschen. Auch bei Entzündungen, die typischerweise mit Krebserkrankungen, Herz- und Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus einher gehen, ist die Aufnahme von Eisen verringert. Ältere, multimorbide Personen, die dazu noch regelmäßig Arzneimittel einnehmen, sind somit mangelgefährdet.
Eisenmangel-Symptomatik Das Kernsymptom der Anämie ist Blässe. Charakteristisch sind Müdigkeit, Lern- und Konzentrationsschwäche. Die Muskeln überanstrengen schnell, und es kann sich eine belastungsabhängige Kurzatmigkeit oder ein schneller Herzrhythmus einstellen. Auffallend sind Risse in den Mundwinkeln, brüchige Nägel, diffuser Haarausfall und eine entzündete Zunge.
Die Behandlung: Nach Möglichkeit oral Man schätzt, dass in Europa erhebliche Anämieraten durch Eisensupplementation verbessert werden könnten: 54 Prozent bei Kleinkindern, 55 Prozent bei nicht schwangeren Frauen und ganze 62 Prozent bei schwangeren Frauen. Bevorzugt werden Präparate mit zweiwertigem Eisen, das als Salz vorliegt (FE (II)- Sulfat,- Gluconat,- Chlorid,- Fumarat). Der Eisenanteil liegt je nach Präparat zwischen 25 und 100 Milligramm pro Dragee. Um die Resorption zu steigern, sollten Eisenpräparate zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden. Kaffee, Tee und Milch sowie Oxalate, Phosphate und Phytate aus pflanzlichen Lebensmitteln, aber auch Antazida hemmen die Resorption. Damit ein Eisenmangel vollständig ausgeglichen werden kann, sollte über mehrere Monate substituiert werden, zumindest drei Monate lang.
Manche Patienten klagen ein bis zwei Stunden nach der Aufnahme über gastrointestinale Beschwerden, Übelkeit oder Obstipation, vor allem bei einer Anfangsdosis von 50 Milligramm auf nüchternen Magen. Sind die Beschwerden nach einer Woche immer noch vorhanden, sollte man das Präparat zu den Mahlzeiten einnehmen oder auf dreiwertiges Eisen umsteigen. Dreiwertige Eisenionen liegen nur bei einem sauren pH-Wert in Lösung vor, ein Wert, der im alkalischen Duodenum nicht erreicht wird. Vor der Resorption muss dreiwertiges Eisen daher zuerst durch ein Reduktionsmittel wie Vitamin C reduziert werden. Eisen (III)-Tabletten mit dem empfohlenen Glas Orangensaft einzunehmen, macht also Sinn. Auch bei Vollkornprodukten ist das empfehlenswert, denn auch dort liegt Eisen in der dreiwertigen Form vor.
Nur im Sonderfall parenteral Patienten, die zwei verschiedene orale Eisenpräparate nicht vertragen haben oder unter einer Eisenresorptionsstörung leiden, sollten intravenös substituiert werden. Auch wenn die orale Substitution nicht ausreicht oder bei Tumorpatienten kann eine parenterale Darreichung in Erwägung gezogen werden. Allerdings sind parenterale Eisengaben nicht nebenwirkungsfrei: So entlässt die zeitweise Übersättigung des Transferrins freies Eisen in die Blutbahn. Es kommt zu oxidativen Gewebeschäden, die Blutdruckabfall, Übelkeit, Erbrechen und Ödeme bewirken können.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 138.
Dr. Christine Reinecke, Diplom-Biologin