Körperzellen – Teil 5
DIE NETZWERKER
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Für die Weiterleitung von Signalen, die aus den Sinnesorganen kommen, ins Gehirn, vom Gehirn zu Organen oder Geweben und für die Rückmeldung von dort ins Zentralenervensystem sind die auch Neuronen genannten Zellen optimal gerüstet: Der kernhaltige Zellkörper, der für den Stoffwechsel zuständig ist, ist mit zwei verschiedenen Fortsätzen ausgestattet: den stark verzweigten Dendriten , vergleichbar mit Antennen, über die Signale von anderen Zellen empfangen werden, und dem einzelnen, (bis zu einem Meter) langen Axon.
Dieser auch Neurit genannte Fortsatz ist das „Kabel“, das die Impulse weiterleitet. Das Zellinnere ist durch eine ungleiche Verteilung von Ionen, also elektrisch geladener Teilchen, negativ geladen. Dieser Überschuss an negativer Ladung in der Zelle ist die Grundlage der elektrischen Spannung.
Elektrisch geladen Diese ungleiche Verteilung ist deshalb möglich, weil die Zellmembran semipermeabel ist, genauer gesagt ist sie unterschiedlich gut für die verschiedenen Kationen und Anionen passierbar. Zusätzlich sorgt unter Ruhebedingungen die so genannte Natrium-Kalium-Pumpe, ein Eiweiß in der Zellmembran unter ATP-Verbrauch, das heißt energieabhängig, für die Aufrechterhaltung des Konzentrationsgefälles von Ionen.
Aus diesem Konzentrationsunterschied ergibt sich ein elektrisches Potenzial, eine messbare – wenn auch nur rund 0,07 Volt kleine – Spannung zwischen innen (Minusladung) und außen: das Ruhepotenzial.
Kettenreaktion Treffen Reize auf die Empfangsstation, die Dendriten, bewirkt dies, sofern die eingehenden Signale in der Summe stark genug sind, eine Änderung der Ladungsverteilung, also eine Spannungsänderung: Bestimmte Proteine in der Zellmembran, die man als Ionenkanäle bezeichnet, ermöglichen jeweils einer oder mehreren Arten von Ionen, die Membran zu passieren, indem sie Poren bilden.
»Eine Synapse entwickelt sich nur dann, wenn sich ein passender Partner findet.«
Die am Neuron eintreffenden Informationen führen nun dazu, dass eine Sorte dieser Proteine, nämlich die Natrium-Kanäle, „angeschaltet“, die Schleusen für Na+-Ionen also kurzfristig geöffnet werden – mit der Folge eines schlagartigen Einstroms von Na+. Dies geht an der betreffenden Stelle des Neurons mit einer Änderung der Ladungsverhältnisse einher, die Spannung über der Membran ändert sich für rund zwei Millisekunden; man spricht nun vom Aktionspotenzial.
Dieses pflanzt sich fort durch das ganze Axon, indem sich in einer Art Kettenreaktion an immer weiteren Membranabschnitten die Spannung ändert – während sich an den vorher aktiven wieder der Ruhezustand einstellt.
Gut isoliert Die meisten Axone sind außen – wie stromführende Kabel - dick isoliert durch die lipidhaltige Myelin- oder Markscheide. Gebildet wird diese Isolierschicht aus Gliazellen, die sich mehrfach um den dünnen Fortsatz wickeln. Den gesamten Nervenfortsatz entlang ist eine solche Hüllzelle neben der anderen um die Faser gewickelt, wobei jeweils zwischen zwei Zellen eine kleine Stelle ausgespart bleibt: der Ranvier‘sche Schnürring. Nur an diesen Stellen kann sich jeweils das Aktionspotenzial aufbauen. Auf diese Weise geht die Weiterleitung der Impulse in Sprüngen vor sich: von einer nicht umhüllten Stelle zur nächsten, was Leitungsgeschwindigkeiten von bis zu 120 m/s ermöglicht.
Die Kontaktstellen Am Ende eines Axons befinden sich Verdickungen, die Endknöpfchen, die in die Kontaktstelle (Synapse) zu einer anderen Zelle, zum Beispiel zur nächsten Nervenzelle, einer Muskel- oder Drüsenzelle ragen. Um die Information an diese Zelle weiterzugeben, muss der elektrische Impuls zunächst in ein chemisches Signal umgewandelt. Für die Übertragung muss eine kleine Lücke, der synaptische Spalt, überwunden werden. Dies gelingt durch die Ausschüttung eines Neurotransmitters, also eines Botenstoffs wie zum Beispiel Acetylcholin oder Adrenalin, der am Axonende in Vesikeln „verpackt“ bereitgehalten wird.
Jenseits des Spalts docken die Substanzen an spezifische Rezeptoren der nachgeschalteten Zelle (an der „postsynaptischen“ Membran) an. Diese Anbindung verursacht dann bei dieser Zelle eine Änderung der Spannung über der Membran – und sofern die Änderung groß genug ist, werden die Impulse wiederum als Erregung weitergeleitet.
Steuerzentrale Gehirn Geschätzte 100 Milliarden Neuronen befinden sich, in Schaltkreisen organisiert, im Gehirn. Jede Zelle steht mit 1000 bis 10 000 anderen in Verbindung. Diese vielfältige Interaktion von Zellen miteinander, ihre komplexe Vernetzung über Synapsen ist es, die die enorme Leistungsfähigkeit des Gehirns ausmacht. Je nach Benutzung der „Pfade“ werden bestehende Kontakte schwächer oder stärker – das heißt, ein einzelnes Aktionspotenzial, das an der Synapse ankommt, ruft im postsynaptischen Neuron eine stärkere Antwort hervor – Prozesse, die sich beim Lernen abspielen.
Gefühle, Erinnerungen, die Bewertung und Verarbeitung neuer Informationen – um die vielen unterschiedlichen Aufgaben zu lösen, passt sich das Gehirn ständig an (neuronale Plastizität). Daher können nach Schädigung bestimmter Hirnareale (z. B. Schlaganfall) andere Teile die betreffende Funktion übernehmen.
Wie entstehen neue Synapsen? Man geht davon aus, dass auch beim Erwachsenen Nervenzellen ständig kleine Fortsätze in verschiedene Richtungen bilden – quasi auf Kontaktsuche. Eine Synapse entwickelt sich nur dann, wenn sich ein passender Partner findet. Ist dies der Fall, werden bestimmte Eiweiße, Adhäsionsmoleküle, zu der Stelle transportiert, die helfen, die Verbindung zu stabilisieren.
Den im Gehirn in großer Zahl vorhandenen kleineren Gliazellen hat man früher neben der schon erwähnten elektrischen Isolation in erster Linie eine Stützfunktion zugesprochen. Heute nimmt man an, dass auch sie für die Erregungsleitung unverzichtbar sind: So sollen sie an der Synapsenbildung beteiligt sein. Außerdem spielen sie eine Rolle bei der Reparatur von verletztem Nervengewebe, indem sie sich beispielsweise Zellreste einverleiben und sie so beseitigen.
Hier finden Sie die restlichen Teile der Körperzellen-Reihe:
Teil 4: Muskeln
Teil 3: Binde- und Stützgewebe
Teil 2: Grundsätzliches
Teil 1: Spezialisierung
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/14 ab Seite 54.
Waltraud Paukstadt, Dipl. Biologin