Gerste © IakovKalinin / iStock / Thinkstock
Die Gerste bildet als Fruchtstand eine Ähre mit in Reihen stehenden Ährchen, die meist nur eine Blüte bilden. © IakovKalinin / iStock / Thinkstock

Kulturpflanzen

DIE ÄLTESTE

Gerste ist in Deutschland bezogen auf ihre Anbaufläche nach Weizen und Mais die drittwichtigste Kulturpflanze. Sie findet vor allem zum Bierbrauen und als Tierfutter Verwendung.

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Die Gerste (Hordeum vulgare L.) gehört innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae) zu der 32 Arten umfassenden Gattung der Gersten (Hordeum), von der sie als einzige Art kultiviert wurde. Sie ist eine anspruchslose und anpassungsfähige Pflanze, die auf einfachen Böden, bei rauen Wetterbedingungen und selbst in Hochlagen gedeiht.

Botanische Merkmale Die einjährige Pflanze wird etwa 0,5 bis 1,3 Meter hoch. Der aufrechte, glatte Halm ist hohl und im Wind sehr standfest. Er trägt an seinen Knoten wechselständig einfache, parallelnervige Laubblätter, die aus der Blattspreite und der Blattscheide bestehen. Die Blattspreite ist das eigentliche Blatt, das 9 bis 25 Zentimeter lang und 0,6 bis 2 Zentimeter breit ist. Die Blattscheide umfasst den Halm vollständig und ist mit zwei langen, unbewimperten Blattöhrchen versehen.

Die Gerste bildet als Fruchtstand eine Ähre mit in Reihen stehenden Ährchen, die meist nur eine Blüte bilden. Die Deckspelzen laufen bei den meisten Sorten in langen Grannen (8 bis 15 Zentimeter) aus. Es gibt auch grannenlose Gerste und solche mit kurzen Fortsätzen (Kapuzengerste). Im reifen Zustand neigen sich die Ähren oder hängen herab. Die enthaltenen Gerstenkörner sind etwas länglicher als die des Weizens und zeichnen sich durch spitz zulaufende Enden aus. Botanisch handelt es sich wie beim Weizen und Roggen um einsamige Schließfrüchte (Karyopsen).

Große Formenvielfalt Anhand der Ähren wird die Getreideart in unterschiedliche Formen unterteilt. Bei der zweizeiligen Gerste entwickelt sich pro Ansatzstelle ein kräftiges Korn, das viel Stärke und wenig Protein enthält. Da die Körner in zwei Kornreihen angeordnet sind, erscheint die Ähre zweizeilig. Diese zweizeilige Gerste wird meist als Sommergetreide angebaut und zur Bierherstellung verwendet. Bei der mehrzeiligen Gerste entstehen pro Ansatzstelle zwei oder drei Körner, die aber schwächer und unregelmäßiger ausgebildet sind.

Da sie sich auch in zwei Kornreihen gegenüberstehen, resultieren vier- oder sechszeilige Formen. Dabei handelt es sich überwiegend um proteinreiche Wintergerste, deren Erträge höher sind und die als Tiernahrung dient. Sowohl zwei- als auch mehrzeilige Gerste gibt es als bespelzte (Spelzgerste), aber auch als nacktkörnige Formen (Nacktgerste). Obwohl die Spelzgerste erst in einer Schälmühle entspelzt werden muss und beim Entspelzen wertvolle Nähr- und Vitalstoffe verloren gehen, ist sie weltweit am meisten verbreitet. Zunehmend gewinnen aber Neuzüchtungen von Nacktgersten an Bedeutung.

Wichtige Nahrungspflanze Die Gerste gilt als älteste Getreideart, die der Mensch zusammen mit Emmer und Einkorn in Kultur genommen hat. Wie archäologische Funde zeigen, wurde sie bereits ab der frühesten Jungsteinzeit, also vor etwa 10 000 Jahren, in Vorderasien angebaut, weshalb die Gerste häufig auch als Urkorn bezeichnet wird. Von dort gelangte sie mit den ackerbaubetreibenden Völkern der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa.

Die antiken Hochkulturen züchteten die Gerste gezielt als Grundnahrungsmittel. Sie kochten vor allem Brei und Grütze und brauten Bier. In kargen Gebieten, in denen keine anderen Getreidearten gediehen, wurden aus Gerstenmehl auch Fladenbrote gebacken. Bei den alten Griechen und Germanen war das Getreide zudem Bestandteil religiöser Zeremonien. Es diente als Opfergabe oder wurde Toten als Wegzehrung mitgegeben. Im Mittelalter wurde bei uns die Gerste als Speisegetreide vom Roggen und Weizen abgelöst.

Da die Gerste aufgrund der fehlenden quellfähigen Klebereiweiße schlechte Backeigenschaften aufweist, diente sie zunehmend weniger zum Backen. Vielmehr war sie ein hochwertiges Futtermittel für Nutzvieh. Auch heute werden etwa 70 Prozent der Ernte als Tierfutter (vorwiegend für die Schweinefütterung) verwendet, insbesondere die Wintergerste, die relativ viel Eiweiß enthält.

Flüssiges Brot Vor allem in Gegenden, in denen kein Wein wächst, schätzte man zunehmend die Gerste zum Bierbrauen. Das anspruchslose Getreide - vor allem die zweizeilige Sommergerste - ließ sich quasi überall anbauen und zu Malz verarbeiten, das die Grundlage für die Biererzeugung darstellt. Im 8. Jahrhundert entstanden erste Klosterbrauereien, die seit dem 12. Jahrhundert dem Bier noch Hopfen zusetzten, wodurch das Bier nicht nur schmackhafter, sondern auch haltbarer wurde.

Neben der weiterhin verbreiteten Braukunst dient Gerste heute noch der Herstellung von Whisky, dem auch meist gemälzte Gerste als Ausgangsstoff zugrunde liegt (Malt Whisky). Gerstenmalz ist außerdem Rohstoff für koffeinfreien Kaffeeersatz (Malzkaffee) und kommt als natürlicher Farb- und Aromastoff beim Brotbacken zum Einsatz.

Lebens- und Heilmittel In deutlich geringerem Ausmaß wird Gerste für die menschliche Ernährung in kleinen Mengen gemeinsam mit anderen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel oder Roggen in Mehrkornbroten verbacken. Zudem wird das Gerstenkorn zu Graupen (gebrochen, geschliffen), Grütze (grob geschnitten) oder Flocken (wärmebehandelt, gewalzt) verarbeitet.

Der Nährwert wird durch die mechanische Bearbeitung zwar verringert, aber es können daraus besonders leicht verdauliche und magenfreundliche Erzeugnisse hergestellt werden. Beispielsweise dient Gerstenschleim aus Graupen oder Gerstengrütze als Heilnahrung bei diversen Magen-Darm-Erkrankungen. Produkte aus Gerste werden zudem zur Senkung des Cholesterinspiegels empfohlen, wofür der lösliche Ballaststoff Beta-Glucan verantwortlich gemacht wird.

Gerstenkorn in der Apotheke Früher bildete in Europa das Gerstenkorn die Grundlage für die inzwischen ungebräuchliche Gewichtseinheit Gran, die in der Apotheke als Gewichtseinheit für Arzneimittel Verwendung fand. Dabei entsprachen 1 Pfund (Apothekergewicht) = 12 Unzen = 96 Drachmen = 288 Skrupel = 5760 Gran. Im deutschen Geltungsbereich wurde das Apothekergewicht erst 1872 durch das Gramm ersetzt.

Heute wird in Apotheken häufig nach Augensalben oder -tropfen gegen Gerstenkörner gefragt. Beim Gerstenkorn (Hordeolum) handelt es sich um eine bakterielle Entzündung von Talg- und Schweißdrüsen im Augenlid, die auch noch in anderen europäischen Sprachen als Gerstenkorn bezeichnet wird (z. B. grain d’orge (franz.), barleycorn (engl.)).

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 32.

Gode Chlond, Apothekerin

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