Menschen am Faden © SergeyNivens / iStock / Getty Images
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Parasiten

DER FEIND IN MEINEM KOPF

Parasiten können neben körperlichen Krankheiten auch psychische Probleme hervorrufen, nämlich dann, wenn sie ins Gehirn eindringen und dort als Neuroparasiten bestimmte biochemische Abläufe manipulieren.

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Manche Parasitenarten manipulieren das Verhalten ihrer Wirte, sodass diese eine leichte Beute sind. Ziel dabei ist, dass der Parasit vom Jäger mitgefressen wird, um in diesem den nächsten Schritt seiner Entwicklung abschließen zu können. Wie etwa der kleine Leberegel, der eine Ameise als Zwischenwirt hat. Seine Larven dringen in ihr Nervensystem ein und manipulieren ihr Verhalten, sodass sie auf einen Grashalm klettert und sich dort festbeißt. Dadurch wird sie von den Endwirten des Egels wie Ziegen oder Schafen beim Weiden mitgefressen und der Parasit kann seinen Zyklus neu beginnen. Eine bestimmte Bandwurmart (Schistocephalus solidus) wechselt den Wirt mehrere Male und macht dabei jeden Zwischenwirt zur Marionette.

Als erstes lassen sich die Larven von einem Krebs fressen, in dem sie zwei Wochen lang wachsen. Dann verändern sie den Hormonhaushalt des Krebses so, dass dieser zum Draufgänger wird – und somit zur leichten Beute für Fische, den nächsten Zwischenwirt der Würmer. Im Fisch reifen sie weiter heran, und wenn die Zeit gekommen ist, wird dieser so manipuliert, dass er nah an der Oberfläche schwimmt und von einem Vogel gefressen wird – dem Endwirt des Bandwurms. In der Natur kennt man viele solcher schmarotzenden Willensbrecher. Lange Zeit dachte man, sie würden nur Tiere befallen beziehungsweise sie könnten dem Menschen als Fehlwirt nicht gefährlich werden. Doch neuere Studien zeigen: Parasiten können auch die menschliche Psyche beeinflussen.

Gesundes Immunsystem kann schützen eder zweite Mensch wird im Laufe seines Lebens Opfer invasiver Gehirnparasiten. Sie können mit der Nahrung aufgenommen werden oder auch als Larven über kleinste Hautläsionen eindringen, zum Beispiel beim Baden in verseuchten Gewässern. Es gibt sogar Wurmarten, die Enzyme absondern, mit denen sie die Proteine in der Haut ihrer Opfer abbauen und sich damit Eintrittspforten in den Organismus schaffen. Meist ist das Immunsystem des Betroffenen stark genug, die Schmarotzer direkt nach dem Eindringen abzufangen und zu eliminieren. Ist das Immunsystem jedoch zu schwach, gelingt es den Parasiten, ins zentrale Nervensystem vorzudringen. Haben sie Nervengänge und Gehirn erst einmal befallen, können sie sich stark vermehren und dann im menschlichen Organismus ein genauso böses Spiel betreiben wie in ihren tierischen Zwischenwirten.

Häufig unbemerkt Ein gut erforschtes Beispiel dafür ist Toxoplasma gondii, ein etwa fünf Mikrometer großer, bogenförmiger Einzeller, dessen Endwirt die Katze ist. Als Zwischenwirte dienen andere Wirbeltiere, unter anderem die Maus. Hauskatzen in Deutschland sind zu zwei Dritteln mit Toxoplasma gondii infiziert. Bei den Tieren löst der Erreger so gut wie nie Symptome aus, allerdings scheiden Katzen seine sehr widerstandsfähigen Eier (Oozysten) bei der Erstinfektion mit dem Kot aus. Danach sind sie meist lebenslang immun gegen eine Neuinfektion. Menschen können sich einerseits über das Schmusen mit ihren Katzen, aber auch durch das Einatmen der Erreger in kontaminierter Erde (z.B. im Garten) anstecken. Tatsächlich ist die Bevölkerung weltweit mit Toxoplasma gondii durchseucht; in Deutschland trägt jeder Zweite den Erreger in sich.

Auch beim Menschen zeigt er lange keine Symptome, bei 90 Prozent der Infizierten bricht nie eine akute Toxoplasmose aus. Diese ähnelt einem grippalen Infekt mit Kopf- und Gliederschmerzen, Schwellung der Lymphknoten vor allem im Halsbereich sowie Fieber und Abgeschlagenheit. Gefährlich war der Erreger hingegen schon immer für Schwangere, denn er kann das Ungeborene massiv schädigen, bis hin zum Tod. Bisher wusste man, dass Toxoplasma gondii seine Zwischenwirte so manipuliert, dass sie ihr Verhalten zu seinen Gunsten ändern. Das gelingt, in dem die Erreger bestimmte Immunzellen (dendritische Zellen) als trojanisches Pferd nutzen.

In ihnen verborgen gelangen sie unbemerkt über die Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem. Dort angekommen verändern die Parasiten die Ausschüttung von Botenstoffen und greifen unter anderem in den Dopamin-Signalweg ein. In der Folge wird die Risikobereitschaft des Zwischenwirtes, zum Beispiel einer Maus, heraufgesetzt. Gleichzeitig wird ihr Hormonhaushalt noch weiter manipuliert, denn plötzlich riecht Katzenurin unwiderstehlich gut. Die Maus läuft ihrem Fressfeind quasi freiwillig ins Maul – und der Parasit hat seinen Endwirt erreicht.

Auch beim Menschen? Mittlerweile ist man sich sicher, dass der Parasit ähnliche Verhaltensmuster auch beim Menschen auslösen kann. Eine Psychose, wie zum Beispiel die Schizophrenie, kommt bei Menschen mit Toxoplasma-Antikörpern dreimal häufiger vor als bei Nichtinfizierten. Ebenso ist die Zahl von Angststörungen, Depressionen und Selbstmorden bei Menschen mit einer latenten Toxoplasmose-Infektion deutlich höher. Dabei scheint der Parasit geschlechtsspezifisch unterschiedlich zu wirken: Während befallene Frauen eher ängstlicher werden, zeigen sich Männer aggressiver.

Die Beeinflussung der Hirnchemie scheint auch die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit einzuschränken: So verursachen Infizierte dreimal so viele Autounfälle wie Nichtinfizierte. Doch warum funktioniert die Toxo-Taktik im Menschen überhaupt? Schließlich ist er als Fehlwirt dem Erreger keine Hilfe. Im Gegenteil: Stirbt der Mensch durch den Befall, hat sich der Parasit selbst eine entwicklungstechnische Einbahnstraße geschaffen. Forscher glauben daher, dass die Mechanismen des Parasiten noch aus der Zeit stammen, in der Menschen Opfer von Großkatzen wurden – und diese waren, wie die heutigen Hauskatzen – ein Endwirt des Erregers.

Psycho-Parasiten Toxoplasma gondii ist nicht der einzige Parasit, der Menschen seinen Willen aufzwingt. Spulwürmer, von denen Hunde häufig betroffen sind, können Menschen ebenfalls infizieren und ins Gehirn vordringen. Auch sie lösen dann psychische Veränderungen aus, zum Beispiel übermäßige Aggressivität, narzisstisches oder asoziales Verhalten, aber auch Ängste und sogar Demenz. Der Schweinebandwurm ist ebenfalls ein großer Manipulator. Sind seine Finnen auf ihrem Weg entlang der Nervenbahnen im Gehirn angekommen, können sie migräneartige Kopfschmerzen und manchmal sogar epileptische Anfälle auslösen. Etwa 50 Millionen Menschen leiden weltweit an einem solchen Befall, Neurozystizerkose genannt.

Kombinationstherapie Häufig werden invasive Gehirnparasiten beim Menschen nicht erkannt. Man behandelt bei Betroffenen jahre-, manchmal lebenslang nur die Symptome. Wer unter unerklärlichen Kopfschmerzen, immer wiederkehrender Übelkeit oder psychischen Problemen leidet, kann mit einer Liquor-Untersuchung abklären lassen, ob womöglich Neuroparasiten die Ursache sind, denn diese sind im Gehirnwasser nachweisbar. Die Therapie besteht dann aus einer Kombination von Antibiotika mit antiparasitären Medikamenten. Da sich die Parasiten aber häufig in die Zellen zurückziehen, kann eine Therapie sehr langwierig sein.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/18 ab Seite 64.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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