„Manchmal sind die Augen größer als der Magen“ – sagt man. Über Dehnungsrezeptoren wird dem Gehirn gemeldet, dass sich etwas im Magen befindet. Ein richtiges Sättigungsgefühl erhält man aber erst, wenn dieser Inhalt auch Kalorien enthält. Arturkurjan / 123rf.com

Neurowissenschaft | Essverhalten

DEM HUNGERGEFÜHL AUF DER SPUR

Braucht der Körper Nahrung, um all seine biologischen Funktionen optimal aufrecht zu erhalten, bekommen wir Hunger. Uns wird vermittelt: Iss` endlich was! Wenn es so einfach ist, wie kommen dann Fehlernährungen und starkes Übergewicht zustande? Bei der Regulation von Hunger- und Sättigungsgefühl geht es wohl doch etwas komplexer zu. Neue Erkenntnisse hierzu lieferten US-amerikanische Forscher.

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Bereits bekannt ist, dass sich ein Hunger- und Sättigungszentrum im Hypothalamus befindet. Über bestimmte Rezeptoren und Stellgrößen laufen alle nötigen Informationen über den Ernährungszustand des gesamten Körpers zusammen. Als Auslöser für den Hungerreiz gelten unter anderem die Glucose-Konzentration im Blut, der Insulinspiegel oder die Leptinfreisetzung aus den Fettzellen. Eine hormonelle Beteiligung gilt demnach als gesichert, wenn auch noch nicht genau klar ist, in welchem Ausmaß. Bei früheren Untersuchungen konnte bereits die Beteiligung der AgRP-Neuronen (Agouti-related peptide) an der Regulation gezeigt werden. Nun konzentrierten sich die Forscher auf die zeitliche Aktivität dieser Nervenzellen nach Nahrungsaufnahme am Mausmodell. Stellt sich ein Hungergefühl ein, kann die Aktivität der Neuronen gemessen werden, beim Essen, Sehen oder Riechen von Nahrung geht sie wieder zurück.

Den genauen Mechanismus wollte das Team um Nicholas Betley von der University of Pennsylvania in Philadelphia mit Hilfe eines kalorienfreien Erdbeergels an gentechnisch veränderten Mäusen, bei denen die Neuronenaktivität auch während körperlicher Tätigkeit gut gemessen werden kann, untersuchen. Da die Aktivität bereits in der Erwartung an Essen sinken kann, präsentierten sie den Mäusen mit dem Gel ihnen unbekannte Nahrung. Nach dem Fressen konnte zunächst ein kurzzeitiger Rückgang verzeichnet werden, ein richtiges „Satt-Signal“ war allerdings erst messbar, nachdem die Mäuse ein kalorienhaltiges Erdbeergel erhalten hatten. Zur langfristigen Beruhigung der Neuronen ist also der Nähstoffgehalt der Nahrung ausschlaggebend.

Welche Bedeutung können diese Beobachtungen nun für das Therapieren falschen Essverhaltens oder eine pharmazeutische Intervention haben? Dazu testeten die Forscher die Reaktion der Neuronen auf die kombinierte Gabe der Hormone Cholecystokinin, Peptid YY und Amylin. Diese Hormone werden während des Verdauungsvorgangs freigesetzt und könnten an der Informationsweitergabe an das Hungerzentrum beteiligt sein. Dies bestätige zudem die These, dass alleinig kalorienhaltige Nahrung zu der Ausbildung eines Sättigungsgefühls beitragen kann. Tatsächlich konnten sie eine reduzierte Aktivität der AgRP-Neuronen feststellen.

Die Hormone werden zwar einzeln bereits zur Behandlung von Adipositas eingesetzt, aber aufgrund ihrer hohen notwendigen Dosierung oft nicht vertragen. Ein niedrig dosierter Kombinationscocktail könnte nach diesem Ergebnis die Lösung sein. Inwieweit dieser dann allerdings bereit für klinische Studien ist, bleibt abzuwarten. Dennoch prognostizieren die Wissenschaftler eine immer größere Bedeutung der AgRP-Neuronen-Erforschung, vor allem im Hinblick auf eine künftige Bekämpfung des steigenden Anteils krankhaft übergewichtiger Personen in der Weltbevölkerung.

Farina Haase, Volontärin, Apothekerin

Quelle: www.wissenschaft.de

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