Zwei Hände halten eine blaue Schleife
Mit der blauen Schleife kann man seine Solidarität gegenüber Darmkrebsbetroffenen ausdrücken. © Andrei Orlov / iStock / Getty Images Plus

Onkologie | Darmmikrobiom

DARMKREBS DURCH TOXISCHE E.COLI-STÄMME

Escherichia coli-Bakterien produzieren mitunter Toxine, die der Gesundheit schaden können. Eine Studie konnte nun zeigen, dass dies auch nachhaltig der Fall sein könnte. Erstmalig wiesen die Forscher krebsfördernde Mutationen infolge einer mikrobiellen Besiedelung nach. Was bedeutet das für Probiotika-Empfehlungen?

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Dass die Zusammensetzung der Darmmikrobiota einen Einfluss auf unsere Gesundheit hat, gilt mittlerweile als nachgewiesen, auch wenn noch viel Forschung nötig ist. Und wie viel, das zeigt das folgende Beispiel. Denn während von Helicobacter pylori zwar bereits bekannt ist, dass sein Nachweis mit einem erhöhten Magenkrebs-Risiko in Verbindung steht, tappt man bei mikrobiellen Auslösern für Darmkrebs noch im Dunkeln. Doch zeigten neuere Studien, dass Darmkrebs-Patienten ein auffälliges Besiedelungsmuster aufweisen, häufig mit solchen Bakterien, die karzinogene Substanzen produzieren.

Dazu zählen auch Colibaktin-produzierende E.coli-Stämme. Das Toxin schädigt die DNA und kann Mutationen begünstigen. Die Stämme nennt man dann pks+ E.coli. Wie sich eine Infektion langfristig auf die Darmgesundheit ausübt, interessierte Cayetano Pleguezuelos-Manzano vom Hubrecht Institut in Utrecht und seine Kollegen. Also züchteten sie Miniaturdärme in Petrischalen und setzten sie über fünf Monate hinweg immer wieder pks+ E.coli aus. Das Genom der Minidärme wurde im Vorfeld und nach Abschluss des Versuchs sequenziert. Nach der Keim-Konfrontation zeigten die Epithelzellen doppelt so viele Schäden wie die Kontrollreihe, die lediglich mit harmlosen E.coli-Stämmen infiziert wurde. Außerdem konnten sie einen regelrechten Colibaktin-Fingerabdruck identifizieren, also ein spezifisches Muster, das das Toxin in der DNA hinterlässt. Und dieses lässt auf potenziell schädliche Mutationen schließen.

Eine anschließende Datenauswertung menschlicher Genome zeigte: „In mehr als fünf Prozent der Darmtumore konnte der mutagene Fußabdruck deutlich nachgewiesen werden, während er in weniger als 0,1 Prozent der anderen Krebsarten vorkam“, berichtet Pleguezuelos-Manzanos Kollege Jens Puschhof. „Auch krebserregende Einflüsse wie Tabak oder UV-Strahlung hinterlassen spezifische Mutationsmuster in der DNA. Doch nie zuvor haben wir bei Darmkrebs Muster entdeckt, die auf Bakterien zurückgehen, die in unserem Körper leben“, konstatiert Gruppenleiter Hans Clevers. Ähnliche Ergebnisse zeigte die Analyse von Mund- oder Blasentumoren – Organe, von denen ebenfalls bekannt ist, dass sie durch E.coli fehlbesiedelt sein können. Der Gruppenleiter macht aber auch noch auf eine weitere Besonderheit aufmerksam: „Es werden Probiotika vermarktet, die genotoxische Stämme von E. coli enthalten.“ „Diese Stämme sollten im Labor kritisch neu bewertet werden. Als Probiotika mögen sie Linderung für manche kurzfristigen Symptome bewirken. Jedoch könnten sie Jahrzehnte nach der Behandlung zur Krebsentstehung führen.“

„Die Studie liefert klare Belege für eine ursächliche Rolle von pks+ E. coli-Bakterien bei der Entstehung mancher Darmkrebsformen und legt so zusammen mit vielen früheren Studien nahe, dass ein besseres Verständnis bakterieller Prozesse bei der Krebsentstehung auch neue Möglichkeiten für Prävention und Therapie eröffnen wird“, kommentiert Georg Zeller vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Von etwa 20 Prozent der Bevölkerung ist die Besiedelung mit diesen Keimen bekannt. Könnte man sie mit Hilfe von Screenings identifizieren und beispielsweise durch eine gezielte Antibiotika-Gabe entfernen, würde dies neue Möglichkeiten in der Vorbeugung von Darmkrebs bedeuten. Doch so weit ist man noch lange nicht, weitere Forschung ist dringend nötig. Denn noch ist nicht geklärt, ab wann unter welchen Bedingungen die Infektion wirklich zu Darmkrebs führt oder warum manche zwar Keimträger sind, aber nicht krank werden.

Farina Haase,
Apothekerin/Online-Redaktion

Quelle:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/foerdern-e-coli-bakterien-darmkrebs/ 

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