Wirkstoffe – historisch beleuchtet
D WIE DIAZEPAM
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Die Verbindungsklasse der Benzodiazepine wurde von dem 1908 als Apothekersohn in Abbazia geborenen Leo Henryk Sternbach begründet. Er hatte in Krakau Pharmazie und Chemie studiert und war aufgrund seiner jüdischen Herkunft seit 1941 in New Jersey für Hoffmann-La Roche tätig.
Ab 1954 befasste er sich dort mit der Entwicklung neuartiger Tranquilizer. Eine bereits in den frühen 1930er-Jahren gefundene Verbindungsklasse, die für Benzoheptoxdiazine gehalten wurden, diente dabei als Grundlage. Tatsächlich handelte es sich jedoch um Chinazolin-3-oxide, wie Sternbach im Verlauf von Synthesestudien feststellte.
Zufallsfund und Durchbruch Die zunächst synthetisierten und pharmakologisch untersuchten Verbindungen zeigten allerdings keine Tranquilizer-Wirkung. Erst eine von Sternbachs Mitarbeiter Earl Reeder bei Aufräumarbeiten zufällig gefundene kristallisierte Base, die er vom Pharmakologen Lowell Orlande Randall testen ließ, wies bei den Laboratoriumstieren hervorragende zähmende Eigenschaften auf. Sie wurde – dank guter Kontakte zum Zoo in San Diego in Kalifornien – sogar an wilden Tieren, wie bengalischen Tigern, geprüft.
Die neue Verbindung bewies bessere pharmakologische Wirksamkeit als das 1950 erstmals hergestellte und 1955 in den USA auf den Markt gekommene Vergleichsanxiolytikum Meprobamat, während die hypnotischen Eigenschaften sowie der Einfluss auf das autonome Nervensystem im Vergleich zu den gegen schizophrene Psychosen angewandten Substanzen Reserpin und Chlorpromazin kaum ausgeprägt waren. Zunächst wurde die neue Substanz Methaminodiazepoxid, dann Chlordiazepoxid genannt. Sie war das erste wirksame Benzodiazepin und wurde 1960 unter der Bezeichnung „Librium“ in die Therapie eingeführt.
Sternbach erforschte die Benzodiazepingruppe weiter und hatte schon 1959 als nächsten Wirkstoff Diazepam entwickelt. Offiziell war dies das zweite Benzodiazepin und wurde von Roche vier Jahre später, also 1963, unter der Bezeichnung „Valium“ auf den Markt gebracht. Der gewählte Name „Valium“ leitet sich vom lateinischen Verb „valere“, also gesund oder stark sein, sich wohlfühlen, ab. Ab 1969 verdrängte Diazepam das erstentwickelte Benzodiazepin Chlordiazepoxid deutlich in den Abverkaufszahlen und zählte seit den 1970er Jahren bis ins neue Jahrtausend hinein zu den am häufigsten verordneten Psychopharmaka.
Die meisten heute auf dem Markt befindlichen Benzodiazepine leiten sich von Diazepam beziehungsweise dessen Metaboliten ab. Die Anwendungsgebiete Diazepam ist ein Benzodiazepin mit relativ langer Halbwertszeit und wird insbesondere als Psychopharmakon zur Behandlung von akuten Angst, Erregungs-, Spannungs- und Unruhezuständen, aufgrund antikonvulsiver Wirkung auch in der Therapie epileptischer Anfälle, seltener als Schlafmittel angewandt. Da psychische und körperliche Abhängigkeit bei einer Langzeittherapie häufig auftreten, sollte der Wirkstoff heute primär nur noch in der Akuttherapie für etwa vier bis sechs Wochen zum Einsatz kommen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Diazepam als unentbehrliches Medikament ein, die Substanz ist somit in der Liste enthalten, welche zum Ziel hat, weltweit allen Menschen den Zugang zu den notwendigen Medikamenten zu sichern.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/11 auf Seite 20.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin