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Repetitorium

BRUSTKREBS – TEIL 2

Die Behandlung des Mammakarzinoms ist sehr komplex. Eine leitliniengerechte Therapie mit Schwerpunkt auf dem medikamentösen Behandlungsregime ist essenziell. Primäres Ziel ist die vollständige Entfernung des Tumors und die Verhinderung eines Rückfalls.

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Im Gegensatz zu früher, als Brustkrebs nur lokal behandelt wurde, wird die Erkrankung heute als Systemerkrankung angesehen und auch als solche therapiert. So sollen spätere Rezidive und das Auftreten von Fernmetastasen durch eventuell vorhandene Mikrometastasen reduziert werden. Neben der Heilung (wenn noch keine Metastasierung eingetreten ist) sind der Erhalt der betreffenden Brust und vor allem der Lebensqualität erklärtes Ziel der medizinischen Behandlung. Liegen schon Fernmetastasen vor, so steht das Zurückdrängen des Tumors im Vordergrund, um tumorbedingte Beschwerden zu mindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Leitliniengerechte Behandlung Die Therapie wird heute möglichst leitliniengerecht (aktuelle S-3-Leitlinie Brustkrebs) bei gleichzeitiger Individualisierung auf den betroffenen Patienten vorgenommen. Letzteres bedeutet: Neben den Tumorcharakteristika (siehe Repetitoriumsteil 1: die Brustkrebsgesichter – Tumorklassifizierung) spielen Alter, allgemeiner Gesundheitszustand, also etwa weitere Begleiterkrankungen und Wünsche der Betroffenen eine relevante Rolle.

In die Behandlung eines Mammakarzinoms sind dabei auch unterschiedliche Fachärzte eingebunden, insbesondere Gynäkologen, Onkologen, Chirurgen, Pathologen und Strahlentherapeuten. Sie stimmen sich untereinander ab (Tumor-Board, eine interdisziplinäre Konferenz), um die Vorgehensmöglichkeiten, die einzelnen Schritte der empfohlenen Behandlung mit dem Patienten anschließend zu besprechen.

Gerade bei Brustkrebs geht die Forschung rasant voran. Neue Medikamente werden entwickelt, neue Kombinationen und Strategien bei der Behandlung in zahlreichen Studien erprobt. Viele Brustkrebszentren bieten neben der leitliniengerechten Standardtherapie die Teilnahme an klinischen Studien an, was für die Betroffenen die Möglichkeit auf eine noch bessere Therapie als den derzeitig anerkannten Standard eröffnet.

Zur Brustkrebsbehandlung werden zudem verschiedene Therapieverfahren miteinander kombiniert: Operation, Strahlentherapie, medikamentöse Behandlung (Anti-Hormontherapie, Chemotherapie, zielgerichtete Therapien gegen bestimmte Zellmarker, unter anderem mit Antikörpern). Unentbehrlich ist und bleibt die Operation, also Entfernung des bösartigen Tumorgewebes. Die Frage ist dabei aber häufig: Wann wird das bösartige Tumorgewebe entfernt? Wird sofort operiert? Oder zunächst medikamentös therapiert?

Vielfach wird heute bei der Brustkrebs-Behandlung neoadjuvant gearbeitet, das bedeutet: Statt den Tumor sofort per Operation zu entfernen, werden zunächst Medikamente (meist Chemotherapeutika, humanisierte Antikörper) gegeben. Großer Vorteil: Deren Wirkung auf den Tumor kann überprüft werden. Es kann erkannt werden, ob die medikamentöse Behandlung anschlägt.

So kann eine geeignete Chemo-/Anti-Hormon-/Antikörpertherapie im Vorfeld nicht nur im Körper schon zirkulierende Krebszellen unschädlich machen, sondern auch den Tumor womöglich verkleinern, im Bestfall ganz zum Verschwinden bringen. Angestrebt wird heute – wo immer möglich – eine brusterhaltende Therapie. Noch vor einigen Jahren übliche Mastektomien (Brustentfernungen) sind selten geworden. Die Amputation ist nur dann nicht zu vermeiden, wenn sich Tumorgewebe in der ganzen Brust oder an verschiedenen Stellen befindet.

Nachfolgend wird ein Überblick über die medikamentöse Therapie der primären Brustkrebserkrankung, die systemisch, also im ganzen Körper wirkt und dabei nachweislich Rückfall- und Überlebensrate senkt, geliefert. Die medikamentöse Behandlung erfolgt hierbei in Form von endokriner Therapie (Anti-Hormon-Behandlung), Chemotherapie, Anti-HER2-Antikörpertherapie oder in einer Kombination beziehungsweise Sequenz dieser Therapieformen vor oder nach der Operation.

Anti-Hormon-Therapie Frauen mit einem Hormonrezeptor- positiven Tumor haben bei Brustkrebs bessere Aussichten. Metastasen treten seltener und wenn, dann später auf. Zudem existiert mit einer antihormonellen Behandlung, die allerdings meist fünf bis zehn Jahre dauert, eine maßgeschneiderte, da zielgerichtete Therapie. 70 bis 80 Prozent aller Mammakarzinome haben diese Hormonsensibilität – in unterschiedlicher Ausprägung. Bei hormonsensiblen Tumoren wirkt Estrogen praktisch wie ein Dopingmittel, das die Tumorzellen zur vermehrten Teilung anregt.

Anti-Estrogene stoppen nicht die Estrogen-Produktion, aber dessen Wirkung auf die Tumorzellen. Faktisch besetzen die Anti- Estrogene (auch SERMS: Selective Estrogen Receptor Modulators) die Rezeptoren der hormonabhängigen Tumorzellen, an die sonst die Estrogene binden und den Wachstumsreiz auslösen. Ist der Rezeptor blockiert, können Estrogene nicht mehr andocken und somit keine Wirkung entfalten. Zu den Anti-Estrogenen gehören Estrogenrezeptor- Antagonisten (Wirkstoffe etwa: Tamoxifen; Toremifen, Raloxifen; Fulvestrant) sowie Aromatasehemmer (Wirkstoffe etwa: Anastrozol, Letrozol, Exemestan).

Letztere blockieren das Enzym Aromatase, dass für die Umwandlung der Estrogen-Vorstufen in Estrogen verantwortlich ist. Bei prämenopausalen Patientinnen, also bei Frauen vor den Wechseljahren, ist laut S-3-Leitlinie Tamoxifen die Anti- Hormontherapie der Wahl. Es handelt sich hierbei um ein „Vorstufenmedikament“, ein Prodrug, das nur bei optimaler CYP2D6-Enzymaktivität auch optimal in der Leber zur Wirkform Endoxifen verstoffwechselt wird. Dies kann per humangentischer Analyse (Bluttest mithilfe eines Genchips) getestet werden (Selbstzahlerleistung). Ansonsten gilt: Die Gabe von 20 Milligramm pro Tag als Tablette soll über fünf Jahre beziehungsweise bis zum Rezidiv erfolgen.

Bei postmenopausalen Frauen, also Frauen nach der Menopause, sind Aromatasehemmer der dritten Generation dem Tamoxifen hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens überlegen. Insgesamt können dabei verschiedene endokrine Therapieschemata zum Einsatz kommen, die durchaus eine auf bis zu zehn Jahre verlängerte Gesamttherapiezeit beinhalten. In den USA zur Brustkrebs-Prävention zugelassen ist neben Tamoxifen zudem Raloxifen, ein selektiver Estrogen-Rezeptor- Modulator.

In Deutschland hat dieser Wirkstoff bisher offiziell nur eine Zulassung zur Osteoporose-Therapie bei Frauen in der Postmenopause. Estrogenrezeptor-Antagonisten: Tamoxifen wird auch zur Palliativbehandlung metastasierter hormonsensitiver Mammakarzinome verwendet. Die Nebenwirkungen: Der Hormonentzug versetzt den Körper in künstliche Wechseljahre. Jüngere Frauen müssen deshalb mit mehr oder weniger starken klimakterischen Beschwerden rechnen, etwa Hitzewallungen, Wasserretention, Schweißausbrühe, Kopfschmerzen, trockene Scheidenschleimhaut mit Juckreiz, sowie Depressionen.

Auch Störungen im Gastrointestinaltrakt (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö), Sehstörungen bis hin zum Katarakt (Trübung der Augenlinse, „Grauer Star“), Vaginalblutungen und Thromozytopenien (verminderte Thrombozytenzahl) können auftreten, sind aber vergleichsweise selten und meist nicht schwerwiegend. Durch die reaktive Mehrausschüttung an Gonadotropinen können bei prämenopausalen Frauen Ovarialzysten vermehrt vorkommen. Das Risiko eines Endometriumkarzinoms (Gebärmutterschleimhautkrebs) ist geringfügig erhöht. Insgesamt gilt jedoch: Tamoxifen wird von den meisten sehr gut vertragen.
 

HINTERGRUND
Die Anti-Hormontherapie findet in der Regel nach der Operation statt, also adjuvant. Bei erhöhtem Rückfallrisiko wird eine Chemotherapie noch vorgeschaltet, etwa, wenn der Tumor größer als zwei Zentimeter war, Achsellymphknoten mitbefallen waren oder die Tumorzellen deutlich gesteigerte Wachstumsraten aufweisen.

Toremifen ist mit Tamoxifen strukturell eng verwandt und wird ebenfalls zur Behandlung hormonabhängiger, metastasierender Mammakarzinome eingesetzt bei Tagesdosen von oral 60 Milligramm. Fulvestrant schaltet die Estrogenrezeptoren der Tumorzellen vollständig aus, während bei Tamoxifen noch eine Restaktivität bestehen bleibt. Zudem baut die Krebszelle sogar Hormonrezeptoren ab. Es wird deshalb auch gerne als SERD (Selective Estrogen Receptor Down Regulator) bezeichnet.

Fulvestrant ist derzeit aber nur für Brustkrebs-Patientinnen nach den Wechseljahren mit fortgeschrittenem beziehungsweise metastasierendem Brustkrebs zugelassen, die zuvor schon andere Anti-Estrogene erhalten haben und bei denen die Erkrankung trotzdem weiter fortgeschritten ist. Es wird zu Beginn der Therapie dreimal im Abstand von zwei Wochen verabreicht, anschließend einmal monatlich als intramuskuläre Injektion (250 bis 500 Milligramm).

Aromatasehemmer: Die Wirkstoffe Anastozol und Letrozol hemmen das Enzym Aromatase reversibel, das steroidale Exemestan hingegen irreversibel. Sie sind nur geeignet für Frauen, die sich bereits in der Postmenopause, also nach den Wechseljahren befinden. Alle drei haben ihre gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Brustkrebs im frühen Stadium bis hin zur palliativen Therapie allerdings klar unter Beweis gestellt. Exemestan konnte in einer randomisierten Studie zudem in der Primärprävention eine relative Risikoreduktion um 65 Prozent zeigen.

Ansonsten gilt: Nach der OP wirken sie ergänzend (adjuvant), mindern das Risiko, dass erneut ein Tumor auftritt. Liegen Metastasen vor, können sie das Tumorwachstum stoppen oder verlangsamen. Sie werden einmal täglich als Tablette eingenommen. Fast alle Nebenwirkungen, die beim Anti-Estrogen Tamoxifen beschrieben wurden, treffen mehr oder weniger auch auf die Aromatasehemmer zu. Die Gefahr von Blutgerinnseln (Thrombosen, Embolien) mit schweren Folgen (Schlaganfall, Lungenembolie) sowie eines infolge der Therapie auftretenden Endometriumkarzinoms ist allerdings deutlich geringer. Hingegen treten häufiger Gelenk- (Arthralgien) und Muskelbeschwerden (Myalgien) auf.

Wirkliches Problem ist die Verringerung der Knochendichte (Osteoporose), weshalb regelmäßige Knochendichtemessungen, Gabe von Kalzium, Vitamin D und teils auch Osteoporosetherapie mit Bisphosphonaten erforderlich werden. GnRH-Analoga (Wirkstoffe: Goserelin, Leuprorelin) finden in der S-3-Leitlinie „Mammakarzinom“ keine explizite Erwähnung. Hierbei handelt es sich um die Möglichkeit vor der Menopause die körpereigene Estrogenproduktion durch die Gabe von GnRh-Agonisten (Gonadotropin-Releasing- Hormon-Analoga) schon auf der „Kommandoebene“ im Gehirn künstlich auszuschalten.

Kurzfristig angewendet, etwa bei einer Kinderwunschbehandlung, steigen die Hormonspiegel an. Bei längerer Gabe kommt via Regelkreismechanismus jedoch die Hormonbildung in den Eierstöcken zum Erliegen und die hormonellen Wachstumsimpulse auf die Tumorzellen entfallen. GnRH-Analoga werden als Depot- Medikament unter die Bauchhaut gespritzt, Goserelin einmal monatlich, das von vielen Ärzten und auch Patientinnen bevorzugte Leuprorelin (kann mit feinerer Nadel gespritzt werden) entweder monatlich oder auch in dreimonatlichen Abständen (Implantat).

Folge der Eierstockblockade sind – wie bei der Anti-Estrogen-Therapie – Wechseljahre zur Unzeit. Auch die Knochendichte verringert sich (Osteoporose-Gefahr). Nach Beendigung der Therapie können die Eierstöcke theoretisch jedoch wieder ihre Arbeit aufnehmen. Gestagene, etwa die künstlichen Gelbkörperhormone Medroxyprogesteronacetat und Megastrolacetat, setzen Ärzte nur noch in seltenen Ausnahmefällen bei Mammakarzinomen ein. Die Anti-Hormontherapie findet in der Regel nach der Operation statt, also adjuvant. Bei erhöhtem Rückfallrisiko wird eine Chemotherapie noch vorgeschaltet, etwa, wenn der Tumor größer als zwei Zentimeter war, Achsellymphknoten mitbefallen waren oder die Tumorzellen deutlich gesteigerte Wachstumsraten aufweisen.

Chemotherapie Seit mehr als 60 Jahren werden Zytostatika zur Chemotherapie bei Krebs eingesetzt. Dies sind Substanzen, die an der Erbsubstanz angreifen oder wichtige Stoffwechselablaufe bei der Zellteilung blockieren und dadurch die Zellen am Wachstum hindern, sie bestenfalls ganz zum Absterben bringen (Apoptose). Das Ziel: Tumoren werden verkleinert, winzigste Tumorabsiedelungen (Mikrometastasen), in Lymphknoten und anderen Organen zerstort.

Das Problem ist: Zytostatika wirken systemisch und nicht nur die Krebszellen (diese aufgrund ihrer hohen Teilungsrate naturlich vermehrt), sondern auch gesunde Korperzellen werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Nebenwirkungen sind je nach Chemotherapeutikum/Chemotherapieregime und naturlich je nach Betroffenem (wir sind alles Individuen) unterschiedlich stark, dennoch: Insbesondere sind alle sich schnell regenerierenden Gewebe sehr empfindlich, also Haut- und Schleimhaute, Haare und das blutbildende Knochenmark.

Fast alle Zytostatika verursachen deshalb in unterschiedlichem Ausmas vorubergehenden Haarausfall (Alopezie), Magen-Darm-Schleimhautreizungen, Appetitlosigkeit, Ubelkeit und Erbrechen, Diarrho sowie haufig im Blutbild Neutropenie, Leukopenie und Thrombozytopenie (deutliche Minderung der neutrophilen Granulozyten, der weisen Blutkorperchen und der Blutplattchen). Manche Zytostatika wirken selbst krebserregend, mutagen, also keimbahnschadigend oder schadigen das zentrale Nervensystem.

Auch Mudigkeit, Infektionen der oberen Atemwege oder eine Stomatitis, eine starke, schmerzhafte Entzundung der Mundschleimhaut . was die Essensaufnahme zusatzlich erschwert . sind haufige und typische Begleiterscheinungen. Informationen zu einzelnen relevanten Chemotherapeutikagruppen, Therapieregimes sowie zur zielgerichteten Therapie, verbunden mit Begleitmedikation und -empfehlungen beim Mammakarzinom gibt der dritte Repetitoriumsteil. 

Die meisten Patientinnen profitieren von der Chemotherapie. Bei ihnen wird das Rückfall- und Sterberisiko nachweislich gesenkt. Laut S-3-Leitlinie sollen grundsätzlich alle Patientinnen mit rezeptornegativen Tumoren derzeit eine adjuvante Chemotherapie erhalten. Auch bei jungem Erkrankungsalter (< 35 Jahre), HER2-positiven Tumoren oder etwas größeren Tumoren wird generell dazu geraten; ferner bei den 15 bis 20 Prozent "triple-negativen" Tumoren, für die es außer Chemotherapie bisher ohnehin keine zielgerichtete andere Option gibt.

Aber es gibt auch Fälle, bei denen die Betroffene von einer Chemotherapie nicht wirklich einen Vorteil gewinnt. Großes Problem ist, dies im Vorfeld zu erkennen. Bei den Zweifelsfällen empfehlen einige Experten, Biomarker-Tests (Kosten werden bisher von Gesetzlichen Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen via Einzelfallentscheidung übernommen) zur Entscheidung für oder gegen eine begleitende Chemotherapie heranzuziehen. Aber nur Patientinnen mit frühem Brustkrebs und nachgewiesen niedrigem Rückfallrisiko kann eine Chemotherapie tatsächlich erspart werden.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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