Hämophilie | Gerinnung
BLUTER HOFFEN AUF GENTHERAPIE
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Hämophilie, auch „Bluter-Krankheit“ genannt, gehört zu den seltenen Erbkrankheiten. Man unterscheidet mehrere Subtypen. Hämophilie A und B werden X-chromosomal rezessiv vererbt, weshalb es fast nur männliche Betroffene gibt: Frauen besitzen ein zweites X-Chromosom, das den Gendefekt ausgleicht, das Y-Chromosom der Männer kann dies nicht. Von Hämophilie A ist einer von 5000 bis 8000 Neugeborenen betroffenen, von Hämophilie B nur einer in 20 000 bis 30 000. Bei Hämophilie A fehlt den Betroffenen der Faktor VIII der Blutgerinnungskaskade, bei Hämophilie B ist es Faktor IX. In beiden Fällen ist dadurch die Gerinnung so stark beeinträchtigt, dass es schon bei kleinsten Verletzungen oder Stößen zu lebensbedrohlichen Blutungen kommt.
Diagnose im Kleinkindalter
Dr. Georg Goldmann, Hämatologe und Transfusionsmediziner am Bonner Hämophiliezentrum, erzählt von Schwierigkeiten bei der Diagnose: Wenn Kinder anfangen zu Krabbeln, treten häufig Blutergüsse auf. Die Eltern suchen dann meist den Kinderarzt auf. „Dabei kommt es immer wieder vor, dass Eltern zunächst bezichtigt werden, das selber verursacht zu haben.“ Eine Gerinnungsuntersuchung klärt dies dann auf.
In diesem Repetitorium erfahren Sie mehr über Gerinnungsstörungen:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Therapie im Wandel
Die Therapie der Hämophilie hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Während zunächst nur Blutspenden naher Verwandter halfen, gab es später auch Gerinnungsfaktor-Konzentrate. Die Eltern der betroffenen Kinder können diese zu Hause injizieren. Seit letztem Jahr erhalten Patienten diese Arzneimittel nicht mehr von Fachkliniken, sondern können sie über die Apotheke beziehen. Heute gibt es auch einen Antikörper, der unter die Haut injiziert wird und den Gerinnungsfaktor VIII ersetzt. Er kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn die Kinder einen Hemmkörper entwickeln – eine Art Allergie auf das Faktorkonzentrat. In Entwicklung befinden sich außerdem Gentherapien, die nicht nur lindern, sondern sogar heilen könnten.
Gentherapie
„Beim Faktor-VIII-Mangel fehlt ein Eiweiß, das zum Großteil in der Leber gebildet wird. Man schleust deshalb in die Leber ein neues Genom ein, das die Information enthält, diesen Faktor zu bilden“, erklärt Goldmann die Wirkweise. Ein harmloses Vektorvirus ermöglicht den Transport der Erbinformation.
Die Studien laufen seit Jahren, einige Präparate stehen kurz vor der Zulassung. Vor allem ältere Bluter sehnen diese Therapie laut Goldmann herbei. In den Siebzigern sei noch keine prophylaktische Behandlung möglich gewesen, erst wenn es zu einer Blutung kam, reagierte man.
Für viele Patienten ist eine Gentherapie schon ein Traum. Vor allem die älteren Patienten haben oft eine leidvolle Geschichte hinter sich.
Hoher Leidensdruck
Deshalb mussten viele Kinder Internate eigens für Hämophile besuchen. „Viele konnten in ihrer Kindheit nicht mit Freunden herumtoben und schon gar nicht Fußball spielen – stattdessen lagen sie immer wieder wochenlang im Krankenhaus“, erzählt der Arzt. „Ich erfahre im Patientengespräch nie so große Aufmerksamkeit wie in jenen Momenten, wenn ich von der Gentherapie erzähle. Viele wollen das unbedingt machen.“
Goldmann rechnet damit, in den nächsten fünf Jahren mit ausgefeilten Gentherapien starten zu können. Er hofft, dass in zehn Jahren auch Kinder sofort therapiert werden können: „Sie erhalten eine Gentherapie und reden dann nie wieder über diese Krankheit.“ Das sei natürlich ein langer Weg – aber irgendwann müsse man anfangen.
Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin
Quelle: Pharma Fakten