© nyul / 123rf.com

Pränataldiagnostik

ALLES KLAR, BABY?

Vorgeburtliche Untersuchungen machen vieles möglich – doch sie haben auch ihre Grenzen und Tücken. Werdende Eltern müssen selbst entscheiden, was und wieviel sie erfahren möchten.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Hauptsache gesund! So antworten viele, wenn sie nach ihren Wünschen fürs Baby gefragt werden. Das Geschlecht des neuen Erdenbürgers scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen, während seine Gesundheit für das Familienglück von enormer Bedeutung ist. Die gute Nachricht: Bei uns erfüllen 97 Prozent aller Neugeborenen den Herzenswunsch ihrer Eltern und kommen kerngesund zur Welt.

Wie es um die Gesundheit von Mutter und Kind bestellt ist, wird während der Schwangerschaft engmaschig kontrolliert. Denn regelmäßig stehen für schwangere Frauen Vorsorgeuntersuchungen beim Gynäkologen oder der Hebamme auf dem Programm. Vorgeburtliche medizinische Untersuchungen, die Aufschluss über den Gesundheitszustand des Embryos beziehungsweise Feten geben und das Ziel verfolgen, mögliche Beeinträchtigungen oder Störungen zu erkennen, gehören zum weiten Gebiet der pränatalen Diagnostik.

StandardDie wohl bekanntesten Untersuchungen dieser Art sind die drei Ultraschall-Screenings, die heute im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien „routinemäßig“ für alle Schwangeren vorgesehen sind. Diese Untersuchungen werden in aller Regel in der Praxis des Frauenarztes durchgeführt, die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Der erste Ultraschall gibt unter anderem Aufschluss über die kindliche Entwicklung, den voraussichtlichen Geburtstermin und ermöglicht es bereits, bestimmte Fehlbildungen zu erkennen. Beim zweiten Screening (19. bis 22. SSW) wird das Ungeborene genau untersucht und „vermessen”. Oft zeigt sich beim zweiten Ultraschall auch, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Beim letzten Ultraschall (29. bis 32. SSW) überprüft der Arzt unter anderem die Lage der Plazenta und die Fruchtwassermenge.

Gut zu wissen: Bei unklaren Befunden, Auffälligkeiten oder bestimmten Schwangerschaftsrisiken haben werdende Mütter die Möglichkeit, weitere pränataldiagnostische Untersuchungen in Anspruch zu nehmen. Bei medizinischer Notwendigkeit übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen auch dafür die Kosten. Aber auch bei komplikationslosem Schwangerschaftsverlauf und unauffälligen Ultraschallbefunden möchten viele werdende Eltern mehr Sicherheit in Bezug auf die Gesundheit des Babys haben. Dann können sie auf Wunsch weiterführende pränatale Diagnoseverfahren als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in Anspruch nehmen.

Manche wollen mehr Bei der pränatalen Diagnostik wird zwischen nicht-invasiven und invasiven Verfahren unterschieden. Zu Ersteren gehören sämtliche Ultraschall-gesteuerten Untersuchungen, wie beispielsweise die Dopplersonografie zur Messung der Blutströmung, die fetale Echokardiografie zur Beurteilung des kindlichen Herzens und die Messung der Nackentransparenz im Rahmen des Ersttrimester-Screenings. Zu den invasiven Verfahren zählen unter anderem die Chorionzottenbiopsie und die Amniozentese.

Die Pränataldiagnostik verfolgt unterschiedliche Ziele: Sie kann – je nach eingesetztem Verfahren – beispielsweise Fehlbildungen, Chromosomenstörungen, Erbkrankheiten, Entwicklungsstörungen oder auch einer Mangelversorgung des Ungeborenen auf die Schliche kommen. So geben die Untersuchungen Eltern ein Stück Sicherheit und manchmal sogar die Chance, das Baby schon im Mutterleib zu behandeln.

Jedoch haben selbst die modernsten Verfahren ihre Grenzen. Denn längst nicht alle denkbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen lassen sich schon vor der Geburt erkennen beziehungsweise ausschließen. Deshalb müssen Eltern wissen: Trotz pränataler Diagnostik gibt es keine Garantie für ein gesundes Kind! Zu den bekanntesten und häufig durchgeführten Verfahren der Pränataldiagnostik gehören:

Das Ersttrimester-Screening (11. bis 14. SSW): Dahinter verbirgt sich eine umfangreiche Ultraschalluntersuchung, die die Messung der Nackenfalte, auch Nackentransparenz oder Nuchal tranclucency (NT) genannt, beinhaltet. Ist die Nackenfalte dicker als gewöhnlich, kann dies ein Zeichen für das Vorliegen bestimmter Erkrankungen (z. B. Herzfehler) oder Chromosomenstörungen (z. B. Down-Syndrom) sein.

Für die Risikoberechnung werden – neben der Dicke der Nackenfalte – weitere Parameter einbezogen, unter anderem eine mütterliche Blutuntersuchung, das Schwangerschaftsalter und das Alter der Mutter. Die Gesamtheit der Faktoren ermöglicht eine hohe Entdeckungsrate hinsichtlich einer Trisomie 21. Jedoch: Das Ersttrimester- Screening liefert keine Diagnose, sondern dient lediglich einer Risikoabschätzung. Ist das Risiko für eine chromosomale Störung hoch, können weitere pränataldignostische Verfahren für Klarheit sorgen.

»Trotz pränataler Diagnostik gibt es keine Garantie für ein gesundes Kind!«

Die Chorionzottenbiopsie (10. bis 13. SSW): Bei diesem invasiven Verfahren in der frühen Schwangerschaft wird unter Ultraschallkontrolle eine Gewebeprobe aus der Plazenta (in der Frühschwangerschaft Chorion genannt) entnommen. Da der Mutterkuchen von der befruchteten Eizelle abstammt, können Zellen daraus zur Analyse der kindlichen Chromosomen herangezogen werden. So können chromosomale Fehler (z. B. Down-Syndrom, Trisomie 18), aber auch einige familiär gehäuft auftretende Stoffwechsel- und Muskelerkrankungen schon früh entdeckt werden.

Der Befund liegt bereits nach wenigen Tagen vor. Viele Eltern entscheiden sich für eine Chorionzottenbiopsie, wenn in der Familie gehäuft Erbkrankheiten oder Stoffwechselstörungen vorkommen. Leider birgt die Gewebeentnahme jedoch auch ein gewisses Fehlgeburtsrisiko. Aktuelle Quellen sprechen von etwa 0,5 bis einem Prozent. Das Risiko sinkt bei einem sehr erfahrenen Behandler.

Die Amniozentese (16. bis 18. SSW): Die Fruchtwasseranalyse ist die meist verbreitete Untersuchungsmethode für Frauen und Paare, die einen sicheren Ausschluss von genetisch bedingten Anomalien wünschen. Bei diesem invasiven diagnostischen Verfahren werden kindliche Zellen aus dem Fruchtwasser gewonnen und deren Erbträger analysiert. Dadurch können viele Chromosomenstörungen (z. B. Trisomien) sicher ausgeschlossen werden. Weiterhin können Neuralrohrdefekte (offener Rücken) sowie Erbkrankheiten (z. B. schwere Muskelerkrankungen) festgestellt werden. Jedoch müssen werdende Eltern etwa 12 bis 14 Tage auf die Untersuchungsergebnisse warten, was sehr belastend sein kann. Das Fehlgeburtsrisiko beträgt in erfahrenen Händen circa 0,5 Prozent.

Die Ultraschall-Feindiagnostik (19. bis 22. SSW): In erster Linie dient diese auch als Fehlbildungsultraschall bezeichnete sonografische Untersuchung dazu, bei Auffälligkeiten in der Vorsorge eine exakte Diagnose zu stellen und Risikoschwangerschaften zu begleiten. Der Frauenarzt entscheidet, ob ein Überweisungsgrund für die Ultraschall-Feindiagnostik vorliegt. Wesentlicher Bestandteil der Untersuchung, die neben speziellen Geräten auch eine große Erfahrung des Untersuchers erfordert, ist ein eingehender Organ-Ultraschall. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem kindlichen Gehirn, dem Rücken und dem Herzen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 72.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

×