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Übersäuerung

ALLES AUSGEWOGEN?

Zwischen Säuren und Basen muss im Körper ein Gleichgewicht herrschen, damit Stoffwechselvorgänge reibungslos ablaufen können.

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Wissenschaftlich betrachtet ist der Säure-Basen-Haushalt ein physiologisches Regelsystem des Körpers, das dafür sorgt, dass der pH-Wert im Blut konstant bei 7,4 – also im leicht alkalischen Milieu – gehalten wird. In aller Regel schwankt der Blut-pHWert nur sehr geringfügig in einem Bereich zwischen 7,35 und 7,45. Diese sehr eng gesteckten Grenzen sind unbedingt erforderlich, um Stoffwechselentgleisungen zu verhindern.

Unterschreitet der Wert 7,35, sprechen Experten von einer Übersäuerung oder Azidose. Liegt er über 7,45, ist von einer Untersäuerung oder Alkalose die Rede. Wichtig zu wissen: Bereits Blut-pH-Werte unter 7,0 und über 7,7 können zum Tode führen.

Leistungsstark: körpereigene Puffer Damit es durch die Nahrungsaufnahme nicht zu gefährlichen Veränderungen des Blut-pH-Wertes kommt, verfügt unser Körper über ausgeklügelte Regulationsmechanismen. Dazu gehören seine leistungsstarken Puffersysteme. Als Puffer werden chemische Systeme bezeichnet, die aus einer schwachen Säure und einer korrespondierenden Base bestehen. Im Blut wirken unterschiedliche Systeme – wie beispielsweise der Phosphat- und der Proteinpuffer. Auch das Hämoglobin dient als leichter Puffer.

KURZ & KNAPP: DIE ALKALOSE
Bei einer Alkalose oder Untersäuerung liegt der pH-Wert des Blutes oberhalb von 7,45. Experten unterscheiden die respiratorische Alkalose, die durch übermäßige Abatmung von CO2 bei einer Hyperventilation entsteht, von der metabolischen Alkalose. Dafür kommen unterschiedliche Ursachen infrage, beispielsweise häufiges Erbrechen, das mit großem Verlust von Magensäure einhergeht. Auch die massive Zufuhr alkalischer Substrate, eine diuretische Therapie oder Störungen der Nierenfunktion können zu einem Basenüberschuss führen. Ein Blut-pH-Wert von über 7,7 ist in der Regel tödlich.

Das bedeutendste Puffersystem ist jedoch der Bicarbonat-Kohlensäure-Puffer: Aus im Blut gelöstem Bicarbonat entsteht durch Aufnahme eines Protons Kohlensäure, die in Wasser und Kohlendioxid (CO2) aufgespalten wird. Das Kohlendioxid wird dann über die Lunge abgeatmet. Kommt es im Körper zu einem Überschuss an Säuren oder Basen, kann der pHWert durch eine vermehrte oder verminderte CO2-Abatmung rasch wieder reguliert werden. Neben der Lunge ist die Niere das wichtigste Organ zur Regulation des Säure-Basen-Haushalts. Sie kann saure oder basische Stoffwechselverbindungen direkt mit dem Urin ausscheiden.

Das richtige Milieu! Schon vor über 100 Jahren wurde der Begriff pH-Wert (vom lateinischen potentia hydrogenii, potentia = Kraft und hydrogenium = Wasserstoff) eingeführt, um die Konzentration von Wasserstoffionen in einer Lösung zu messen. Als Maßeinheit gibt der pH-Wert das Verhältnis von Säuren zu Basen an. Die Skala reicht von 0 (z. B. Salzsäure 3,5 %) bis 14,0 (z. B. Natronlauge 3 %). Der mittlere, sprich neutrale pH-Wert liegt bei 7,0 (reines Wasser). Im menschlichen Körper herrscht kein einheitlicher pH-Wert. Vielmehr variieren die Werte entsprechend den Bedingungen, die in den einzelnen Organen und Geweben anzutreffen sind.

Hier einige Beispiele:

  • Das Blut hat einen konstanten, leicht alkalischen pH-Wert von 7,4.
  • Die Bauchspeicheldrüse sondert ein Sekret ab, das einen pH-Wert von etwa 8,0 aufweist – also im gut basischen Bereich liegt. Das basische Bauchspeicheldrüsensekret dient dazu, Nahrung, die im Magen durch die Magensäure angesäuert wurde, im Zwölffingerdarm zu neutralisieren.
  • Die Haut weist einen sauren pH-Wert von etwa 5,5 auf. Dieser natürliche Säureschutzmantel der Haut hemmt das Wachstum von Bakterien und verhindert ihr Eindringen.
  • Extrem sauer geht es im Magen zu: Hier liegt der pH-Wert zwischen 1,0 und 2,0. Verantwortlich dafür ist die im Magen gebildete Salzsäure, die Krankheitserreger aus der Nahrung abtötet und für die Verdauung benötigt wird.
  • Der Darm hat einen basischen pH-Wert von etwa 8,0. k Der Speichel ist mit einem pH-Wert von 7,0 bis 7,1 neutral bis schwach basisch.
  • Im Urin kann der pH-Wert abhängig von der Tageszeit und der aufgenommenen Nahrung zwischen 4,5 und 8,0 schwanken. Um einer mutmaßlichen chronischen Übersäuerung auf die Schliche zu kommen, ist eine einmalige pH-Wert-Messung des Urins deshalb ungeeignet.

Gefährlich: Azidose Sind die körpereigenen Regulationsmechanismen zum Ausgleich des Säure-Basen- Haushalts gestört, kann es zu einer Übersäuerung kommen. Sie ist lebensbedrohlich und stellt einen medizinischen Notfall dar. Die Ursachen dafür sind meist chronische Erkrankungen, wie beispielsweise ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus. Er kann zu einer diabetischen Ketoazidose führen, bei der unverhältnismäßig viele Ketonkörper gebildet werden, die dann den pH-Wert senken.

DAS „ZITRONENPHÄNOMEN”
Auf den ersten Blick scheint es unlogisch: Zitronen schmecken sauer und sollen dennoch basisch wirken? Unsere Geschmacksnerven im Mund reagieren aber nur auf „sauer”, wir besitzen keine Rezeptoren für „alkalisch”. Saure Früchte, wie Zitronen, besitzen neben den Fruchtsäuren noch eine Vielzahl organisch gebundener Mineralstoffe, die wir nicht schmecken können. Sie sind jedoch für die basische Wirkung verantwortlich. Fruchtsäuren, wie die Zitronensäure, werden im Körper vollständig abgebaut und belasten den Säure-Basen-Haushalt nicht.

Auch chronische Nierenerkrankungen und -insuffizienz können – durch eine veränderte Ausscheidung von Säuren und Basen – zu einer Azidose führen. Atmen die Lungen zu wenig CO2 ab, ist ebenfalls eine Übersäuerung möglich. Ursache der zu geringen CO2-Abgabe können Lungenfunktionsstörungen sein.

Versteckt: chronische Übersäuerung Von diesen Formen atmungsoder stoffwechselbedingter Azidosen unterscheidet sich die latente oder chronische Übersäuerung. Latent bedeutet soviel wie versteckt und sagt schon viel über das Wesen dieser Störung aus: Diese Form der Übersäuerung führt weder zu dramatischen Stoffwechselentgleisungen noch zu einem offensichtlichen Anstieg des Blut-pH-Wertes. Vielmehr verläuft sie schleichend und zunächst symptomfrei.

Doch nach Ansicht naturheilkundlich- und alternativmedizinisch- orientierter Experten kann eine chronische Übersäuerung dem Menschen trotzdem erheblich schaden. Viele unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Kopfschmerzen, aber auch ernsthafte Erkrankungen wie Arterienverkalkung (Arteriosklerose), Knochenschwund (Osteoporose) und Gelenkverschleiß (Arthrose) sollen durch eine latente Übersäuerung ausgelöst oder begünstigt werden können. Ursache für eine chronische Übersäuerung des Körpers soll vor allem eine falsche Ernährung sein, bei der zu viele säurebildende – und zu wenig basische – Lebensmittel verzehrt werden.

Säurebildend: eiweißreiche Kost Als säurebildend gelten eiweißreiche Lebensmittel – allen voran Fleisch, Fisch, Wurst und Käse. Grund dafür ist die Tatsache, dass besonders tierische Proteine viele schwefelhaltige Aminosäuren enthalten, die beim Abbau Säuren bilden. Es gibt jedoch auch Nahrungsmittel tierischen Ursprungs, die kaum säurebildend wirken: Jogurt und Milch gehören unter anderem dazu.

Auch Softdrinks, die Phosphorsäure enthalten, Alkohol, Brot und Backwaren gelten als säurebildend. Basenreich sind hingegen die meisten Obst-, Gemüse- und Salatsorten, aber auch viele Kräuter und Sprossen. Spezielle Säuren-Basen-Tabellen geben Aufschluss darüber, wie welche Nahrungsmittel wirken. Leider sind die Tabellen jedoch nicht immer einheitlich.

Fest steht jedoch, dass längst nicht alles, was sauer schmeckt, auch säurebildend ist. Ganz im Gegenteil: Die super-saure Zitrone beispielsweise wirkt im Köper basisch. Gleiches gilt auch für zahlreiche andere Obstsorten mit säuerlichem Geschmack. Um dem Wohlbefinden wieder auf die Sprünge zu helfen, raten naturheilkundliche Therapeuten zu einer basischen Ernährung, bei der reichlich Gemüse und Obst in Form von Rohkost verzehrt werden sollte. Oft wird empfohlen, dass das Verhältnis von säurebildenden zu basisch wirkenden Lebensmitteln 25 : 75 betragen sollte.

obst und gemüsesorten auf einem tisch
Besonders Gemüse gilt als sehr basenbildend

Gut zu wissen: Auch, wer sich mit der strikten Unterscheidung zwischen säurebildenden und basischen Lebensmitteln nicht anfreunden mag, kann dennoch in jedem Fall von reichlichem Obst- und Gemüseverzehr profitieren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät, bei „gesundem Grünzeug” fünf Mal täglich zuzugreifen. Auch der zurückhaltende Umgang mit Fleisch und Wurst – den Anhänger der basischen Ernährung propagieren – ist sicherlich ein Plus für die Gesundheit. Denn fest steht, dass der Durchschnittsdeutsche zu viele tierische Fette konsumiert.

Regulierend: basische Mineralstoffe Um einer chronischen Übersäuerung Paroli zu bieten, schwören viele Menschen auf Maßnahmen wie Basenfasten oder -kuren. Dabei geht es darum, die Ernährung für einige Wochen auf eine basenreiche Kost umzustellen und den Körper so zu „entschlacken”. Spezielle basische Nahrungsergänzungen – wie beispielsweise Basenpulver, basische Mineralgetränke oder Basentabletten – unterstützen die Kur. Bei diesen Präparaten handelt es sich um hochwertige Mischungen verschiedener basischer Mineralsalze. Typische Inhaltsstoffe sind beispielsweise Kalzium- und Magnesiumcitrat.

Wichtig Bei der Wahl der Präparate sollte man darauf achten, dass es sich um organische Mineralstoffverbindungen, beispielsweise Citrate, handelt. Der Grund: Die Citratanionen können im Stoffwechsel freie H+-Ionen aufnehmen und so die anfallende Säure neutralisieren. Sinnvoll kann die Einnahme basischer Mineralstoffe unter Umständen auch während einer Fastenkur oder Diät sein. Grund dafür ist die Tatsache, dass beim Abbau von Fettpolstern vermehrt Säuren entstehen, die den Körper belasten. Wer jetzt basische Mineralien und Spurenelemente zuführt, soll den Diäterfolg steigern können. Auf diesen Zusammenhang können Sie interessierte Kunden im Beratungsgespräch aufmerksam machen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 14.

Andrea Neuen-Biesold, Freie Journalistin

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