Ängste
FRAUEN FÜRCHTEN UM DIE FAMILIE, MÄNNER UM DIE ARBEIT
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Welchen Einfluss hatten die Coronapandemie und die ergriffenen Maßnahmen auf Lebensqualität und psychische Gesundheit? Ein Forscherteam der Uni Würzburg hat diese Frage untersucht. Dazu griff es auf die sogenannte STAAB-Studie zurück.
Die umfasst eine Kohorte von rund 5000 zufällig ausgewählten Freiwilligen aus Würzburg (etwa zur Hälfte Männer und Frauen) und sollte ihren Fokus eigentlich auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen richten. Da das Ganze aber in die Coronapandemie fiel, erweiterte man die Fragestellungen spontan auf die psychosozialen Auswirkungen des Lockdowns. Und auf die anderen Maßnahmen wie Homeoffice, Homeschooling und die eingeschränkten sozialen Kontakte.
Was fürchtet der Mensch?
Konkret haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür interessiert, in welchem Verhältnis Sorgen um den Arbeitsplatz und um andere Menschen mit eigenen psychischen Problemen wie Angst und Depression und der Lebensqualität allgemein stehen, welchen Einfluss die Unterstützung im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz darauf hat – und ob es dabei Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.
Daten über den Einfluss des Geschlechtes fehlten
Ob Männlein, ob Weiblein: Ein Begriff psychischer Befindlichkeit kristallisierte sich ganz klar heraus: Das vorherrschende Gefühl beider Geschlechter war Angst. „Bei Männern steigt die Angst in zunehmendem Maß mit der Sorge um den Arbeitsplatz, bei Frauen findet sich dieser Effekt nicht. Dafür konnten wir bei Frauen eine Zunahme der Angstwerte parallel mit einer Zunahme der Sorgen um Familie und Freunde registrieren“, sagt Grit Hein, Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Würzburger Universitätsklinikums.
„In der Vergangenheit haben zahlreiche Studien untersucht, welchen Einfluss psychosoziale Faktoren wie beispielsweise die Unterstützung durch Freunde und Kollegen und finanzielle, berufliche oder persönliche Sorgen auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität ausüben. Es fehlten jedoch Daten darüber, ob diese Zusammenhänge bei Männern und Frauen gleich sind.“
Bei der Auswertung der Daten setzten Hein und ihr Team auf eine besondere Methode: die sogenannte Netzwerkanalyse. Die erlaubt eine dezidierte grafische Darstellung durch das Verknüpfen von Variablen aus allen Richtungen. So kann sie komplexe Beziehungen zwischen Symptomen verschiedener psychischer Störungen aufzeigen und damit eventuelle Komorbiditäten erklären.
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Ergebnis bestätigt die traditionellen Geschlechterrollen
Allerdings überrascht das Ergebnis der Studie Professor Hein nicht: „Die Beobachtung, dass Männer stärker mit der Arbeit und Frauen stärker mit Familie und Freunden in Verbindung gebracht werden, kann auf traditionelle Geschlechternormen und -rollen zurückgeführt werden.“
Männer fühlen sich in der Regel stärker von Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitslosigkeit betroffen – Frauen empfinden eine höhere Belastung, wenn sie das Gefühl haben, ihre Familie zu vernachlässigen. Frauen hätten eben eine stärkere Tendenz zu engen sozialen Kontakten und ebensolcher Unterstützung – das baut bei ihnen Stress ab und steigert ihr Wohlbefinden, bilanziert es Hein.
Auch wenn noch geklärt werden muss, ob die Ergebnisse der STAAB-Studie auch auf allgemeine pandemieunabhängige Situationen übertragbar sind, eins weiß die Wissenschaftlerin: Es sei wichtig, bei therapeutischen Maßnahmen soziale Aspekte zu berücksichtigen, um die psychische Gesundheit von Frauen und Männern zu verbessern.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft