Wissenschaftler im Labor mit Glas in der Hand, das eine blaue Flüssigkeit hat.© Yanawut / iStock / Getty Images Plus
Der Farbstoff Methylenblau soll angeblich für eine Verbesserung der Gehirnleistung sorgen und vor Alzheimer schützen.

ABDA warnt

METHYLENBLAU: GEFÄHRLICHER TREND

Der Farbstoff Methylenblau ist derzeit gefühlt in aller Munde. Das Internet ist voll von Berichten über eine angebliche Verbesserung der Gehirnleistung, und vor Alzheimer schützen soll die Substanz auch. Bei Nachfragen nach Methylenblau sollten Sie in der Apotheke aber unbedingt hellhörig werden. 

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Online kann man Methylenblau ganz einfach bestellen, der Gang in eine Apotheke ist gar nicht nötig. Influencer und Buchautoren überschlagen sich geradezu mit Lobeshymnen auf den blauen Farbstoff. Methylenblau soll verjüngen, die Konzentration verbessern und vieles mehr. 

In der Zytologie hat Methylenblau als Färbemittel schon lange einen berechtigten Platz, als Antidot zum Beispiel bei Paracetamol-Vergiftungen oder zur Behandlung von Aquarien zum Schutz vor Infektionen ebenfalls. Aber was sollten Sie denen raten, die mit dem Wunsch nach Methylenblau zur Einnahme in die Apotheke kommen?
 

Methylenblau sollte keine Apotheke abgeben

Fragt Sie am HV jemand nach Methylenblau, sollten Sie die Abgabe verweigern, rät die ABDA. Hintergrund: Methylenblau ist ein Gefahrstoff und trägt die Kennzeichnung H302: „Gesundheitsschädlich beim Verschlucken“. Für die Abgabe von Methylenblau in der Apotheke gilt kein Kontrahierungszwang, so die ABDA. Sie müssen die Substanz also nicht abgeben und sollten das auch nicht. 

Der Hintergrund des aktuellen Hypes um Methylenblau ist, dass es das Altern aufhalten und die Gehirnleistung verbessern soll. Sogar vor Alzheimer schützen soll der Farbstoff. Methylenblau ist ein potentes Reduktionsmittel, kann wegen seiner chemischen Eigenschaften gut in Zellen gelangen und sogar die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Methylenblau greift gezielt in die Atmungskette in den Mitochondrien ein und führt dort zu einer Verbesserung der Sauerstoffnutzung. So steigert Methylenblau die Energieproduktion. Seine antioxidativen Eigenschaften schützen Zellen zudem vor freien Radikalen. Weil das Gehirn hier besonders anfällig ist, erhoffen sich Anwender eine unterstützende Wirkung von Methylenblau. 
 

Anwendung von Methylenblau birgt Risiken

Probleme macht Methylenblau allerdings unter Umständen gleich mehrere. Es ist ein potenter Hemmstoff des Enzyms Monoaminooxidase (MAO). Daher darf Methylenblau keinesfalls mit Medikamenten oder Nahrungsmitteln kombiniert werden, die über dieses Enzym abgebaut werden. Darunter fallen zahlreiche Antidepressiva, Schmerzmittel oder Parkinsontherapeutika, aber auch Dextromethorphan und Pseudoephedrin, die in der Apotheke frei verkäuflich sind. Auch Nahrungsmittel wie Käse, Fermentiertes, Kaffee oder überreife Bananen müssen gemieden werden. Sonst droht bei oraler Anwendung von Methylenblau ein unter Umständen lebensgefährliches Serotonin-Syndrom. Hinweise dazu fehlen in den Empfehlungen der Influencer, und den wenigsten dürfte dieses Risiko bewusst sein, das sie mit der Anwendung einer Chemikalie wie Methylenblau eingehen.  

Methylenblau ist als rezeptpflichtiges Arzneimittel zugelassen, wenn es als Antidot gebraucht wird. Bei Paracetamol-, Insektizid- oder anderen Vergiftungen zeigt es für die symptomatische Behandlung günstige Effekte. Methylenblau kann aber als Lösung nicht nur in der Apotheke, sondern auch im Aquarienfachhandel oder im Internet erworben werden. Dann unterliegt es aber nicht den strengen Arzneimittel- Anforderungen an Reinheit und Qualität. Verunreinigungen können unter Umständen gefährlich werden. Keinesfalls sollten solche Zubereitungen von Methylenblau eingenommen werden! Auch eine Vergiftung ist mit Methylenblau durchaus möglich. Eine Blaufärbung von Haut und Schleimhaut, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und unter Umständen eine hämolytische Anämie können ab zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht auftreten. 

Bereits vor 130 Jahren fand Methylenblau Anwendung gegen Malaria, allerdings mit mäßigem Erfolg. Als MAO-Hemmer kam Methylenblau versuchsweise gegen Depressionen zum Einsatz. Hintergrund: Serotonin und andere Neurotransmitter werden über das Enzym abgebaut; Hemmung des Enzyms führt zu einer verlängerten Wirkung von Serotonin im synaptischen Spalt. Während der Corona-Pandemie wurde Methylenblau auf seine Wirkung gegen das Virus getestet, ebenso wie gegen Alzheimer. 

Für einen klinischen Nutzen durch die Anwendung von Methylenblau fehlen allerdings Beweise, und die Forschung gegen Alzheimer brachte nicht die erhofften Ergebnisse. Bislang sieht es also so aus, als bleibe Methylenblau zunächst, was es ist: ein Farbstoff, ein Antidot und eine Behandlungsoption für Fische. Von einer Anwendung von Methylenblau als Anti-Aging-Wundermittel sollten Sie jedenfalls in der Apotheke dringend abraten. 

Quellen:
​​​​​​​https://www.pharmazeutische-zeitung.de/der-methylenblau-hype-im-check-150043/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/09/11/was-hinter-dem-social-media-trend-um-methylenblau-steckt
https://www.amazon.de/MitoBlue-Premium-Methylenblau-Tropfen-Pipette/dp/B0CSF61WG9
https://www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/methylenblau-alzheimer/
https://flexikon.doccheck.com/de/Meth%C3%A4moglobin%C3%A4mie
 

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