Innere Unruhe, Nervosität & Schlafstörungen
PTA-Fortbildung

Wider Willen wach: Über Schlafstörungen und Stress

Na, entspannt und ausgeschlafen? Die einen finden schlecht in den Schlaf, andere haben Probleme durchzuschlafen. Oft ist nervöse Unruhe der Auslöser für die Schlafstörungen. Klären Sie mit Ihren Kunden die Umstände, die sie nicht schlafen lassen, und verhelfen Sie ihnen zu erholsamen Nächten.

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Richtig diagnostizieren

Die häufigste behandlungsbedürftige Schlafstörung ist eine nächtliche Schlaflosigkeit in Form von Ein- und/oder Durchschlafstörungen. Sie trägt den Fachbegriff Insomnie (von lat. somnus = Schlaf).

  • Betroffene mit einer Einschlafstörung benötigen mindestens dreimal in der Woche länger als 30 Minuten zum Einzuschlafen.
  • Von einer Durchschlafstörung wird gesprochen, wenn jemand mindestens dreimal pro Woche länger als eine halbe Stunde braucht, um erneut in den Schlaf zu finden, nachdem er nachts wach geworden ist.

Voraussetzung für die Diagnose einer Insomnie ist, dass die Ein- und/oder Durchschlafstörungen mindestens einen Monat lang auftreten und mit einer Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit oder der Leistungsfähigkeit am Tag einhergehen. Bestehen die Schlafstörungen länger als drei Monate, liegt definitionsgemäß eine chronische Insomnie vor. Zudem betont die aktuelle Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), dass die Symptomatik nicht durch eine andere körperliche oder psychiatrische Störung bedingt sein darf.

Ein- und/oder Durchschlafstörungen werden von den Betroffenen als sehr belastend erlebt. Die meisten fühlen sich durch die spürbaren Folgen am nächsten Tag derart stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt, dass sie Hilfe beim Arzt oder in der Apotheke suchen.

Zu diesen Folgen gehören:

  • geistige und körperliche Erschöpfung,
  • Konzentrationsschwierigkeiten,
  • mangelnde Belastbarkeit,
  • Verschlechterung im psychischen Befinden,
  • Reizbarkeit
  • vermehrte Tagesmüdigkeit

Für erholsame Nächte sorgen

Die Apotheke hält für gestresste und schlafgestörte Kunden im Rahmen der Selbstmedikation verschiedene Optionen bereit. Vor allem haben sich homöopathische und pflanzliche Präparate bewährt. Sie verhelfen zu innerer Ruhe und Gelassenheit und damit zu einer besseren Nachtruhe. Steht die nervöse Unruhe im Vordergrund, können die Präparate am Tag eingenommen werden. Sie beruhigen sanft, ohne müde zu machen. Soll das Einschlafen erleichtert und die Schlafqualität gefördert werden, empfiehlt sich eine Einnahme circa 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen.

Verhaltenstherapeutische Maßnahmen erste Wahl

Machen Sie Ihre Kunden im Beratungsgespräch immer auf Verfahren zur Stressreduktion beziehungsweise verhaltenstherapeutische Maßnahmen aufmerksam. Diese werden von der DGSM-Leitlinie als Basisbehandlung bei behandlungsbedürftigen Schlafstörungen angesehen. Leitliniengemäß ist eine Insomnie vorrangig psychotherapeutisch zu behandeln, wobei die Autoren als effektivste nicht-medikamentöse Therapie auf eine kognitive Verhaltenstherapie verweisen. Sie umfasst unter anderem Schlafedukation, Bettzeitreduktion oder -restriktion, kognitive Umstrukturierung sowie verschiedene Entspannungsmaßnahmen (z. B. Progressive Muskelentspannung, Phantasiereisen, Achtsamkeitstraining). Erst wenn diese Methoden bei Ein- und/oder Durchschlafstörungen nicht helfen, soll eine medikamentöse Behandlung ausprobiert werden.

Mit Globuli und Dilutionen

Zu den Klassikern bei Schlafstörungen zählen mittlerweile auch verschiedene Homöopathika. Bei ihrer Einnahme sind keine Nebenwirkungen zu erwarten. Weder kommt es zur Tagesmüdigkeit, noch werden die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit und somit die Fahrtauglichkeit negativ beeinträchtigt. Aufgrund des fehlenden Gewöhnungseffektes sind sie zudem für eine Dauerbehandlung geeignet.

Neben den Einzelmitteln Coffea oder Avena sativa stehen verschiedene Kombinationen zur Verfügung. Sie haben vor allem eine beruhigende und entspannende Wirkung und stärken das innere Gleichgewicht. Ihre Wirkung kommt daher nicht über sedierende, sondern über ausgleichende Effekte zustande.

Ein altbewährtes homöopathisches Komplexmittel bei nervösen Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe enthält Passionsblume (Passiflora incarnata D3), Baldrian (Valeriana D2), Platin (Platinum metallicum D8), das Zinksalz der Valeriansäure (Zincum valerianicum D3), Tigerlilie (Lilium tigrinum D4), Brechnuss (Ignatia D6), Frauenschuh (Cypripedium pubescens D3), Kockelskörner (Cocculus D4) und Traubensilberkerze (Cimicifuga D2).

Ein anderes bekanntes homöopathisches Mittel zur Behandlung von Unruhezuständen und nervöser Schlaflosigkeit enthält die vier aufeinander abgestimmten Bestandteile Passionsblume (Passiflora incarnata D2), Hafer (Avena sativa D2), Auszüge aus Kaffeesamen (Coffea arabica D12) und das Zinksalz der Isovaleriansäure (Zincum isovalerianicum D4). Für die ausgewählte Kombination konnte die Wirksamkeit und Wirkweise durch mehrere Studien belegt werden.

Demnach kann das natürliche Arzneimittel die Einschlafzeit verkürzen, die Schlafdauer verlängern und die Tagesmüdigkeit reduzieren. Der schnelle Wirkeintritt des Komplexmittels wird über eine Reduktion des stressinduzierten Cortisolspiegels erklärt. Dieser ist nicht nur in der Nacht, sondern unter Stress bereits tagsüber erhöht, was wiederum das Einschlafen am Abend erschwert. Empfohlen wird daher, das Homöopathikum bereits über den Tag verteilt einzunehmen, vor allem dann, wenn Betroffene merken, das sie angespannt sind. So können sie ihren Stresspegel schon tagsüber senken, um entspannter in die Nacht zu kommen.

Pflanzliche Unterstützung

Alternativ bietet die Phytotherapie für Betroffene mit nervöser Unruhe und leichten Schlafstörungen Hilfe. Eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung versprechen insbesondere pflanzliche Präparate mit Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume und Lavendel. Auch sie vermindern die nervöse Anspannung und wirken innerlich ausgleichend.

Dadurch fördern sie die Schlafbereitschaft. Pflanzliche Präparate sind im Allgemeinen gut verträglich und für die längere Anwendung geeignet, zumal sich selbst bei längerfristigem Gebrauch keine Gewöhnung oder Abhängigkeit einstellt. Ein wichtiger Punkt für die Beratung ist aber, dass ihre Wirkung in der Regel nicht sofort, sondern verzögert eintritt. Die Einnahme muss daher regelmäßig und längerfristig erfolgen. Ein maximaler Effekt wird erst nach zwei bis vier Wochen Einnahme erreicht. Eine Ausnahme bildet die Passionsblume, ihre Wirkung setzt bereits nach 30 Minuten ein.

Baldrian

Extrakte der Wurzel des Baldrians (Valeriana officinalis) werden schon seit Jahrhunderten bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen verwendet. Noch heute machen Baldrianpräparate den größten Anteil unter den pflanzlichen Beruhigungs- und Schlafmitteln aus. Die Wirkung der Baldrianwurzel und ihrer Zubereitungen gilt als gut belegt, auch wenn der Wirkmechanismus noch nicht abschließend aufgeklärt wurde. Zum einen gibt es Hinweise auf eine Interaktion des Baldrianwurzelextrakts mit dem GABAergen Rezeptorsystem, was seine dämpfenden Eigenschaften auf das zentrale Nervensystem erklären könnte. Andere Untersuchungen postulieren die sedierende Wirkung über eine Bindung am Adenosin-1-Rezeptor, der an zentralen Nervenzellen im Gehirn lokalisiert ist und den Schlaf-Wachrhythmus steuert. Ebenso wird eine Affinität zum 5-HT1A-Serotoninrezeptor, der als eine Angriffsstelle für Psychopharmaka gilt, angenommen.

Hopfen, Melisse und Passionsblume

Baldrianextrakte werden sowohl als Monopräparate als auch in fixen Zweifach- und Dreifachkombinationen angeboten. Ein bewährter Kombinationspartner ist ein Extrakt aus Hopfenzapfen (Humulus lupulus), für den ein schlaffördernder Effekt nachgewiesen wurde, ohne den genauen Wirkmechanismus dafür gefunden zu haben.

Möglicherweise docken sie an den Rezeptoren des Schlafhormons Melatonin an. Zudem stellen Extrakte aus den Blättern von Melisse (Melissa officinalis) und dem Kraut der Passionsblume (Passiflora incarnata) wirksame Komponenten dar. Sie haben ebenso ihre Wirksamkeit bei nervösen Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen gezeigt. Vermutlich greifen beide in den GABA-Mechanismus ein.

Lavendel

Lavendel hat eine lange Tradition als Arzneipflanze mit beruhigenden Eigenschaften. Heute findet er insbesondere zur Behandlung von Unruhezuständen bei ängstlicher Verstimmung und daraus resultierenden Schlafstörungen Verwendung. Dafür hat sich beispielsweise ein pflanzliches Arzneimittel mit einem speziellen Arzneilavendelöl bewährt, das seine Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in umfangreichen Studien an über 2500 Probanden unter Beweis gestellt hat.

Es setzt in bestimmten Hirnregionen am Reizfilter des Nervensystems an, sodass weniger erregende Botenstoffe ausgeschüttet werden und die Nervenzellen wieder zur Ruhe kommen können. Vor allem drosselt das Lavendel-Präparat den bei ängstlicher Unruhe vermehrten Einstrom von Calcium in die Nervenendigungen und hemmt auf diese Weise die Ausschüttung von Serotonin und Noradrenalin.

Klinischen Studien zufolge ist das Phytotherapeutikum so gut anxiolytisch wirksam wie 0,5 Milligramm (mg) Lorazepam oder 20 mg Paroxetin – jedoch ohne Hangover-Effekte, da der pflanzliche Wirkstoff nicht sedierend wirkt. Die angstlösende Wirkung konnte auch in einer Meta-Analyse belegt werden, die auf die therapeutische Wirkung des pflanzlichen Arzneimittels bei innerer Unruhe und Angstgefühlen fokussierte.

In der Folge verbesserte sich unter dem Lavendelöl-Präparat auch der Schlaf der Studienteilnehmer. Dabei wurden weder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln noch die Gefahr einer Gewöhnung beobachtet. Ebenso wenig geht mit dem Lavendel-Präparat eine Abhängigkeit oder eine Einschränkung bei der Bedienung von Maschinen oder Fahrzeugen einher.

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