Arzneitees & Pflanzensäfte
PTA-Fortbildung

Pflanzenkraft in Tee und Saft

Phytotherapie ist beliebt. Hochwertige pflanzliche Spezialextrakte überzeugen mit evidenzbasierten Studien. Damit können Arzneitees und Pflanzenpresssäfte nicht dienen. Haben sie heute noch eine Bedeutung?

21 Minuten

Das Heilen mit Pflanzen ist eine der ursprünglichsten Therapieformen. Die ältesten überlieferten Rezeptsammlungen sind etwa 5000 Jahre alt und stammen von den Sumerern in Mesopotamien. In der Materia medica Mesopotamiens wird bereits von wässrigen Pflanzenauszügen berichtet. Doch kann man davon ausgehen, dass Menschen bereits zu prähistorischer Zeit bestimmte Blätter instinktiv aßen, weil sie die Erfahrung gemacht hatten, dass sie beispielsweise Bauchschmerzen linderten – auch wenn ihnen die antiparasitäre Wirkung dieser Pflanzen nicht bewusst war.

In der Jungsteinzeit war es durch die Erfindung von Keramiken auch möglich, Pflanzenauszüge mit Wasser herzustellen, die ersten Heilpflanzentees könnten also auch hier schon gebrüht worden sein. Der Begriff Tee wurde jedoch erst 2700 vor Christus in China geprägt. Er bedeutet „das vom Teestrauch Geerntete“ und stand für den grünen, später auch für fermentierten, also schwarzen Genusstee von Camellia sinensis.

Wenn wir hierzulande heute von „Tee“ sprechen, meinen wir allgemein alle Aufgussgetränke aus Pflanzen oder Pflanzenteilen. In antiken Kulturen sprach man jedoch von Abkochung und Dekokten.

LERNZIELE

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem,
+ wie sich traditionelle pflanzliche Arzneimittel von vollzugelassenen Arzneimitteln unterscheiden,
+ welche Informationen Sie Ihrem Kunden über die Teezubereitung mitgeben sollten,
+ bei welchen Indikationen Heilpflanzentees besonders geeignet sind und warum?
+ was Arzneitees von Kräutertees unterscheidet,
+ welche Besonderheiten Pflanzenpresssäfte auszeichnen und
+ warum sie ungeöffnet auch ohne Konservierungsmittel so lange haltbar sind.

Was macht die Pflanze zum Arzneimittel? Pflanzliche Zubereitungen können und müssen in bestimmten Fällen als Arzneimittel deklariert werden. Nämlich dann, wenn der Hersteller für sie eine pharmakologische Wirkung auslobt. Für Phytopharmaka gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten der Zulassung als Arzneimittel: Die Vollzulassung, den „well-established-use“ und den „traditional-use“.

Pflanzliche Bestandteile können auch in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) enthalten sein, sie sind dann auch als solche zu kennzeichnen und tragen weder Zulassungs- noch Registrierungsnummer. Meist erkennt man sie an Begriffen wie „Tagesbedarf “ oder „Verzehrempfehlung“. NEM sollen die Ernährung ergänzen oder ernährungsspezifische Mängel ausgleichen. Ihre gesundheitsbezogenen Aussagen, sogenannte „Health-Claims“, unterliegen strengen Regularien von Seiten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Im Falle von Teezubereitungen spricht man bei Nahrungsmitteln meist von Kräuter- oder Früchtetee. Für die Vollzulassung eines pflanzlichen Arzneimittels müssen präklinische und klinische Studiendaten über Wirksamkeit, Toxikologie und Unbedenklichkeit genau wie bei einem synthetischen Arzneimittel vorgelegt werden.

Für viele pflanzliche Arzneimittel liegen solche Daten aber nicht vor und Aufwand und Kosten für klinische Studien, zum Beispiel für die Zulassung eines Arzneitees, wären immens. Für sie gibt es eine Zulassung unter erleichterten Bedingungen. Hier wird bei nachgewiesener Qualität auf die Vorlage von eigenen Studien verzichtet. Statt dessen werden andere gut etablierte Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweise, wie zum Beispiel die ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy)- und HMPC (Commitee on Herbal Products)-Monographien akzeptiert.

Well-established-use Kann der Hersteller nachweisen, dass ein pflanzliches Arzneimittel seit mindestens zehn Jahren in der EU etabliert ist und eine anerkannte Wirksamkeit sowie ausreichende Sicherheit aufweist, erfolgt unter Bezug auf die allgemeine medizinische Verwendung (well-established use – WEU) eine bibliographische Zulassung. Für eine solche Zulassung können die Ergebnisse nichtklinischer und klinischer Studien durch detaillierte Verweise auf veröffentlichte wissenschaftliche Literatur ersetzt werden. Diese pflanzlichen Arzneimittel tragen wie bei einer Vollzulassung eine Zulassungsnummer.

Traditional use Davon abzugrenzen sind traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die Sie an der Registrierungsnummer erkennen. Sie durchlaufen ebenfalls ein erleichtertes Zulassungsverfahren, allerdings aufgrund einer langjährigen Anwendung (traditional use). Die Wirksamkeitsprüfung ist hier im Grunde eine Plausibilitätsprüfung der traditionellen Anwendung. Das heißt, durch jahrzehntelange Erfahrung mit den Heilpflanzen gilt ihre Wirksamkeit als belegt (Traditionsbeleg).

Um den Fortbestand dieser pflanzlichen Arzneimittel, dazu gehören auch viele Heilpflanzentees und Pflanzenpresssäfte, zu gewährleisten, wurde hier die Möglichkeit einer Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel geschaffen. Unter Anwendung findet man die Formulierung: „Traditionelles pflanzliches Arzneimittel für ...“ Um eine solche Registrierung zu erhalten, müssen die traditionellen Arzneimittel jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

  • Das Produkt muss eine belegte traditionelle medizinische Verwendung von mindestens 30 Jahre aufweisen, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union.
  • Die Wirksamkeit muss durch den Nachweis einer medizinischen Anwendung über die langjährige medizinische Anwendung plausibel sein.
  • In Hinblick auf die Anforderungen an die pharmazeutische Qualität des Arzneimittels gibt es keine Ausnahmen hinsichtlich der physikalischen, chemischen, biologischen oder mikrobiologischen Untersuchungen.
  • Die Sicherheit des Arzneimittels muss gewährleistet und seine Anwendung unbedenklich sein.
  • Die vorgeschlagenen traditionellen Indikationen müssen der Selbstmedikation zugänglich sein.
  • Die Anwendung muss oral, äußerlich oder inhalativ erfolgen.

Solche traditionellen pflanzlichen Arzneimittel dürfen auch außerhalb der Apotheke angeboten werden, zum Beispiel in Reformhäusern, Drogerien und Verbrauchermärkten. Und natürlich dürfen auch PKA einen Kunden in der Apotheke zu Pflanzenpresssäften und Arzneitees beraten.

Arzneitees Mit Arzneitees sind Sie vermutlich bereits ganz zu Anfang ihrer Ausbildung in Kontakt gekommen, sie sind Ihnen deshalb bereits gut vertraut. Sie werden aus Teedrogen, also getrockneten Teilen einer oder mehreren Pflanzen hergestellt – und diese zu bestimmen, ist Gegenstand zahlreicher Prüfungen in der PTA-Schule. Üblicherweise handelt es sich um kleingeschnittene, manchmal auch um ganze Pflanzenteile.

In Frage kommen die Blätter (Folium), Blüten (Flos), das Kraut, also die gesamte oberirdische Pflanze (Herba), die Wurzel (Radix), die Rinde (Cortex), der Wurzelstock, auch Rhizom (Rhizoma) genannt, Samen (Semen) oder Früchte (Fructus). Heute werden viele dieser Drogen in Verbraucher-üblichen Abpackungsgrößen als Fertigprodukt, also als lose Tees oder Teebeutel, in die Apotheke geliefert, sodass sie von Ihnen nur noch abgegeben werden müssen. Das verringert den Prüfaufwand (nur stichprobenweise im Rahmen der Arzneimittelprüfung) und ist meist auch für den Kunden günstiger.

Es gehört aber auch zu den ureigensten Aufgaben der Apotheke, Tees abzufüllen oder Teemischungen herzustellen. Möglich ist dies durch Standardzulassungen. Das bedeutet, dass die erforderlichen Angaben zu Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in Form von Standardmonografien beim BfArM hinterlegt sind. Wäre dies nicht der Fall, müsste die Apotheke eine Zulassung beantragen.

In vielen Apotheken werden noch Tees abgefüllt und Teemischungen hergestellt. Das bedeutet für die PTA, dass sie alle Ausgangsstoffe auf Identität, Reinheit und Gehalt nach den Angaben des Arzneibuchs (z.B. Ph. Eur., DAB) oder ähnlicher Werke (z.B. DAC) prüfen muss (sofern die Teedrogen ein Prüfzertifikat aufweisen, entfällt die Prüfung auf Reinheit und Gehalt) und dies auch in einem Prüfprotokoll festhält.

Sie vergibt dafür eine interne Chargennummer. Stellt sie daraus eine Teemischung her, prüft die PTA vorher, ob die Bestandteile und die Mengenangaben der Rezeptur sinnvoll sind (Plausi-bilitätsprüfung). Weiterhin estellt sie eine Herstellungsanweisung, nach der sie den Tee herstellt. Die Anfertigung der Rezeptur wird zusätzlich in einem Herstellungsprotokoll mit der Chargenbezeichnung der Rohstoffe, der Soll- und Ist-Einwaagen und dem Namen des Kunden festgehalten.

Frau protokolliert etwas auf Klemmbrett.
Bevor der Tee abgepackt wird, werden nochmal Stichproben entnommen. © chriss_ns / iStock / Getty Images

Gute Mischung Teemischungen sind eine Komposition aus mehreren Drogen. Die klassische Teemischung besteht zunächst einmal aus Leit- oder Basisdrogen, dem Remedium cardinale. Diese sind die tragenden Substanzen für die Wirksamkeit des Tees und sollten auch Hauptbestandteil der Mischung sein. Maximal sollten hier aber zwei bis drei Basismittel verwendet werden. Eine Ergänzungsdroge, das Adjuvans, kann die Wirkung der Leitdroge verstärken.

Eine Hilfsdroge, Korrigens genannt, die in Richtung des Basismittels wirkt, verbessert den Geschmack oder die Verträglichkeit der Mischung. Füll- oder Schmuckdrogen, ein sogenanntes Konstituens, runden die Mischung ab. Eine Teemischung sollte insgesamt nicht mehr als sieben bis acht Bestandteile enthalten, da bei mehr Drogen die einzelnen Komponenten unterdosiert wären.

Lebensmittel oder Arznei? Grundsätzlich sind Arzneitees strenger reguliert als Schwarz-, Grün-, Früchte- oder Kräutertees, die als Lebensmittel eingestuft werden. Die Qualität der Arzneitees aus der Apotheke wird vom Arzneibuch vorgeschrieben und steht für eine hohe Qualität, die durch laufende Kontrollen gesichert ist. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Wirkstoffmenge.

Auch als registriertes Arzneimittel muss ein Arzneitee gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sicherstellen. Ein Lebensmitteltee muss den Anforderungen des Lebensmit- telgesetzes genügen, er muss keinen Wirkstoffmindestgehalt aufweisen. Am Beispiel Kamillentee lässt sich das verdeutlichen: Kamillentee von Arzneibuchqualität besteht aus Kamillenblüten, denn sie ent- halten den höchsten Wirkstoffanteil von ätherischen Ölen und Flavonoiden.

Ein Kräutertee aus Kamillenblüten im Sinne eines Lebensmittels darf das gesamte Kamillenkraut enthalten, also auch Blätter und Stängel, die wenig Wirkstoff enthalten. Auch beim Pfefferminztee kann der Hersteller beim Lebensmittel qualitative Abstriche machen: Während das Arzneibuch mindestens 1,2 Prozent ätherisches Öl vorschreibt, dürfen im Lebensmitteltee neben den Blättern von Mentha piperita auch fremde Minzarten mit einem geringeren Mentholgehalt sowie ein hoher Stängelanteil enthalten sein.

Viele Kunden fragen den Vor- und Nachteilen von Teebeuteln im Vergleich zum losen Tee. Beim Filterbeutel ist die Dosierung immer gleichbleibend und somit genauer als beim losen Tee. Bei losen Teemischungen kann es passieren, dass sich die Bestandteile beim Transport entmischen, das hätte beim Beuteltee keine negativen Konsequenzen.

Durch den hohen Zerkleinerungsgrad im Portionsbeutel können die Inhaltsstoffe gut extrahiert werden – die Kehrseite dieses Vorteils ist, dass flüchtige Inhaltsstoffe leichter entweichen können. Dies lässt sich durch Aromaschutzhüllen begrenzen.

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