Licht ins Dunkel
16 Minuten
- 1Anspruch und Belieferung
- 2Hilfsmittelrezept
- 3Produktgruppen
- 4Kosten
- 5Vertragsdschungel
- 6Fortbildung
01. Mai 2020
Hilfsmittel sind definitionsgemäß sächliche medizinische Leistungen, die im Einzelfall Körperfunktionen ersetzen, ergänzen oder erleichtern. Hilfsmittel zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie beweglich sind. Dazu gehört eine breite Palette an Produkten: Von Bandagen über Sehund Hörhilfen (Brillen, Hörgeräte), Körperersatzstücke (Prothesen), orthopädische Hilfsmittel (z. B. orthopädische Schuhe, Rollstühle), Inkontinenz- und Stoma-Artikel, Kompressionsstrümpfe, Inhalations- und Atemtherapiegeräte bis hin zu technischen Produkten, mit denen Arzneimittel oder andere Therapeutika in den menschlichen Körper eingebracht werden (z. B. bestimmte Spritzen, Applikationshilfen zur Verabreichung von Arzneimitteln). Die Hilfsmittel sind zulassungsrechtlich Medizinprodukte, aber nicht jedes Medizinprodukt zählt zu den Hilfsmitteln. So sind beispielsweise Verbandmittel wie Mullbinden oder Pflaster keine Hilfsmittel. Auch Teststreifen zählen nicht dazu.
Anspruch auf Hilfsmittel Die Versorgung mit Hilfsmitteln ist für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Paragraph (§) 33 Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Demnach haben Versicherte einen Anspruch auf Hilfsmittel, wenn diese dazu dienen, den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst zudem eine eventuell notwendige Änderung oder Anpassung, die Reparatur und die Beschaffung von Ersatz sowie die Einweisung in den Gebrauch der Hilfsmittel. Bei lebenswichtigen medizinischen Geräten (z. B. elektronische Infusionspumpen) besteht darüber hinaus ein Anspruch auf technische Kontrolle und Wartung, um die Sicherheit der Geräte und damit den Schutz der Versicherten zu gewährleisten.
Um die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten, besteht bei lebenswichtigen medizinischen Geräten auch ein Anspruch auf technische Kontrolle und Wartung.
Hilfsmittelversorgung Werden Hilfsmittel auf einem rosa Rezept (Muster 16) verordnet (eine generelle Verordnungspflicht besteht nicht), müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Leistungserbringer wie die Apotheke das verordnete Hilfsmittel mit der Krankenkasse abrechnen kann. Grundvoraussetzung für die Hilfsmittelversorgung ist, dass alle Leistungserbringer in einem bestimmten Qualifizierungsverfahren ihre Eignung für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel nachgewiesen haben (Präqualifizierung). Zu den Leistungserbringern zählen nicht nur die Apotheken. Daneben existieren weitere Bezugsquellen für Hilfsmittel wie beispielsweise Sanitätshäuser, Fachhandel für Orthopädie oder Homecare-Unternehmen.
Eine zentrale Rolle bei der Versorgung mit Hilfsmitteln spielen außerdem Versorgungsverträge. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) hat der Gesetzgeber 2007 beschlossen, dass nur derjenige Hilfsmittel abgeben darf, der im Hilfsmittelbereich Vertragspartner der Krankenkasse ist. Damit wird die Belieferung eines bestimmten Hilfsmittels vertraglich bei der jeweiligen Krankenkasse geregelt. Das bedeutet, dass die Leistungserbringer (z. B. Apotheke) oder deren Organisationen (z. B. Apothekerverbände) immer ein Vertragsverhältnis mit der Krankenkasse (z. B. Barmer GEK) beziehungsweise deren Verbänden (z. B. Verband der Ersatzkassen/vdek) eingegangen sein müssen.
Eine Apotheke muss daher vor Abgabe eines Hilfsmittels immer erst prüfen, ob sie sowohl präqualifiziert als auch Vertragspartner ist und damit ihren Kunden überhaupt beliefern darf. Es ist gar nicht so selten, dass die eine oder andere Voraussetzung fehlt. So erfüllen beispielsweise nicht alle Apotheken die besonderen Eignungsvoraussetzungen zur Belieferung mit Kompressionsstrümpfen. Häufig liegen auch keine entsprechenden Versorgungsverträge mit der jeweiligen Krankenkasse vor.
Versorgungsverträge Es existieren verschiedene rechtliche Grundlagen für die Hilfsmittelversorgungsverträge. Die Regelungen dazu finden sich im SGB V § 127 Abs. 1–3. Bis vor kurzem wurden bei bestimmten Produkten, wie beispielsweise Hilfsmitteln zur saugenden Inkontinenz oder Geräten zur Therapie einer Schlafapnoe, vor allem Ausschreibungsverträge geschlossen. Bei dieser Art von Verträgen hat die Kasse die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln exklusiv ausgeschrieben. Der Vertragsinhalt war vom Auftraggeber vorgegeben und konnte nicht verhandelt werden. Der „Gewinner“ hat den Zuschlag für die Belieferung erhalten und keine weiteren Leistungserbringer konnten dem Vertrag beitreten.
Es existierte üblicherweise nur ein Vertragspartner pro ausgeschriebenen Versorgungsbereich und pro Region, der dann die Versicherten der entsprechenden Krankenkassen direkt mit dem Hilfsmittel beliefert hat (z. B. für saugende Inkontinenzartikel bei der Barmer GEK). Letztes Jahr wurden mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) Änderungen für den Hilfsmittelbereich beschlossen. Demnach soll es zukünftig keine neuen Ausschreibungen mehr geben und laufende Ausschreibungsverträge verlieren nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten ihre Gültigkeit. Überwiegend kommen heute Verträge auf dem Verhandlungsweg auf Grundlage § 127 Abs. 2 SGB V zustande. Hierfür schließen die Krankenkassen beziehungsweise ihre Verbände (z. B. vdek) zuvor mit bestimmten Hilfsmittelherstellern Verträge für die Versorgung ihrer Versicherten ab.
Die Hilfsmittelanbieter oder deren Organisationen (z. B. Deutscher Apothekerverband/ DAV oder regionaler Apothekerverband) müssen diesen Versorgungsverträgen anschließend beitreten, um die Hilfsmittel abgeben zu dürfen (Beitrittsvertrag). Üblicherweise werden so die Rahmenbedingungen und Preise für Hilfsmittel vereinbart. Nur wer als Hilfsmittelanbieter die entsprechenden Voraussetzungen (Präqualifizierung) erfüllt, kann dem Vertrag beitreten. Bei einigen Verträgen ist kein ausdrücklicher Beitritt erforderlich, sondern die Mitglieder eines Apothekerverbandes sind automatisch Vertragspartner. Dies muss allerdings mitunter erst bestätigt werden. Es gibt aber auch den Fall, dass die Versorgung für ein erforderliches Hilfsmittel nicht vertraglich geregelt wurde.
Eine Belieferung von nicht in den Hilfsmittellieferverträgen aufgenommenen Hilfsmitteln kann dennoch durch Vereinbarung im Einzelfall (§ 127 Abs. 3 SGB V) zustande kommen. Dafür muss zuvor eine Genehmigung durch Einreichen eines Kostenvoranschlages bei der Krankenkasse eingeholt werden. Achtung: In einigen Fällen können vor Abgabe eines Hilfsmittels auch Kostenvoranschläge notwendig werden, obwohl ein Versorgungsvertrag mit der entsprechenden Krankenkasse existiert und damit ein bestimmtes Hilfsmittel grundsätzlich geregelt ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn gewisse Preisgrenzen überschritten wurden. Dabei variiert die Genehmigungsfreigrenze, also der Betrag, über dem die Krankenkasse für die Hilfsmittelbelieferung vorab einen Kostenvoranschlag fordert, je nach Kasse und Vertrag erheblich. Genaueres findet sich dazu in den entsprechenden Lieferverträgen. Ebenso kann es vorkommen, dass kein Vertragspreis existiert. Auch dann muss in der Regel ein Kostenvoranschlag gestellt werden.