Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
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Lebensmittel-Intoleranzen: verstehen, beachten, beraten

Lactose, Fructose, Gluten und Histamin aus Nahrungsmitteln machen immer mehr Menschen zu schaffen. Hier lernen Sie, warum das so ist, worauf Betroffene achten sollten und wie Sie ihnen helfen. 

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Fast jeder fünfte Mitteleuropäer leidet unter einer Lactoseintoleranz. Das heißt, er verträgt keine Nahrungsmittel, die Milchzucker (Lactose) enthalten.

Lactose ist ein Disaccharid, das aus je einem Molekül Glucose und Galactose besteht.

Der Zweifachzucker wird normalerweise im Dünndarm durch das Verdauungsenzym Lactase in seine resorbierbaren Einzelbestandteile gespalten. Fehlt das lactosespaltende Enzym ganz oder wird es nicht in ausreichendem Maße produziert, gelangt die Lactose unverdaut in den Dickdarm, wo sie den ansässigen Bakterien als Nahrung dient. 

Die Bakterien vergären den Milchzucker. Dabei entstehen große Mengen an Gasen und organischen Säuren. Sie machen sich als Blähungen bemerkbar, führen zu verstärkten Darmbewegungen und lassen vermehrt Wasser ins Darmlumen einströmen, was Durchfall zur Folge hat. Häufig sind diese typischen Beschwerden noch mit Bauchschmerzen und Krämpfen verbunden.

Möglich ist auch, dass die Lactoseunverträglichkeit mit völliger Beschwerdefreiheit einhergeht. Dann spricht man von einer Lactosemaldigestion.

Primärer und sekundärer Lactasemangel

In sehr seltenen Fällen ist von Geburt an keine Enzymaktivität vorhanden. Das nennen wir einen primären angeborenen Lactasemangel. Die häufigere Erscheinungsform ist der primäre erworbene Lactasemangel, bei dem im Laufe des Lebens die Enzymaktivität langsam zurückgeht. Das ist ein physiologischer Vorgang, der nach dem Abstillen beginnt und bei den unterschiedlichen Völkern verschieden stark ausgeprägt ist. 

Während in den nordeuropäischen Ländern wie Skandinavien der Verlust der Lactaseaktivität sehr selten (3 bis 8 Prozent) ist, steigt der Anteil der Betroffenen im Mittelmeerraum auf circa 70 Prozent und in Afrika nahe der Äquatorialzone auf 98 Prozent an. Man erklärt sich die regionalen Unterschiede durch eine genetische Veränderung, die der durch Milchwirtschaft geprägten Bevölkerung Nord- und Mitteleuropas verbesserte Überlebenschancen gesichert hat.

Abzugrenzen von den primären Formen ist der sekundäre Lactasemangel. Dieser entsteht als Folge einer Erkrankung des Magen-Darm-Traktes, wenn die Oberfläche des Dünndarmepithels durch eine andere Krankheit (wie z. B. Zöliakie, Morbus Crohn) geschädigt wird. Bei dieser Form kann sich die Lactoseintoleranz zurückbilden, wenn die auslösende Grunderkrankung erfolgreich therapiert wird. 

Unterschiedliche Intensität

Der Schweregrad der Erkrankung ist bei jedem einzelnen sehr verschieden. Er ist davon abhängig, ob die Lactase ganz fehlt oder ob noch eine Restaktivität des Verdauungsenzyms vorhanden ist. Jeder Betroffene muss anhand seines Beschwerdebilds individuell herausfinden, wie viel Lactose er problemlos zu sich nehmen kann und den Verzehr lactosehaltiger Lebensmittel individuell stark einschränken.

Ein kompletter Verzicht auf Lactose ist meist nicht notwendig. Nur sehr selten treten Beschwerden bei Mengen unter 3 Gramm (g) auf. In der Regel machen sie sich erst nach größeren Aufnahmemengen (über 10 g) bemerkbar. Prinzipiell lassen sich für die meisten Betroffenen mehrere kleine Portionen eines lactosehaltigen Lebensmittels über den Tag verteilt besser verdauen als eine große Menge auf einmal.

Bei der Lebensmittelauswahl hilft ein Blick auf die Auflistung der Inhaltsstoffe. Doch Vorsicht: Milchzucker wird nicht immer als Milchzucker oder Lactose deklariert. Er kann sich auch hinter

  • Milch,
  • (Voll-, Mager-)Milchpulver,
  • (Süß-, Sauer-)Molke,
  • Molkepulver,
  • Sahne,
  • Milcheiweiß
  • Rahm

und weiteren Begriffen verbergen. 

Lactosearm, -haltig, -reich?

Schwieriger ist es mit unverpackten Lebensmitteln, für die es keine Zutatenliste gibt. Hier ist die prinzipielle Einteilung der Lebensmittel nach ihrem Lactosegehalt hilfreich. Es werden

  • lactosearme (unter 1 g Lactose/100 g),
  • lactosehaltige (1 bis 4,8 g/100 g) und
  • lactosereiche (über 4,8 g Lactose/100 g)

Lactosefrei

Lactosearm

Lactosehaltig

Lactosereich

Hartkäsesorten wie Parmesan, Emmentaler oder Bergkäse

Butter, Butterschmalz, die meisten Hart-, Schnitt- und Weichkäsesorten wie Camembert, Brie oder Fetakäse

Quark-Sorten sowie Hüttenkäse und die meisten Frischkäsezubereitungen, außerdem Joghurt, Kefir, Butter- und Sauermilch

Milch, Molke, Kakao, Kondensmilch, Mehl- und Süßspeisen (z. B. Milchreis, Pudding), Milchschokolade

Ein Großteil des Milchzuckers bleibt in der Molke zurück, der Rest wird während des Reifeprozesses durch Mikroorganismen abgebaut.

Werden von den meisten Betroffenen gut vertragen. Bei diesen Lebensmitteln bleibt ein Großteil des Milchzuckers in der Buttermilch beziehungsweise in der Molke zurück.

Umso bekömmlicher, je mehr an milchsäurebildenden Bakterien enthalten sind, da diese Milchzucker teilweise abbauen. Fetthaltige Zubereitungen sind besser verträglich, da Fett die Kontaktzeit im Darm verlängert und so bei vorhandener Restaktivität der Lactase mehr Milchzucker aufgespalten wird.

Molkenkäse wie Ricotta oder Schmelzkäse können zu den lactosereichen Lebensmitteln zählen, da sie oft unter Zusatz von Milchpulver hergestellt werden.

 

Frei von Lactose sind Kokos-, Reis-, Mandel-, Hafer- oder Sojamilch. Sie dienen als Ersatz für Kuhmilch. Milch anderer Tiersorten wie Schaf-, Ziegen- oder Stutenmilch weisen hingegen einen ähnlichen Lactosegehalt wie Kuhmilch auf.

Zudem bieten immer mehr Geschäfte als „lactosefrei“ deklarierte Milch und Milchprodukte an. Dabei handelt es sich nicht um Milch-Ersatzprodukte, sondern um speziell aufgearbeitete Kuhmilch. Ihr wurden während des Herstellungsprozesses Enzyme zugesetzt, die dafür sorgen, dass die enthaltene Lactose bereits in Glucose und Galactose aufgespalten vorliegt. 

Vorsicht: Fettreduzierte Milchprodukte sind oft schlecht verträglich. Sie sind häufig mit Milchzucker angereichert, da dieser Wasser gut bindet und es so ermöglicht, eine größere Menge an Lebensmitteln bei nahezu gleicher Kalorienmenge herzustellen. 

Ein künstlicher Lactosezusatz findet sich auch in vielen Fertigprodukten, denn Milchzucker ist ein Geschmacksverstärker. Zudem reagiert er mit Eiweißen, womit sich ein beliebter Bräunungseffekt bei Backprozessen erzielen lässt. Somit findet man Lactose in vielen Produkten, bei denen man es auf den ersten Blick nicht erwarten würde, beispielsweise Backwaren, Müslimischungen, Fleisch- und Wurstwaren, Fischkonserven, Salatsaucen oder Süßigkeiten.

Lactose ist auch ein verbreiteter Trägerstoff bei vielen Medikamenten, der für eine bessere Festigkeit oder ein größeres Volumen sorgt. Ein entsprechender Hinweis findet sich in der Fachinformation oder m Beipackzettel. 

Lactase-Substitution 

Manchmal reicht eine Ernährungsumstellung nicht aus, um beschwerdefrei zu werden. Oder es lässt sich nicht vermeiden, dass Lactose im Essen ist, etwa im Restaurant. Dann helfen Ezympräparate, die die Lactose-aufspaltende Lactase enthalten. Sie werden unmittelbar vor oder zur Mahlzeit eingenommen.

Die Präparate beinhalten unterschiedliche Enzymeinheiten, die als FCC-Einheiten (Food Chemical Codex) pro (Kau-)Tablette oder Kapsel angegeben werden. So kann beispielsweise eine Kautablette mit 3000 FCC ungefähr den Milchzucker aus 300 Millilitern Milch spalten, das sind rund fünf Gramm (Faustregel!). Die erforderliche Dosis ist aber nicht nur Präparate-abhängig, sie ist auch individuell sehr unterschiedlich und muss daher von jedem Betroffenen selbst ermittelt werden. 

3000 FCC Lactase spalten den Milchzucker in 300 Millilitern Milch.

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