Küchenkraut oder Heilpflanze? Beides!
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01. Januar 2024
Eine gesunde, möglichst naturnahe Ernährung ist schon seit längerem für viele Menschen von Bedeutung. Die Lieferprobleme im Rahmen der Corona-Pandemie sowie die steigenden Lebensmittelkosten durch die Inflation haben die Möglichkeiten zur Eigenversorgung noch interessanter werden lassen.
Auch zu dieser Jahreszeit können Sie damit gleich mit ein paar Küchenkräutern auf der Fensterbank beginnen! Da Sie als PKA wissen, dass die Inhaltsstoffe je nach Pflanze in den unterschiedlichsten Pflanzenteilen zu finden sind, werden die beschriebenen Arzneipflanzen hier nicht wie in einem Kochbuch benannt, sondern auch so, wie Sie es aus Ihrer Ausbildung kennen:
Melissenblätter (Melissae folium)
Die Heilwirkung der Melissenblätter, wegen ihres Duftes auch Zitronenmelisse genannt, ist äußerst vielfältig. Melisse beruhigt bei Stresssymptomen und wirkt einschlaffördernd, wobei die ätherischen Öle in Teemischungen auch gleich den unangenehmen Baldriangeruch und -geschmack etwas überdecken sollen.
Außerdem hilft Melisse bei Magenbeschwerden und wird lokal als Creme wegen der antiviralen Wirkung bei Lippenherpes eingesetzt. In der Küche verfeinern Melissenblätter alle Gerichte, zu denen das zarte erfrischende Zitronenaroma passt. Als Bestandteil beliebter Cocktails, beispielsweise zusammen mit Holunderblütensirup und Weißwein, Sekt oder kohlesäurehaltigem Mineralwasser erinnert es uns an den letzten Sommer.
Im Blumentöpfchen können Sie Blätter und zarte Stengel nach Bedarf frisch ernten. Einen Vorrat anzulegen ist kaum notwendig, denn die Pflanzen wachsen schnell nach. Dadurch können Sie buschig gewordene Pflanzen mitsamt den Wurzeln teilen und verschenken. Allerdings dürfen Sie nicht vergessen, regelmäßig zu gießen.
Lernziele
In dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung lernen Sie unter anderem:
+ Welche Teedrogen oder Heilpflanzen man auch als Küchenkräuter oder Gewürze in der Küche einsetzen kann,
+ welche Standorte für welche Pflanzen am besten geeignet sind und
+ welche Tipps Sie Ihren Kunden für eine gesunde Ernährung geben können.
Salbeiblätter (Salviae folium)
In der Apotheke kennen Sie Salbeiblätter als Tee oder Pastillen bei Halsschmerzen. Eingenommen als Tabletten sind Extrakte aus Salbeiblättern zur Schweißreduktion einen Versuch wert. Volksmedizinisch wird der Tee gerne zum Abstillen verwendet. Wegen des in höheren Konzentrationen giftigen Wirkstoffes Thujon sollte man aber nicht mehr als zwei bis drei Tassen pro Tag trinken.
In der Küche passen die Blätter zu vielen Fleisch- oder Fischgerichten. Wegen des intensiven Geruchs werden sie aber meistens nur gegen Ende der Garzeit kurz mitgekocht. Erhitzt in Butter oder pflanzlichem Öl können die Blätter als Salbeibutter über Nudeln gegeben werden. Junge Salbeiblätter können Sie dazu einfach frisch von der Pflanze abpflücken.
Aber auch getrocknete Salbeiblätter können Sie leicht selbst herstellen, indem Sie die Blätter noch kurz vor dem Blühen der Pflanze abschneiden. Dann werden sie als Strauß zusammengebunden und kopfüber an einer trockenen Stelle aufgehängt. Das kann sehr dekorativ aussehen!
Pfefferminzblätter (Menthae piperitae folium)
Die Heilwirkung kommt hauptsächlich durch den hohen Gehalt an Menthol zustande. Der Tee wirkt im Magen-Darm-Bereich krampflösend; vorsichtig muss man allerdings sein, wenn man zur Übersäuerung des Magens neigt. Beim Reizdarmsyndrom wird Pfefferminze deshalb in Form von magensaftresistenten Kapseln, die sich erst im Dünndarm auflösen, eingenommen. Gegen leichte oder beginnende Kopfschmerzen können Konzentrate an den Schläfen helfen, indem dort die Schmerzweiterleitung reduziert wird.
Mentholhaltige Inhalte mildern die Symptome einer verstopften Nase bei Erkältungen, allerdings dürfen damit keine Säuglinge und Kleinkinder behandelt werden, weil es bei ihnen durch den Reiz sogar zum Atemstillstand kommen kann. In der Küche können Sie mit frischen Blättern Salate und die verschiedensten Gerichte würzen und als essbare Dekoration einsetzen.
Einen Tee können Sie sowohl mit frischen als auch mit getrockneten Blättern kochen, der heiß und kalt getrunken werden kann. Als Blumenkübel auf dem Balkon oder im Garten angepflanzt locken die Blüten der Pfefferminzpflanze übrigens viele Bienen und Schmetterlinge an und tragen dadurch zur Biodiversität bei.
Rosmarinblätter (Rosmarini folium)
Wenn Sie die sehr harten, nadelartigen Blätter der Rosmarinpflanze abschneiden oder in die Hand nehmen, sollten Sie kaum meinen, dass es sich um Blätter und nicht um Nadeln handelt. Der immergrüne Strauch, der aus der Mittelmeerregion stammt und dort bis zu zwei Meter hoch wird, wird auch in unseren Gärten immer beliebter. Er duftet durch seine ätherischen Öle nicht nur angenehm und zeigt im Frühjahr seine Blühten, er braucht auch bei Trockenheit recht wenig Wasser und für den Garten gibt es sogar winterharte Sorten.
Als dekorative Kübelpflanze können Sie Rosmarin auch zu Hause haben und das ganze Jahr über Blätter und frische Triebe ernten. Da die Konzentration an ätherischen Ölen, hoch ist, reicht zum Kochen oft nur eine Spur kleingeschnittener frischer oder auch getrockneter Blätter. Um Zeit zu sparen, können Sie auch in die meisten Gerichte einfach einen ganzen Zweig bei der Zubereitung dazulegen, der später während des Essens noch zur Dekoration dient.
In der Apotheke treffen Sie Rosmarinblätter als Tee oder in Fertigarzneimittel gegen Verdauungsbeschwerden mit Blähungen, Völlegefühl und leichten Krämpfen im Magen- Darm-Bereich an. Durch die stark durchblutungsfördernde Wirkung der ätherischen Öle kommen Auszüge der Blätter in zahlreichen Rheumasalben zur Unterstützung von Muskel- und Gelenkbeschwerden vor.
Gerade im Herbst und Winter sind bei Verspannungen der Muskulatur auch wärmende Bäder beliebt. Selbst zubereiten geht auch: Dazu nehmen Sie für ein Teilbad von etwa 20 Litern Wasser einfach 100 g Rosmarinblätter. Als PKA wissen Sie natürlich, dass es auch bei pflanzlichen Arzneimitteln Kontraindikationen geben kann. In der Schwangerschaft sollten Zubereitungen mit Rosmarin nicht verwendet werden, das Gleiche gilt für Säuglinge und Kleinkinder.
Thymiankraut (Thymi herba)
Hier stimmt die Bezeichnung Kraut, denn bei den verwendeten Pflanzenteilen handelt es sich um alles, was über der Erde wächst. Weil Thymiankraut sehr viel ätherisches Öl mit dem Hauptinhaltsstoff Thymol, produziert, viele Indikationsgebiete hat und dabei der Geruch von den meisten Menschen als besonders angenehm empfunden wird, ist es in der Apotheke als Tee und in Form von vielen Fertigarzneimitteln nicht mehr wegzudenken.
Es ist dabei ein bewährter und beliebter Hustenlöser, den Sie in Form verschiedenster Applikationsarten wie Säfte, Pastillen, Trockenextrakte oder Inhalate kennen. Als frisch zubereiteter Tee trägt das Kraut durch die vom Tee ausgehende Wärme beim Trinken zusätzlich zur Hustenlösung bei. Da es sich um eine Krautdroge handelt, dauert es recht lange, bis genug ätherisches Öl aus den härteren Stängelanteilen herausgelöst ist.
Deshalb muss der Tee nach dem Überbrühen mindestens 15 Minuten ziehen. Dazu deckt man ihn ab, damit die ätherischen Öle nicht verdampfen. Zur Behandlung von Entzündungen am Zahnfleisch, im Mund und im Rachen wird Thymian auch als Tinktur zum Verdünnen oder als Bestandteil fertiger Gurgellösungen eingesetzt.
Als Badezusatz kann er nicht nur bei Erkältungen oder grippalen Infekten ohne Fieber, sondern auch zur Belebung bei allgemeiner Erschöpfung unterstützend wirken. In der Küche ist Thymiankraut vor allem bei mediterranen Gerichten äußerst beliebt, sowohl frisch als auch getrocknet. Im Gegensatz zu vielen anderen Kräutern verträgt es wegen seiner härteren Struktur und seines hohen Gehaltes an ätherischen Ölen längeres Kochen.
Auch deshalb ist Thymian fester Bestandteil der beliebten Mischung „Kräuter der Provence.“ Als Küchenkraut können neben dem Arzneithymian (Thymus vulgaris) auch andere Sorten eingesetzt werden, die zusätzlich besondere Aromen wie Orangenduft versprühen können. Wenn Sie Thymiankraut selbst anbauen möchten, brauchen sie einen Standort mit praller Sonne im Garten.
Die Pflanze ist zwar prinzipiell frosthart, als mediterrane Pflanze kommt sie allerdings mit viel Feuchtigkeit im Winter nur schwer zurecht und fault schnell. In diesem Fall ist es besser, das Kraut im November zu ernten und an einem luftigen Ort zu trocknen. In getrockneter Form würzt das Kraut übrigens meistens sogar noch besser als das frische.
Ingwerwurzelstock (Zingiberis rhizoma)
Als Arzneipflanze ist Ingwer schon länger in Europa etabliert. Obwohl selbst in Fachkreisen oft von der Ingwerwurzel gesprochen wird, handelt es sich aber nicht um eine Wurzel im botanischen Sinn, sondern um ein Rhizom, also um einen Wurzelstock, der vom Gewebeaufbau einen unterirdischen Stängel darstellt. Therapeutisch eingesetzt wird Ingwer wegen seines speziellen ätherischen Öls mit Scharfstoffen wie Gingerol zur Appetitanregung und Verdauungsförderung sowie als Antiemetikum.
Da für diese Indikation eine größere Menge, nämlich von zwei Gramm, notwendig ist, wird zum Schutz des Magens meistens eine Kapsel als Darreichungsform bevorzugt. Als Gewürz tritt Ingwer seit einigen Jahren durch die gestiegene Beliebtheit der asiatischen, besonders der indischen Küche immer mehr in unseren Alltag ein, ob als Curry oder zur Verfeinerung von Schokolade.
Die ätherischen Öle und Scharfstoffe sorgen für die spezielle Geschmacksnote und wirken direkt während der Mahlzeit verdauungsfördernd. Vorzugsweise wird mit frisch abgeriebenem oder geschnittenem Ingwer gewürzt, der sich im Kühlschrank lange hält. Aber auch getrocknet in Pulverform kann es schnell eingestreut werden.
Kurkuma (Curcumae longae rhizoma)
Auch Kurkuma gehört zu den Ingwergewächsen, verwendet wird ebenfalls das Rhizom. Die entzündungshemmende und antioxidative Wirkung ist zwar schon lange bekannt, besonders aus der ayurvedischen Medizin, einer traditionellen indischen Heilkunst. In westlichen und europäischen Ländern ist das medizinische Interesse an Kurkuma auch in der Schulmedizin wegen der Entzündungshemmung gewachsen.
Da die stark gelbliche Farbe von vielen Oberflächen nur schwer zu entfernen ist, werden Darreichungsformen wie Kapseln gegenüber dem puren Pulver oder den frischen Wurzelstöcken meistens bevorzugt. In der Schulmedizin wird Kurkuma bei Verdauungsbeschwerden, die mit Problemen des Gallenflusses und der Magen-Darm-Motorik einhergehen, eingesetzt. Bei Gallensteinen ist aber Vorsicht angesagt.
Als ein wesentlicher Bestandteil der Gewürzmischung Curry ist Kurkuma seit Generationen in nahezu jedem Haushalt zu finden. Welche weiteren Kräuter und Gewürze sich in Curry-Gewürzmischungen außerdem befinden, ist gesetzlich nicht geregelt und kann von Hersteller zu Hersteller, teilweise sogar von Charge zu Charge variieren. Den Allergikern unter Ihren Kunden sollten Sie deshalb raten, auf vorgefertigte Mischungen zu verzichten und diese lieber selbst herzustellen.
In den letzten Jahren ist Kurkuma aber auch als entscheidende Zutat von „Goldener Milch“ bekannt geworden. Dabei wird Kurkumapulver in Kuhmilch oder Milchalternativen wie Mandel-, Hafer- oder Sojamilch zusammen mit etwas Pfeffer, Zimt oder Ingwer aufgelöst oder zusätzlich auf den Milchschaum gestreut. Gesüßt wird meist mit Honig oder Ahornsirup. Das goldgelbe, cremige, leicht würzige Getränk ist besonders bei gesundheitsbewussten Menschen beliebt.
Knoblauch (Allii sativi bulbus)
Die Zwiebel der Knoblauchpflanze bildet um die Hauptzwiebel herum zur Vermehrung zahlreiche Brutzwiebel, die als Zehen bezeichnet werden. Mit diesen lassen sich die verschiedensten Gerichte würzen, ob roh, gebraten, oder gekocht, als ganze Zehen, geschnitten oder als Pulver. Zur Haltbarmachung lassen sich die Zehen auch gut in Essig oder Öl einlegen. Die länderund kulturübergreifende Beliebtheit liegt auch an der antibakteriellen Wirkung durch die Senföle.
Den Geruch, der vor allem am nächsten Tag über die Atemluft und die Haut ausgeschieden wird, finden allerdings viele Menschen unangenehm, weshalb die Menge des verwendeten Knoblauchs für gemeinsame Mahlzeiten vorher abgesprochen werden sollte. Als Arzneimittel wird die Knoblauchzwiebel traditionell zur Unterstützung bei erhöhten Cholesterinwerten eingesetzt, um Gefäßablagerungen (Atherosklerose) vorzubeugen.
Volksmedizinisch wird Knoblauch auch bei leicht erhöhtem Blutdruck verwendet. Bevorzugt werden dabei Darreichungsformen wie Kapseln, um den Geruch bei der Einnahme zu umgehen. Auch wenn aus den Wirkstoffgemischen der Fertigarzneimittel sehr geruchsintensive Substanzen wie Lauchöle teilweise herausgefiltert worden sind, werden durch enzymatische Reaktionen im Körper aus dem zunächst geruchsfreien Wirkstoff Alliin später geruchsintensivere schwefelhaltige Verbindungen. Vielleicht hat auch aus diesem Grund die Beliebtheit von Knoblauchpräparaten in den letzten Jahren etwas abgenommen.
Schmuckdrogen
Neben den klassischen Teedrogen mit ihren jeweiligen Indikationen werden in Teemischungen auch gerne farbenfrohe Blüten wie blaue Kornblumenblüten, orangegelbe Calendulablüten oder rote Klatschmohnblüten beigemischt. Diese Blüten haben zwar keine therapeutische Wirkung im engeren Sinn, (obwohl Calendulablüten auch eine wundheilungsfördernde Wirkung haben), stattdessen erhöhen sie als sogenannte Schmuckdrogen die Beliebtheit der Teemischung und damit die Compliance, die ganz wesentlich zum Therapieerfolg mit beiträgt.
Auch in Ihrer Küche können Sie mit Schmuckblüten, ob in frischer, getrockneter oder eingefrorener und wieder aufgetauter Form vom Cocktail bis zum Nachtisch Ihren Mahlzeiten eine ganz individuelle Note verleihen. Natürlich ist es auch hier wichtig, auf Allergien zu achten, aber das kennen Sie ja bereits aus Ihrem Apothekenalltag.
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.
Hier finden Sie die komplette PKA-Fortbildung der Ausgabe 11/2023 als PDF-Download.