Immer gut versorgt?
20 Minuten
- 1Einleitung
- 2Mangel bei Kindern
- 3Mangel in Schwangerschaft & Stillzeit
- 4Weitere Risikogruppen
- 5Fortbildung
01. April 2022
Nahrungsergänzung in Schwangerschaft und Stillzeit Eine ausreichende Versorgung der Schwangeren mit Mikronährstoffen ist eine wichtige Voraussetzung für eine komplikationslose Schwangerschaft und eine gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes. Ebenso essenziell ist sie während der Stillzeit beziehungsweise im Wochenbett. Es muss nicht nur der Nährstoffbedarf des Säuglings über die Muttermilch gedeckt werden.
Zudem sind mütterliche Speicher teilweise wieder aufzufüllen, weshalb auch der Bedarf einiger Nährstoffe bei nichtstillenden Müttern nach der Geburt erhöht ist. Kritisch ist grundsätzlich die Lage bei Folsäure und Jod. Da ihre Zufuhr über die Nahrung nicht zufriedenstellend zu realisieren ist, sollten beide Mikronährstoffe supplementiert werden. Die DGE empfiehlt Frauen mit Kinderwunsch, spätestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft eine Nahrungsergänzung mit Folsäure zu beginnen und während des ersten Drittels der Schwangerschaft fortzuführen.
Die Empfehlung zur Supplementierung von Jod gilt während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit. Ebenso ist der Eisenbedarf in diesen Zeiten erhöht, Supplemente sind aber nicht immer, sondern erst bei einem ärztlich nachgewiesenen Mangel erforderlich. Erfahrungsgemäß sind Schwangere und Stillende auch nicht immer ausreichend mit Docosahexaensäure (DHA) versorgt, sodass Supplemente mit dieser Omega-3-Fettsäure in Betracht gezogen werden können. Darüber hinaus wird auch die Gabe von Vitamin D als sinnvoll erachtet, da die Gesamtbevölkerung in allen Altersstufen häufig mit dem fettlöslichen Vitamin unterversorgt ist. Erhalten Schwangere und Stillende täglich 20 µg (800 I.E.), erhöht sich zugleich der Vitamin-D-Status beim Kind.
Folsäure rechtzeitig supplementieren Sowohl Schwangere als auch Stillende haben einen erhöhten Bedarf an Folat, so werden die natürlichen Folsäureverbindungen aus der Nahrung genannt. Das wasserlösliche B-Vitamin fungiert im Organismus als Coenzym für die Übertragung von Ein-Kohlenstoffeinheiten und wird somit vor allem beim Zellwachstum, der Zellteilung, der Blutzellbildung im Knochenmark und für den Aufbau der Erbsubstanz benötigt.
Damit steigt auch der Bedarf in der Schwangerschaft infolge der Vergrößerung des Uterus, der Anlage der Plazenta, der Zunahme der mütterlichen Erythrozytenzahl und des embryonalen Wachstums. Zu geringe Folatspiegel erhöhen beim Ungeborenen das Risiko für bestimmte Fehlentwicklungen wie Neuralrohrdefekte, die mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen sowie Herzfehlern oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalten einhergehen können. Auch werden ein verringertes Geburtsgewicht sowie Spontanaborte und Frühgeburten damit in Verbindung gebracht.
Folsäure wurde erstmals aus Spinatblättern isoliert, wie auch die Bezeichnung der Verbindung (lat. folium = Blatt) erkennen lässt. Folsäure kommt ursprünglich in dieser Form nicht in Naturprodukten vor, sondern ist ein Kunstprodukt, das bei der Isolierung entsteht. Die natürlichen Folsäureverbindungen, die in der Nahrung enthalten sind, unterscheiden sich in der Anzahl ihrer Glutamylreste in der Seitenkette. Sie werden als Folate bezeichnet, wobei der wichtigste Vertreter das 5-Methyltetrahydrofolat (5- MTHF) ist.
Folate sind praktisch in allen Blattgemüsen zu finden. Daneben weisen Hefe, Weizenkeime und Leber einen hohen Gehalt auf. Folsäure zur Supplementierung ist synthetisch hergestellt und besitzt selbst noch keine Vitaminfunktion. Die Substanz muss erst im menschlichen Organismus in mehreren Schritten in die biologisch aktive Folatverbindung überführt werden, damit sie verwertet werden kann.
Im Gegensatz zu den sehr instabilen Nahrungsfolaten handelt es sich bei der synthetischen Folsäure um stabile Verbindungen, die zudem eine höhere Bioverfügbarkeit besitzen. Für die Embryonalentwicklung sind ausreichende Erythrozytenfolatspiegel essenziell. Da sich das Neuralrohr bereits zwischen dem 22. und 28. Tag der Schwangerschaft und damit etwa sechs Wochen nach dem ersten Tag nach der letzten Menstruation schließt, müssen präventiv wirksame Erythrozytenfolatspiegel bereits vor der Schwangerschaft aufgebaut werden, um kindliche Fehlbildungen zu vermeiden. Daher ist es wichtig, mit der Einnahme der empfohlenen Menge von 400 µg Folsäure bereits spätestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft zu beginnen.
800 µg sind nötig, wenn mit der Supplementation erst kurz vor oder sogar nach der Konzeption gestartet wird. In der Praxis hat sich – unabhängig von der DGE-Empfehlung - überdies die Gabe von 400 μg ab der 13. Woche bis zum Ende der Stillzeit etabliert. Frauen, die bereits ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt geboren haben, benötigen präventiv vier bis fünf Milligramm (mg!) Folsäure über den gleichen Zeitraum hinweg. Da einige Frauen aufgrund einer Enzymvariante nicht ausreichend biologisch aktives Folat aus synthetischer Folsäure bilden können, sind auch Präparate auf dem Markt, die neben Folsäure bereits die körpereigene Vitaminform 5-MTHF enthalten.
Vitamin A Retinol spielt beim Sehvorgang eine wichtige Rolle, ist für die Fortpflanzung, das Wachstum sowie die Zelldifferenzierung erforderlich und stärkt das Immunsystem. Als gute Lieferanten gelten Leber, Eier und Milchprodukte. Die von der DGE empfohlenen Referenzwerte werden zusätzlich durch Verzehr der Vitamin A-Vorstufe Beta-Carotin gedeckt, das in der Darmwand zu Vitamin A umgewandelt wird.
Das Provitamin findet sich in pflanzlichen Quellen, wobei gelb-orange-farbiges Obst und Gemüse besonders viel davon enthalten. In der Schwangerschaft ist eine Überdosierung mit Vitamin A unbedingt zu vermeiden, da eine zu hohe Aufnahme schweren Missbildungen hervorrufen kann. Spezielle Vitaminpräparate für Schwangere verzichten daher zumeist auf Vitamin A und enthalten dafür das Provitamin, das keine Vitamin A-Intoxikation auslöst.
Generelle Jodmangelprophylaxe Ebenso ist der Jodbedarf in Schwangerschaft und Stillzeit deutlich erhöht. Das Spurenelement dient dem Aufbau der Schilddrüsenhormone und ist somit bei der Differenzierung von Zellen, am Wachstum sowie am Energie- und Wärmehaushalt beteiligt. Ein Mangel zeigt sich durch einen verlangsamten Stoffwechsel und geht mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Appetitmangel einher.
Nicht nur die Mutter benötigt Jod zur Aufrechterhaltung der eigenen Stoffwechseltätigkeit und zur Sicherstellung einer ausreichenden Jodversorgung des Säuglings über die Muttermilch. Auch der Fetus braucht es bereits im Mutterleib, da er ab der 10. bis 12. Woche Schilddrüsenhormone selbstständig bildet. Eine Unterversorgung mit dem Spurenelement kann die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes beeinträchtigen und ein Neugeborenen-Struma (Kropf) verursachen. Zudem erhöht sich die Gefahr von Fehlgeburten.
Meist lässt sich der Bedarf (Schwangere 230 μg, Stillende 260 μg pro Tag) nicht alimentär decken, denn Deutschland ist ein Jodmangelgebiet, dessen Böden zu wenig Jod enthalten. Somit fehlt das Spurenelement in der tierischen und menschlichen Nahrung. Auch eine Verwendung von jodiertem Speisesalz reicht während der Schwangerschaft und Stillzeit in der Regel nicht aus, um den erhöhten Jodbedarf zu decken. Daher wird generell neben einer jodreichen Ernährung eine tägliche Gabe von Supplementen mit 100 bis 150 μg Jod empfohlen. Die Einnahme sollte möglichst schon vor der Schwangerschaft begonnen und bis zum Ende der Stillzeit beibehalten werden. Frauen mit einer Schilddrüsenerkrankung müssen sich individuell von ihrem Arzt beraten lassen.
Die DGE rät der Gesamtbevölkerung zur Verwendung von jodiertem und fluoriertem Speisesalz und damit hergestellten Lebensmitteln.
Eisen bei nachgewiesenem Mangel In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Eisen bis aufs Doppelte aufgrund der Zunahme des mütterlichen Blutvolumens, der Bildung der Plazenta und des Mehrbedarfs des Fetus. Das Spurenelement ist als essenzieller Bestandteil des Hämo- und Myoglobins sowie verschiedener Enzyme (z. B. in der Atmungskette) unverzichtbar für den Sauerstofftransport und spielt somit eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel.
Mangelt es an Eisen (Eisenmangelanämie) sind geistige und körperliche Leistungseinbußen die Folge. Oftmals wird die empfohlene Zufuhr von 30 mg pro Tag alimentär nicht erreicht, was das Wachstum des Kindes behindern und das Risiko für Frühgeburten erhöhen kann. Um einen Eisenmangel zu erkennen, wird im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen der Eisenstatus regelmäßig überprüft.
Fällt der Hämoglobinwert unter 11 Gramm pro Deziliter Blut, wird von einer Eisenmangelanämie ausgegangen und der Arzt verordnet gut resorbierbare Eisen-II-Präparate. Eine eigenständige Einnahme ohne vorherige Laborkontrolle sollte unterbleiben, da zu viel Eisen die Bildung freier Radikale fördert. Auch nach der Geburt bleibt der Bedarf an dem Spurenelement erhöht. Die empfohlene Zufuhr beträgt 20 mg Eisen pro Tag. Diese Empfehlung richtet sich auch an nichtstillende Mütter im Wochenbett, um Eisenverluste aus der Schwangerschaft auszugleichen.
DHA bei unzureichendem Fischverzehr Erfahrungsgemäß sind Frauen in der Schwangerschaft auch nicht immer ausreichend mit Docosahexaensäure (DHA) alimentär versorgt. Die essenzielle Omega-3-Fettsäure ist wichtig für die fetale Hirnentwicklung, die spätere Sehfunktion sowie motorische und kognitive Funktionen des Kindes. Zudem geht man davon aus, dass eine ausreichende Versorgung das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Präeklampsie, Frühgeburt) senken kann und einen positiven Beitrag zur Allergieprävention leistet. Daher empfiehlt die DGE Schwangeren und Stillenden, die nicht regelmäßig wöchentlich zwei Portionen fetten Fisch verzehren, eine tägliche Supplementierung mit 200 mg DHA während des gesamten Zeitraums.