Hilfe bei Schmerzen
21 Minuten
- 1Schmerz und Schmerzmittel
- 2WHO-Stufenschema
- 3Nicht-opioide Analgetika
- 4Opioide allgemein
- 5Schwach und stark wirksame Opioide
- 6Schmerzpflaster
- 7Das BtM-Rezept
- 8Lernerfolgskontrolle
01. Januar 2025
Die zweite und dritte Stufe des WHO-Stufenschemas zur Schmerztherapie sehen schwach beziehungsweise stark wirksame Opioide vor, um mittelstarke bis starke Schmerzen zu behandeln.
Zweite und dritte Stufe – Opioid-Therapie
Opioid-Analgetika werden bei starken und sehr starken Schmerzen verordnet, wobei in eine
- kurzfristige (4 bis 12 Wochen),
- mittelfristige (13 bis 25 Wochen) und
- langfristige Therapie (über 26 Wochen)
unterschieden wird.
Klassisches Einsatzgebiet für Opioid-Analgetika sind Tumorschmerzen. Ebenso kommen sie nach Verletzungen und bei Operationen zur Anwendung. Daneben sind sie auch eine Therapieoption bei chronischen Arthrose- und Rückenschmerzen sowie bei chronischen Schmerzen aufgrund einer diabetischen Polyneuropathie oder Post-Zoster-Neuralgie, wenn nicht-medikamentöse Therapien und andere Schmerzmittel nicht ausreichend wirksam waren oder nicht vertragen wurden.
Opioide
In der Gruppe der Opioide werden Wirkstoffe zusammengefasst, die korrekterweise in Opiate und Opioide unterschieden werden müssten. Opiate sind jene Substanzen, die aus Opium gewonnen werden, dem an der Luft eingetrockneten braungefärbten Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum). Hauptalkaloid des Opiums mit etwa zwölf Prozent ist Morphin, daneben sind unter anderem noch Codein, Noscapin, Thebain und Papaverin enthalten.
Unter dem Begriff Opioide werden natürliche, synthetisch oder semisynthetisch hergestellte Wirkstoffe bezeichnet, deren chemischer Aufbau den Opiaten ähnelt. Sie wirken morphinartig, wobei die Intensität im Vergleich zu Morphin unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Zudem zeichnen sie sich durch verschiedene Vor- und Nachteile aus.
Die Wirkung von Morphin sowie sämtlicher Opioide wird über Opioidrezeptoren vermittelt. Sie sind auch Angriffspunkt für die körpereigenen Endorphine, die durch Besetzen der Opioidrezeptoren die Schmerzempfindung herabsetzen. Opioidrezeptoren befinden sich nicht nur im zentralen Nervensystem, also in verschiedenen Hirngebieten und im Rückenmark. Sie sind auch in der Peripherie, in den Nervengeflechten des Magen-Darm-Trakts und der Blase lokalisiert.
Die Opioide binden dort als Agonisten oder Partialagonisten mit unterschiedlicher Affinität an die verschiedenen Opioidrezeptoren (z. B. my-, kappa-, delta-Rezeptoren). Durch eine agonistische Erregung an den Opioidrezeptoren hemmen sie die Weiterleitung von Schmerzsignalen, aktivieren das körpereigene schmerzhemmende System und beeinflussen das persönliche Schmerzempfinden. Dadurch lassen die Schmerzen nach und werden als weniger belastend empfunden.
Grundregeln für die Opioid-Therapie
Die WHO gibt für die Umsetzung ihres Stufenschemas in ihren Guidelines noch zusätzliche Empfehlungen bei der Verabreichung der Medikamente. Folgende vier Grundprinzipien sollen eingehalten werden:
- By mouth: Die Applikation sollte möglichst oral erfolgen. Damit will die WHO zum Ausdruck bringen, dass – falls möglich – die orale der parenteralen Gabe vorzuziehen ist. Heute lässt sich mit transdermalen Pflastern eine noch größere Unabhängigkeit des Patienten erzielen.
- By the clock: Bei der Einnahme sollten feste Intervalle eingehalten werden. Die Dosis sollte schrittweise erhöht werden, bis sich der Patient wohlfühlt. Die nächste Dosis sollte verabreicht werden, bevor die Wirkung der vorherigen Dosis nachgelassen hat. Nicht ausgeschlossen ist damit aber eine Kupierung von Durchbruchschmerzen.
- For the individual: Die Dosierung, unter welcher der Schmerz kontrolliert werden kann, muss für jeden Patienten individuell bestimmt werden. Dabei sind Vorerkrankungen, Risiken und Komorbiditäten des Patienten zu berücksichtigen.
- Attention to detail: Die Dosierungen sollten an den persönlichen Tagesrhythmus angepasst sein. Strukturierte Hilfestellungen (wie etwa ein Medikationsplan mit der Auflistung aller einzunehmenden Arzneimittel mit Namen, Grund der Einnahme, Dosis und Einnahmehäufigkeit) helfen bei der korrekten Schmerztherapie.
Der Abhängigkeit vorbeugen
Bei der Opioidtherapie ist besonders eine psychische und physische Abhängigkeit gefürchtet. Das Risiko einer Suchtentwicklung (psychische Abhängigkeit) lässt sich aber durch eine Opioidgabe nach einem festen Zeitschema vermeiden. Außerdem werden retardierte Präparate eingesetzt, die ihren Wirkstoff langsam ins Blut abgeben und so einen Euphorisierungseffekt („Kick“) verhindern. Auf gleiche Weise wird auch das Problem der Toleranzentwicklung und Dosissteigerung (physische Abhängigkeit) stark reduziert.
Sollte eine Dosiserhöhung erforderlich sein, liegt das bei bestimmungsgemäßem Gebrauch also weniger an einer Abhängigkeit, sondern vielmehr an einer Schmerzverstärkung, die mit dem Krankheitsgeschehen einhergeht.
Werden die Opioide nicht mehr benötigt, werden sie langsam schrittweise abgesetzt. Durch ein allmähliches Ausschleichen können Entzugssymptome in der Regel zuverlässig abgewendet werden.
Nebenwirkungen beachten
Typischerweise stellen sich aber unter einer Opioidtherapie Nebenwirkungen ein. So kommt es neben einer Schmerzlinderung zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Sedierung (Fatigue). Einige leiden „nur“ unter Müdigkeit, bei anderen wird sie noch von Schwindel und Benommenheit begleitet.
Da die Patienten dadurch vor allem zu Beginn einer Opioid-Therapie in ihrer Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit stark eingeschränkt sind, dürfen sie anfangs keine schweren Maschinen führen und müssen auf ihr Auto verzichten. Zudem sollten Opioid-Patienten auf eine erhöhte Sturzgefahr aufmerksam gemacht werden, insbesondere ältere Personen.
Später ist im weiteren Therapieverlauf das Autofahren unter guter Einstellung von Retard-Präparaten in der Regel wieder problemlos möglich. Nur bei deutlicher Dosisänderung, Wechsel eines Opioids oder nach Einnahme eines schnell wirksamen Opioids gilt wieder ein absolutes Fahrverbot.
Ebenso klagen die Patienten über vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrose) sowie Übelkeit und Erbrechen. Während der gesamten Therapiedauer kann es zu Schweißattacken kommen. Übelkeit hingegen geht nach der Einstellungsphase wieder vorüber. Die Gabe antiemetisch wirksamer Substanzen wie Metoclopramid, Domperidon oder in schweren Fällen Haloperidol kann die Übelkeit zudem effektiv lindern. Antihistaminika sind hingegen weniger geeignet, da sie die motilitätshemmende Wirkung der Opioide verstärken.
Eine meist hartnäckige Verstopfung (Obstipation) stellt die häufigste Nebenwirkung der Opioide dar. Gegen die Obstipation bekommen die meisten Patienten von Anfang an prophylaktisch Laxanzien verschrieben. Häufig erfolgt die Verordnung gleich mit auf dem BtM-Rezept.
Daneben kann es zur Mundtrockenheit, Kopfschmerzen und Juckreiz kommen. Auch sind ein verringertes sexuelles Lustempfinden und Störungen der Regelblutung zu beobachten. Eine Hemmung des Atemzentrums kann vor allem bei Überdosierung problematisch werden. Bei Patienten, die unter chronischen Atemwegserkrankungen oder einem Schlaf-Apnoe-Syndrom leiden, erfolgt zumeist eine besonders langsame, kontrollierte Dosisanpassung. Das soll Kurzatmigkeit und Luftnot unter einer Opioidtherapie vermeiden.
Während Obstipation, Fatigue und Hyperhidrose ein persistierendes Problem einer Opioid-Behandlung sind, bilden sich die anderen Nebenwirkungen wie beispielsweise Übelkeit und Erbrechen zumeist allmählich im Therapieverlauf zurück.