Ein Tässchen gefällig?
7 Minuten
01. Januar 2025
Was unterscheidet einen Arzneitee
vom Lebensmitteltee?
Arzneimittel, und damit auch pflanzliche Arzneitees, die in der Fachsprache auch als Teedrogen bezeichnet werden, besitzen eine pharmakologische Wirkung. Sie gehören zur Gruppe der Phytopharmaka und brauchen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA eine Zulassung oder Registrierung, die man dann auf der Packung an der Zulassungsnummer oder Registrierungsnummer erkennen kann. Das gilt auch für lose, in Ihrer Apotheke individuell abgefüllte Arzneitees.
Grundsätzlich muss jedes Arzneimittel, das verkauft werden darf, eine individuelle Zulassung haben, die ausführlichst Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachweist. Da eine individuelle Beantragung einer Zulassung vor jeder einzelnen Teeabfüllung praktisch unmöglich ist, gibt es für diese Fälle Standardzulassungen, deren Gebrauch Ihre Apotheke nur einmalig beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anzeigen muss.
Sie als PKA können die passenden Aufkleber-Etiketten für die bei Ihnen gewünschten Tees bestellen und beim Abwiegen, Abfüllen und Beschriften der Etiketten assistieren. Auf den vorgedruckten Aufkleber-Etiketten stehen neben der Zulassungsnummer für die jeweilige Teedroge die entsprechenden Indikationsgebiete, Kontraindikationen, Interaktionen, Nebenwirkungen, die Art der Anwendung, Dosierung und Dauer der Anwendung sowie besondere Hinweise, zum Beispiel zur Anwendbarkeit in der Schwangerschaft. Auf den Etiketten müssen Sie dann noch die abgewogene Menge, die Chargenbezeichnung, das Haltbarkeitsdatum und den Preis ergänzen und die Tüte mit einem Etikett mit dem Namen und der Adresse Ihrer Apotheke versehen.
Für welche Arzneitees es Standardzulassungen gibt, können Sie auf der Liste der aktuell gültigen Standardzulassungen nachsehen, die Sie auf der Homepage des BfArM finden. Dort sind nicht nur einzelne Teedrogen wie Baldrianwurzel oder Salbeiblätter alphabetisch aufgelistet, sondern auch Teemischungen für häufig vorkommende Indikationsgebiete in der Selbstmedikation. So gibt es dort mehrere Rezepturen für Beruhigungstees, Blasen- und Nierentees, Erkältungstees, Gallentees, Husten- und Bronchialtees sowie Magen-Darm-Tee-Mischungen. Allein für Beruhigungstees gibt es zehn verschiedene bewährte Mischungen, für Magen-Darm-Tees sogar zwölf.
Dabei wird bei den Bestandteilen der Mischung zwischen nachgewiesenermaßen wirksamen Teedrogen wie Baldrianwurzel, Lavendelblüten und Melissenblättern und zusätzlichen Teedrogen unterschieden, die wie Calendulablüten als Schmuckdroge oder Rosmarinblättern als Geschmackskorrigens wirken. In den aufgelisteten Rezepturvorschriften wird extra darauf hingewiesen, dass die wirksamen Bestandteile mindestens 70 Massenprozentanteile ausmachen müssen. Jede einzelne Ergänzungsteedroge darf nicht zu mehr als 5 Massenprozentanteile enthalten sein und alle Ergänzungsteedrogen zusammen dürfen nicht mehr als 30 Massenprozentanteile betragen.
Wie bekommt ein Arznei-Tee eine Zulassung?
Für eine Vollzulassung muss genau wie bei Fertigarzneimitteln mit synthetischen Wirkstoffen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Für den Nachweis der Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit sind dafür sehr aufwendige und teure klinische Studien notwendig, die im Arzneipflanzenbereich kaum zu stemmen wären.
Da es aber im öffentlichen gesundheitlichen Interesse liegt, dass Arzneitees, die teilweise über Jahrhunderte der Bevölkerung zur Verfügung standen und sich dabei bewährt haben, in der Europäischen Union auf dem Markt bleiben, gibt es erleichterte Verfahren hierfür. Diese beiden Verfahren werden „well-established-use“(WEU) und „traditionel-use“ genannt. Für den Bereich der Qualität gelten die reduzierten Anforderungen aber nicht. An sie werden die gleich hohen Anforderungen wie bei einer Vollzulassung gestellt.
Beim „well-established-use“ werden pflanzliche Arzneimittel zugelassen, die sich seit mindestens 10 Jahren in der Europäischen Union (EU) bewährt haben, sofern dies durch anerkannte wissenschaftliche Literatur nachweisbar ist. Zu dieser Literatur zählen von Experten des Comitee on Herbal Medicinal Products (HMPC) für die jeweiligen Pflanzenteile (Cortex, Flos, Folium, Fructus, Herba, Radix, Rhizoma, Semen) erstellte Monographien. Die jeweiligen auf diese Weise zugelassenen Arzneitees erkennen Sie am Vorhandensein einer Zulassungsnummer auf der Umverpackung.
Auch wenn es für ein Phytopharmakon keine wissenschaftliche Literatur gibt, kann es als Arzneimittel unter bestimmten Bedingungen anerkannt werden.
Es ist das Verfahren nach dem „traditional-use“ für lange bekannte Phytopharmaka, darunter auch Teedrogen. Das Phytopharmakon muss in diesem Fall eine mindestens 30 Jahre lange bewährte medizinische Verwendung nachweisen, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union. In diesem Fall erfolgt eine Registrierung, die an der Registriernummer erkennbar ist. Diese sogenannten traditionellen Arzneitees zählen zu den apothekenüblichen Waren. Deshalb dürfen Sie als PKA zu diesen beraten und sie verkaufen. Auch in Supermärkten, Drogerien oder Reformhäusern können sie angeboten werden.
Am Beispiel des seit Generationen beliebten Fencheltees bei Blähungen von Babys und Kleinkindern und in Stilltees zeigt sich, dass die Unbedenklichkeit immer wieder neu bewertet werden muss. So empfiehlt die HPMC-Kommission der EMA inzwischen, Kindern unter vier Jahren keinen Fencheltee zu geben. Auch Schwangere und Stillenden sollen keinen Fencheltee trinken, denn er enthält sehr oft hohe Konzentrationen des Hormons Estragol, das als lebertoxisch eingestuft wird. Auch bei Kindern unter elf Jahren sollte man eher zurückhaltend sein.
Dann sind da noch die Nahrungsergänzungsmittel
In Ihrer Apotheke kann es aber auch Pflanzentees in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) geben. Dabei handelt es sich meistens um Kräutertees, Gewürztees oder Früchtetees. Sie besitzen keine medizinischen Indikationsgebiete, entsprechend dürfen auch keine Wirkungen genannt werden. Sie sollen lediglich die Gesundheit fördern, indem sie ernährungsspezifische Mängel beheben, die Trinkmenge erhöhen oder einfach das Wohlbefinden steigern.
Auf der Verpackung sind anstatt Dosierungsangaben oft Verzehrempfehlungen zu finden. Auch wenn sie keine Zulassungsnummer oder Registrierungsnummer besitzen, gibt es für diese Tees Regularien, die in der EU von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgestellt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings lediglich eine Überprüfung der produktbezogenen Aussagen durch die EFSA.
In kaufmännischer Hinsicht besitzen diese Tees gegenüber Arzneitees einen Vorteil: Da sie zu den Lebensmitteln gezählt werden, beträgt ihr Mehrwertsteuersatz nur 7 Prozent anstatt 19 Prozent, was den Verkaufspreis günstiger macht.
Was ist bei der Zubereitung alles zu beachten?
Ihre Beratung ist aber weniger wichtig, wie ein Tee rechtlich eingestuft ist, vielmehr interessiert Ihre Kunden, was sie bei der Zubereitung beachten sollen. Denn längst nicht jeder Tee entfaltet seine Wirkung am besten, wenn er einfach mit kochendem Wasser übergossen wird. Manche Tees müssen auch zunächst vorbereitet werden. So enthalten Tees, die aus ganzen Früchten wie Anis-, Fenchel- und Kümmelfrüchten bestehen, ätherische Öle, die erst durch das Anstoßen mit einem Mörser freigesetzt werden. Die Weitergabe dieser Information zeigt Ihren Kunden Ihre Kompetenz. Sie können zusätzlich auch anbieten, das Anstoßen für Ihre Kunden als Service zu übernehmen. Der Tee sollte dann aber auch in den nächsten zwei Wochen aufgebraucht werden und nicht als Vorrat gedacht sein.
Die Art der Teezubereitung kennen Sie noch aus Ihrer Berufsschulzeit: als Mazerate, Dekokte und Infuse. Infuse sind die am häufigsten vorkommende Zubereitungsform. Dazu wird ein gestrichener Teelöffel oder wahlweise ein vorgefertigter Teebeutel mit 150 ml (Milliliter) sprudelnd kochendem Wasser übergossen. Diese Angaben sollten Sie Ihren Kunden so konkret sagen, denn es ist durchaus unterschiedlich, wie sehr gefüllt Teelöffel werden und in welcher Größe Tassen in Haushalten vorhanden sind. Auch der Hinweis auf sprudelnd kochendes, also siedendes Wasser, hat seinen Sinn, denn so wird die Zahl der Mikroorganismen, die sich in getrockneten Naturprodukten befinden, stark reduziert.
Wie lange ein Tee ziehen sollte, ist je nach Härtegrad der Pflanzenteile und nach Art der Inhaltsstoffe unterschiedlich. Als Orientierung dient eine Zeit von sieben Minuten. Für harte Teedrogen wie Thymiankraut beträgt die Ziehzeit sogar 15 Minuten, um genug Wirkstoffe zu extrahieren. Wie alle Tees, die ätherische Öle enthalten, sollte er während der Ziehzeit abgedeckt werden, damit sich diese wertvollen Wirkstoffe nicht verflüchtigen. Enthält der Tee hingegen temperaturempfindliche Wirkstoffe wie Bitterstoffe, beispielsweise Schafgarben- oder Wermutkraut, dann ist verkürztes Ziehen von etwa drei Minuten zu empfehlen. Sie können dies im Zweifelsfall aber ruhig zusammen mit Ihren Kunden nachlesen. Das macht einen engagierteren Eindruck als nur auf den Beipackzettel oder die Umverpackung zu verweisen. Und Sie können Ihren nächsten Teekunden noch besser beraten.
Dekokte sind aufwendiger herzustellen und eignen sich nur für echte Tee-Fans unter Ihren Kunden. Sie sind aber für sehr harte Teedrogen wie Eichenrinde effektiv. Die Teedroge wird vorzugsweise mit einem Mörser zerkleinert, bevor sie mit kaltem Wasser übergossen wird. Dieser Ansatz wird danach je nach Härtegrad der Teedroge bis zu 15 Minuten gekocht. Danach wird noch abgesiebt.
Kaltmazerate eignen sich besonders für schleimstoffhaltige Teedrogen wie Leinsamen oder Eibischwurzel, damit die Schleimstoffstruktur erhalten bleibt. Beim Kochen würde sich der Schleim zersetzen. Ein anderer Grund für diese Zubereitungsart liegt bei Bärentraubenblättern vor: Hier wird durch den Kaltauszug verhindert, dass magenreizende Gerbstoffe, die sich im heißen Wasser lösen, in den Tee gelangen. Der Auszug sollte nach dem Abseien aber dennoch kurz aufgekocht werden, um die Keimzahl zu reduzieren.
Bei welchen Beschwerden sind Tees zu empfehlen?
Arzneitees eignen sich besonders als Ergänzung bei Erkrankungen und Beschwerden, bei denen eine zusätzliche Flüssigkeitszufuhr förderlich ist. Diese Indikationen finden sich auch in den von den Kommissionen erstellten Standardzulassungen für Erkältungs-, Husten- und Bronchialtees sowie Blasen- und Nieren-Tees, Magen-Darm-Tees sowie Beruhigungstees wieder.
Der gesundheitliche Nutzen der Darreichungsform durch zusätzliche Flüssigkeit und Wärme ist bei Atemwegs- und Blasenbeschwerden am offensichtlichsten. Bei Husten- und Bronchialtees verstärkt außerdem das Inhalieren von ätherischen Ölen beim Trinken die Wirkung. Aber auch viele Beschwerden im Verdauungsapparat lassen sich durch mehr Flüssigkeit lindern oder vorbeugen. Bei Beruhigungstees spielt – zusätzlich zu den Wirkstoffen der anerkannten Teedrogen – das Ritual der Zubereitung, des Sich-Zeitnehmens und Zur-Ruhe-Kommens eine wichtige Rolle.
Die von den Kommissionen empfohlenen Teedrogen besitzen zum größten Teil eine große therapeutische Breite, wodurch Abweichungen vom Zerkleinerungsgrad, der Löffelgröße und der Ziehzeit nicht so sehr ins Gewicht fallen. Allerdings kann es auch durchaus Nebenwirkungen geben: So besitzen süßholzhaltige Hustentees den Blutdruck erhöhende Eigenschaften, weshalb sie Hypertoniepatienten nicht zu empfehlen sind.
Die Auswahl passender Tees ist zum Glück aber groß, und so finden Sie für Ihre Kunden bestimmt den passenden Tee und auch für Sie selbst einen, den Sie einfach nur genießen können!
Ute Kropp,
Apothekerin und PKA-Lehrerin
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.