Neurotransmitter
PTA-Fortbildung

Das Gehirn und seine Transmitter

Botenstoffe wie Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin steuern hochkomplexe Vorgänge im Körper. Organfunktionen, Gedächtnisleistung, Motorik und vieles mehr hängen von den Neurotransmittern ab, die allesamt dem Gehirn als Steuerzentrale unterliegen. Haben Sie den Durchblick?

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. Oktober 2023

Serotonin - mehr als ein Glückshormon

Emotionen und Gefühle sind ebenfalls ein Ergebnis chemischer Prozesse im Gehirn. Besonders beteiligt ist Serotonin. Wie die meisten Botenstoffe wird Serotonin in der Präsynapse in Vesikeln gespeichert und unter dem Einstrom von Calciumionen nach elektrischem Impuls freigesetzt. Beendet wird die synaptische Aktion durch Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt in das präsynaptische Neuron über die Serotonin-Wiederaufnahme-Transporter (Serotonin- Reuptake-Transporter).

Serotonin ist in vielen Lebensmitteln enthalten, kann aber nicht über externe Aufnahme in das Gehirn transportiert werden. Vorstufe von Serotonin ist die Aminosäure Tryptophan, aus der im Gehirn Serotonin gebildet wird. Die Zufuhr dieser Aminosäure über die Ernährung, aber auch eine kohlenhydratreiche Kost können die Serotoninkonzentrationen im Gehirn erhöhen. Im Gegenzug führt Serotoninmangel zu depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Ängsten.

Wie wirkt Serotonin?

Serotonin ist nicht nur der Botenstoff, der die Emotionen, den Schmerz und den Schlaf-Wachrhythmus reguliert. Er ist auch außerhalb des Gehirns aktiv. Zum Beispiel erhöht Serotonin die Kontraktilität der Darmmuskulatur und wirkt am kardiovaskulären System sowohl gefäßverengend als auch gefäßerweiternd. Außerdem hat Serotonin leichte blutdrucksenkende Effekte.

Die Vielfalt der Wirkungen ist auf die große Anzahl verschiedener Serotonin-Rezeptoren zurückzuführen. Sie werden in 5-HT1 bis 5-HT7 -Rezeptoren unterschieden, die ihrerseits noch Subtypen aufweisen. Beispielsweise erhöhen 5-HT1A -Rezeptoren nach Aktivierung die Dopaminfreisetzung im präfrontalen Cortex, Striatum und Hippocampus, was zum Teil die Negativsymptome der Schizophrenie unter Aripiprazol verbessert.

Der 5-HT1A -Rezeptor ist die einzige relevante Zielstruktur, die von Antidepressiva oder Antipsychotika aktiviert wird. Der 5-HT1A -Rezeptor reguliert als präsynaptischer Autorezeptor die Freisetzung von Serotonin. Postsynaptisch findet sich der 5-HT1A -Rezeptor in großer Dichte im Hippocampus, anderen Arealen des limbischen Systems und einigen kortikalen Regionen.

Besonders ist, dass der 5-HT1A -Rezeptor nicht nur im serotonergen System beteiligt ist, sondern auch an der Signalweiterleitung über noradrenerge und cholinerge Rezeptoren sowie dem körpereigenen Hormon Cortisol. Die Funktionen, die über den 5-HT1A -Rezeptor gesteuert werden, sind vielfältig, seine Aktivierung bewirkt:

  • Stimulation von motorischen Bewegungsprozessen
  • Schmerzreduktion
  • Anxiolyse und Antidepression
  • Aggressionskontrolle
  • Appetitsteigerung
  • Senkung der Körpertemperatur
  • Schlafförderung

Die Stimulation von 5-HT3 -Rezeptoren über Serotonin löst starke Übelkeit und Erbrechen aus, die Hemmung der Zielstrukturen hingegen wirkt dem entgegen. Außerdem sind einige Serotonin-Rezeptoren an der Migräneentstehung beteiligt.

Therapeutische Ansätze

Serotonerge Arzneimittel greifen an unterschiedlichen Rezeptoren an und können so bei einer Vielfalt von Erkrankungen nützliche Wirkungen entfalten. Besonders bekannt sind Antidepressiva, die die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt in das präsynaptische Neuron hemmen. Es sind die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Fluoxetin oder Sertralin. Aber auch andere Antidepressiva wirken teilweise auf diese Weise, zum Beispiel Venlafaxin oder trizyklische Antidepressiva.

Ein anderer Wirkungsmechanismus ist die Hemmung der Monoaminooxidase, die für den Abbau von Monoaminen, so auch Serotonin und Dopamin verantwortlich ist. Im Ergebnis erhöhen alle diese Arzneistoffe die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt. Allerdings ist heute bekannt, dass die Effekte an den Neurotransmittersystemen bezüglich der Besserung der depressiven Symptomatik nicht allein durch Erhöhung der Konzentrationen erreicht werden kann.

Komplexe Vorgänge bewirken nachweisbare Therapieerfolge erst nach mehreren Wochen und bei mittelschweren oder schweren Depressionen. 5-HT3-Antagonisten wie die Setrone, zum Beispiel Ondansetron, hemmen den Brechreiz beim Zytostatika- oder strahleninduzierte Erbrechen. Teilweise werden sie auch gegen das Reizdarmsyndrom verordnet. Triptane wirken an Serotoninrezeptoren agonistisch und lösen so vasokonstriktorische Effekte an Blutgefäßen in den Hirnhäuten aus, um so die Migräneanfälle zu unterbrechen. Der 5-HT4-Agonist Prucaloprid hat die Indikation chronische Obstipation, wenn diese nicht ausreichend mit Laxanzien behandelt werden kann.

Achtung im Beratungsgespräch: Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Da viele Wirkstoffe serotonerge Qualitäten aufweisen, ist bei Patienten mit Polymedikation auf Interaktionen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu achten. Etwa zehn Prozent der Patienten mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern leiden wegen der antriebssteigernden Wirkung unter Schlafstörungen und Unruhe.

Ein wichtiger Beratungshinweis ist, die Tablette morgens einzunehmen. Mirtazapin und die Antipsychotika Olanzapin und Clozapin hemmen den 5-HT2A-Rezeptor und den Histamin1-Rezeptor. Damit verbunden ist die Verbesserung des Schlafes durch sedierende Effekte und die Erhöhung des Appetits, was als Nebenwirkung eine Gewichtszunahme begünstigen kann. Auf diese Begleiteffekte sollten Patienten zu Beginn der Therapie hingewiesen werden, da sie oft ein Grund für einen Therapieabbruch darstellen.

Übermäßige Konzentrationen von Serotonin können ein Serotoninsyndrom mit

  • Hyperthermie,
  • Unruhe,
  • Tachykardie und
  • Halluzinationen

auslösen. Diese schwerwiegende Komplikation ist sehr selten und kann bei Überdosierungen von SSRI, SSNRI, MAO-Hemmern und einigen Opioiden vorkommen. Triptane haben darauf keinen Einfluss. Sie wirken jedoch gefäßverengend und sind deshalb bei Patienten mit einer peripheren Verschlusskrankheit und einem Koronarsyndrom kontraindiziert.

Antidepressiva sollten nicht abrupt abgesetzt, sondern ausgeschlichen werden, da es sonst zu einem Absetz-Syndrom kommen kann. Bei bis zu 70 Prozent der männlichen Patienten tritt unter der Therapie mit SSRI oder SSNRI (Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) eine erektile Dysfunktion und eine Verminderung der Libido auf.

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